VorRisse

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) zeigt sich erfreut: Nach zahlreichen gescheiterten Anläufen tritt das, was mittlerweile unter dem Namen „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ (BMS) firmiert, dieser Tage nämlich doch noch in Kraft.

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) zeigt sich erfreut: Nach zahlreichen gescheiterten Anläufen tritt das, was mittlerweile unter dem Namen „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ (BMS) firmiert, dieser Tage nämlich doch noch in Kraft. Die Freude resultiert nicht zuletzt daraus, dass das unterste soziale Sicherungsnetz im österreichischen Sozialstaat laut BMASK-Infofolder dadurch „sicher gegen Missbrauch“ gemacht werde. Denn die BMS – wer hätte es gedacht – „ist kein bedingungsloses Grundeinkommen, keine ,soziale Hängematte‘!“ So sieht es also aus, das sozialdemokratische Pendant zur „Transferdatenbank“ der ÖVP, mit denen die Sicherungssysteme nun also noch sicherer gestaltet werden sollen – wenn schon nicht gegenüber Armuts- und anderen sozialen Risiken, so doch zumindest gegen „Missbrauch“.

So weit, so visionslos, so wenig überraschend. Was das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) allerdings mit all dem zu tun hat, wollten wir dann doch etwas genauer wissen und widmen ihm deshalb den aktuellen Heftschwerpunkt. Christian Marazzi konstatiert dabei in seinem einleitenden Beitrag einen Bedeutungswandel des BGE, das sich aktuell von einem Instrument der Umverteilung in eines der Entlohnung produktiver Tätigkeiten jenseits der Lohnarbeit transformiere. Im Anschluss an diese Veränderung plädiert er dafür, die Sozialsysteme ausgehend vom Prinzip des Gemeinschaftlichen neu zu bestimmen, was u. a. die Garantie einer bedingungslosen Kontinuität des Einkommens umfassen müsse. Dass gerade in geschlechterpolitischer Hinsicht ein zentraler Einsatz der BGE-Forderung aber auch darin besteht, die angesprochene Trennung von entlohnten und nicht-entlohnten Arbeiten generell infrage zu stellen, macht Käthe Knittler in ihrem Artikel deutlich. Auf der Basis einer Unterscheidung von vier Sektoren der Wirtschaft geht sie dabei der Frage nach möglichen Auswirkungen des BGEs auf das gesellschaftliche Gefüge als Ganzem nach. Karl Reitter eröffnet seinen darauf folgenden Beitrag mit der (metaphorisch gemeinten) These eines „Verschwindens“ von Gesellschaft, das aus dem Verlust der gesellschaftlichen Bedeutung von (Erwerbs-)Arbeit resultiere. Das BGE eröffne hier eine neue Perspektive auf Arbeit als Möglichkeit für alle, in Freiheit tätig zu sein. Die Frage nach der Rolle des BGEs im Kontext einer Politik der Entprekarisierung ist Gegenstand der anschließenden Diskussion zwischen Milena Bister, Margit Appel, Melina Klaus und Markus Koza. Aufgezeichnet von dem aus der Euromayday-Bewegung hervorgegangenen Kollektiv PrekärCafé werden dabei Potenziale, aber auch Fallstricke dieser Forderung debattiert. Dieter A. Behr führt in der Folge aus, warum die Forderung nach einem BGE aus emanzipatorischer Perspektive als globale zu artikulieren ist. Alleine schon die Rolle, welche migrantische Arbeitskraft in den Zentren und so genannte Extraktionsökonomien im globalen Süden für Wertschöpfung und Wohlstand spielen, macht es ihm zufolge nämlich nötig, das BGE vom nationalstaatlichen Rahmen und von der Frage der StaatsbürgerInnenschaft zu entkoppeln. Daniela Koweindl schließlich setzt sich in ihrem, den Heftschwerpunkt abrundenden Beitrag mit dem Modell eines Garantierten Einkommens für KünstlerInnen in Norwegen auseinander. Trotz seines exklusiven Charakters und anderer Problematiken zeigt das Beispiel doch, dass das BGE (noch) mehr sein könnte, als eine konkrete Utopie, die das Nachdenken über alternative Formen gesellschaftlicher Re-/Produktion befördert.

Von deren politischer Realisierung freilich sind wir auch im „Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ weit entfernt. Dass sich letzteres angesichts der in vielen europäischen Staaten aktuell entwickelten Pläne zur Haushaltssanierung immer mehr in ein „Europäisches Jahr zur Bekämpfung der Armen und sozial Ausgegrenzten“ verwandelt, macht das angesprochene Nachdenken über solche Alternativen umso notwendiger.

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