Wir wollen alles und zwar sofort

Gut, soweit wie die Sozialrevolutionär_innen der frühen 1970er Jahre müssen wir vielleicht gar nicht gehen. Dennoch könnte das das Motto einer zeitgenössischen Kunstszene sein, denn in Zeiten sinkender Budgets wird das Ungleichgewicht zwischen aktuellem Kunstschaffen und der „Anbetung der Asche“, wie es Gustav Mahler nannte, immer dramatischer.

Gut, soweit wie die Sozialrevolutionär_innen der frühen 1970er Jahre müssen wir vielleicht gar nicht gehen. Dennoch könnte das das Motto einer zeitgenössischen Kunstszene sein, denn in Zeiten sinkender Budgets wird das Ungleichgewicht zwischen aktuellem Kunstschaffen und der „Anbetung der Asche“, wie es Gustav Mahler nannte, immer dramatischer. Zum Erhalt einiger weniger großer Institutionen und sogar für die Gründung von ein paar neuen, wie etwa dem Festspielhaus Erl oder dem Musiktheater Linz, scheint es auch heute noch Geld zu geben. Gleichzeitig ist es – und das wird allen immer sehr glaubhaft versichert – vollkommen unmöglich, die Arbeit in zeitgenössischen Kulturformen zu entlohnen.

Na gut, nehmen wir das Nachfrageargument: Neue Musik, neue Oper, experimentelle Kunst etc. sind nicht massentauglich und werden nicht entsprechend nachgefragt. Das stimmt, dem kann wenig entgegen gesetzt werden, außer, dass auch die ewige Reproduktion eines globalisierten Kanons auch keinen Markt (im Unterschied zur Nachfrage) hat und deshalb eben in den subventionierten Institutionen gespielt werden muss. Da kann man dann natürlich einhaken und fragen, wenn das eine wie das andere keinen Markt im eigentlichen Sinne hat, warum fließen dann all die Mittel aus den diversen Kulturbudgets immer nur in eine Richtung?

Ist das Wiederaufführen von übernommenen Theaterstücken, Opern, Musik etc. wirklich soviel mehr wert als aktuelles Kulturschaffen? Es wird in den nächsten Jahren nicht mehr Geld geben. „Es wird nicht mehr Geld geben“ ist ein Euphemismus dafür, dass es real und nominal weniger Mittel geben wird. Sollte es dennoch nominal zu geringen Erhöhungen kommen, dann um diese für die Inflationsabgeltung der Institutionen zu verwenden. Das heißt aber gleichzeitig, dass jeder Euro der eingespart wird, genau dort eingespart wird, wo es nichts mehr zum einsparen gibt. Bei Künstler_innen, der freien Szene, den nicht oder nicht ausreichend Institutionalisierten. Das betrifft zum einen alle, die mit Institutionen zusammenarbeiten und deren Gagen bis hin zur Unverschämtheit gedrückt werden und zum anderen all jene, die in der freien Szene ohnehin schon unterbezahlt oder gar unbezahlt arbeiten. Deshalb ist es jetzt Zeit für eine breite kulturpolitische Debatte. Wie viele Institutionen hält das österreichische Kunstschaffen eigentlich noch aus?

Für wen sind diese Institutionen heute noch? In welchem Verhältnis steht das produktive Kunstschaffen im Gegensatz zur Reproduktion von tradierten Werken?

Diese Fragen wurden in den letzen Jahren implizit beantwortet. Ohne Diskussion. Die Macht des Faktischen. Klar, es ist immer problematischer, bestehende Institutionen in Frage zu stellen, als etwas gar nicht erst entstehen zu lassen. Der Erfolg von Projekten, die bereits im Ansatz abgewürgt wurden, ist immer fraglich. Dennoch wird es immer klarer, dass wir auf eine Situation zusteuern, in der wir zwar noch die Betriebskosten der großen Häuser zahlen können und die Gagen des noch verbliebenen Personals, aber letztlich nichts mehr produziert werden kann. Doch vielleicht gibt es noch eine kulturpolitische Diskussion über die Verteilung der Gelder, bevor sich der letzte Personalchef von seiner letzten Mitarbeiterin verabschiedet hat.

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