Freies Radio im ländlichen Raum, ein Beispiel…

Die ideelle Grundlage des regionalen Radios bilden jene BürgerInnen aus den Regionen, die jene für sie grundlegenden Inhalte im Sendestudio selbst produzieren und teilweise auch in den sozialen Netzwerken bzw. im Archiv der freien Radios verbreiten. Auf die Region blicken, Initiativen und Kunst-/KulturveranstalterInnen prozesshaft begleiten, Diskussionsprozesse wahrnehmen und beobachten, vorhandenes Wissen hereinholen und multiplizierend verbreiten und die Menschen in der Region vernetzen, diese Inhalte zählen heute verstärkt zu den Hauptaufgaben des Freien Senders Radio FREEQUENNS.

14 Radiosender und 3 TV-Stationen bilden den Freien Rundfunksektor in Österreich (der auch als 3. Sektor bezeichnet wird). Mit der Aufhebung des Rundfunk-Monopols in Österreich im Jahr 1997 (Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs) wurde der Weg zu schrittweisen Gründung und Lizenzierung von privaten Radiosendern in unserem Land möglich gemacht. Während zu Beginn in einigen Landeshauptstädten und der Hauptstadt Wien die urbanen Zentren die ersten Radios gegründet wurden, entstanden in der kurz darauf folgenden Phase auch einige Stationen im ländlichen Raum. Dazu zählte der Kunst- und Medienverein FREEQUENNS im Ennstal, der als Tochterverein des obersteirischen Culturcentrums Wolkenstein (CCW) 1998 die Lizenz für einen Sendebetrieb seitens der Regulierungsbehörde zugesprochen bekam. Die Frist zum Start war auf ein Jahr befristet – am letzten Tag, mit dem 1. April 1999, ging man pünktlich um Mitternacht „on air“ – auf der Frequenz 100,8 MHz im Ennstal, empfangbar im Großraum Liezen (Sender & Studio) und ennsaufwärts bis etwa Gröbming.

Bevor es jetzt zu einer überlangen Geschichtsstunde kommt, gilt es noch, einen kurzen vergleichenden Blick ins (europäische) Ausland zu werfen. Während in Bolivien bereits 1949 die Minenarbeiter ihre erste Radiostation gründeten und in der Folge viele weitere Freie Radios (auch BürgerInnenradios oder Community Radios genannt) weltweit entstanden, folgte Europa erst 1968 mit dem slowenischen „Radio Študent“ in Ljubljana, in Österreich versuchten sogenannte „PiratInnen“ freie Meinungsäußerung via Radiowellen an potentielle „EmpfängerInnen“ zu senden. Im Land verfolgt, sendeten Ende der 1970er Jahre private Radio-Interessierte etwa aus Italien in den Kärntner Raum, gemeinsam klagte man vor dem Europäischen Gerichtshof, das Ergebnis ist bekannt (s.o.).

Es sind also gerade einmal knapp mehr als 20 Jahre seither vergangen, die Medienlandschaft hat sich seit dem Ende der 1990er Jahre völlig verändert, der lokale & stationäre „Radioapparat“ des 20sten Jahrhunderts hat von einer Vielzahl an mobilen (Audio)empfängern (wie Autoradios, Smartphones, Laptops und dem Heim-PC) Konkurrenz bekommen. Auch die Zahl der Angebote von Streaming-Diensten (und deren Playlists), Podcasts und diverser Internetseiten (YouTube, Vimeo etc.) haben einerseits einen globalen mobilen, schnelleren und allgegenwärtigen Zugang zu „Radio/Audio“ ermöglicht, andererseits hat die Fülle der genannten Zugänge die Einzigartigkeit und Bedeutung von Radio doch in gewisser Weise in Frage gestellt….

Wozu dann Radio – und überdies – aweiten Land

Heute – 2021 - stehen wir im zweiten Jahr der Pandemie und eines mehrfachen COVID 19-Lockdowns, der auch vielfältige Fragen an die Strukturen der Freien Radios gestellt hat. Der Status Quo wie Versammlungsverbot vs. offener Zugang zu den Räumlichkeiten (zugleich Sende- bzw. Produktionsstätte) für die RadiomacherInnen, Face2Face-Workshops vs. Videokonferenzen mit den TeilnehmerInnen, ausschließliche Medienproduktion als Meinungsäußerung und alternative Informationsquelle und/oder aber auch ein wichtiger „Sozialer Raum“ für die Beteiligten – die verschiedenen Aufgaben der Freien Radios stellen auch bei längerer Betrachtung die eine oder andere Sinnfrage.

Zwei (Stand)punkte bzw. Sichtweisen sollen hier ins Zentrum gestellt werden, die für die Entwicklung, Außen- und Wechselwirkung eines freien „Landradios“ zwischen RadiomacherInnen und ihren potentiellen HörerInnen wesentlich sind:

Die ideelle Grundlage dieser Radios bilden jene BürgerInnen aus den Regionen, die jene für sie grundlegenden Inhalte (nach Absolvierung von Basisworkshops) im Sendestudio selbst produzieren und teilweise auch in den sozialen Netzwerken bzw. im Archiv der freien Radios „bewerben“. Durch die im Laufe der letzten zehn Jahre verstärkte Förderung der Sender (in Liezen sind dies der Bund, Land Steiermark und die Stadtgemeinde) haben sich auch die operativen Teams verstärkt. Neben ihrer „Betreuung“ der Radiomachenden, dem Programmierungen von Sendungen und Sendungsübernahmen agieren sie auch selbst als JournalistInnen im regionalen und überregionalen Rahmen. Radio FREEQUENNS hat seit seiner Funktion als Festivalradio der „Regionale 10“ im Jahr 2010 mit einer Aktuell-Sendung („Freequenns Infopoint“ 3-5 x wöchentlich), der Feature-Sendung „In der Mitte am Rand“, dem LIVE-Diskussionsformat „Roundtable“ und den „In Concert“-Live-Mitschnitten aus der Region eigene Akzente gesetzt. Damit ist der Ennstaler Sender Plattform und eigener Player im regionalen Medienumfeld, wobei es weder die ideologische Überzeugung noch die personelle Situation erlaubt, auf „allen Kirtagen“ zu tanzen oder dies auch zu wollen. Auf die Region und über den Tellerrand blicken, Initiativen und Kunst-/KulturveranstalterInnen prozesshaft begleiten und damit auch „bewerben“, Diskussionsprozesse wahrnehmen und beobachten, vorhandenes Wissen (u.a. aus Vorträgen in der Region) hereinholen und multiplizierend verbreiten (u.a. auch Audio-Archiv anzulegen und in zahlreichen Workshops Medienkompetenz zu vermitteln) und die Menschen in der Region vernetzen, diese Inhalte zählen heute verstärkt zu den Hauptaufgaben des Freien Senders Radio FREEQUENNS.

In dieser Mischform, dem freien Zugang, der Mitwirkung von BürgerInnen am öffentlichen Diskurs via Medien und dem eigenständigen journalistischen dritten Weg (neben öffentlich-rechtlichem und privat-kommerziellem Rundfunk), darin besteht der ganz spezielle Reiz und der besondere Charme der Freien Radios, auch jener im ländlichen Raum. Die Herausforderung wird in naher Zukunft nach wie vor die Abwanderung von potentiell an aktiver Teilnahme interessierten jungen Menschen und das wachsende mediale Angebot bleiben. In diesem großen Teich aufzufallen, zur Mitarbeit im Freien Radio FREEQUENNS anzuregen und zu begeistern, Gesprächs- und Diskussionspartner für die Menschen in der Region – und via Internet weltweit – zu sein, wird uns – Radio FREEQUENNS – als kunst/kultureller „Nahversorger“ auch weiterhin bewegen und motivieren.

 

Thomas Hein, Redakteur Radio Freequenns

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