Stellungnahme zum Kulturbericht 2021

Der Kulturbericht des Landes Kärnten für das Jahr 2021 wurde veröffentlicht und die IG KiKK hat diesen mit Fokus auf für die Freie Szene relevante Änderungen analysiert.

Stellungnahme zum Kulturbericht 2021

 

Entwicklung und Verteilung

Das Kulturbudget betrug 2021 etwa 27,44 Millionen Euro und ist damit das höchstdotierte seit 2016. Die Erhöhung um € 0,57 Millionen (+2,12%) zum Vorjahr wird mit den Kosten „für das Ausstellungsprojekt Thinking Domenig und die damit zusammenhängenden Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen des Steinhauses in Ossiach“ begründet. (S.5)

Vom gesamten Kulturbudget gingen fast 69 Prozent an vier landesnahe Institutionen (Stadttheater, Landesmuseum, Landesarchiv, MMKK). Im Vergleich zu 2020 ist dies eine Erhöhung der Budgets für die Landesinstitutionen um 5%. Als Gründe genannt werden hierfür die Neuorganisation des Landesmuseums (+55,52 %; u. a. für die Abdeckung der Kosten für höhere Baupreise und der Außenanlagen), Mehrausgaben des MMKK im Bereich der Anschaffung von Kunstwerken (+5,46%) und eine Sondersubvention für Infrastrukturmaßnahmen in der Höhe € 110.000,- (+9,8%) für das Kärntner Landesarchiv. Lediglich das Stadttheater hat einen Rückgang der Subvention von etwa € 795.000,- (-7,8%)[1] zu verzeichnen. Insgesamt fließen € 18,91 Millionen in die vier öffentlichen Einrichtungen.

Übrig bleiben 8,53 Millionen Euro (-11,88%), die sich auf alle anderen Sparten und Positionen im Kulturbericht verteilen. Diesen insgesamt über 700 Positionen (Volkskultur, Darstellende Kunst, Bildende Kunst, Literatur, Film, Kulturinitiativen, andere Museen, Kulturzeitschrift Die Brücke, Landeskulturpreise, Stipendien, Sonderförderungen, usw.) stehen somit nur 31% des Kulturbudgets zur Verfügung.

 

Kulturinitiativen und IG KiKK-Mitglieder

Die Budgetentwicklung für die LIKUS Kategorie „Kulturinitiativen und -zentren“ stellt mit € 874.740,87.- im Vergleich zu 2020 eine Kürzung um 2,61% dar. Begründet wird dies damit, „dass die IG KIKK im Jahr 2020 wesentlich höhere Förderungsbeiträge […] erhielt als im Berichtsjahr.“ (S. 7) Die Differenz von 23.459,13 entspricht in etwa der 2021 ausgebliebenen Jahresförderung der IG KiKK aufgrund der 2020 für zwei Jahre ausbezahlten Sonderförderung für Service- und Beratungstätigkeit aufgrund der Corona-Pandemie (€ 68.000,-).

Obwohl 2021 als dritte Tranche noch €27.950,87 Förderungen für CARINTHIja 2020-Projekte an Kulturinitiativen flossen, während die zweite Tranche 2020 noch € 194.125,00 betrug, bleibt die Gesamtsumme relativ konstant. Das Auslaufen des Jubiläumsprojektes, das der freien Szene in den letzten Jahren zu Gute gekommen ist, spiegelt sich – entgegen vieler Befürchtungen – vorerst nicht durch starke Budgeteinbrüche wider.

Zu beachten ist jedoch, dass elf Kulturinitiativen von der Projektentwicklungsförderung als Corona-Unterstützungsmaßnahme profitierten. Die Summe von € 107.000.- wurde 2021 ausgeschrieben und ausbezahlt, die Mittel wurden jedoch „aus dem Kulturbudget des Jahres 2020 für diese Unterstützungsmaßnahme reserviert“ (Kulturbericht 2020, S.84). Bei genauer Betrachtung lässt sich darauf schließen, dass Förderung für Kulturinitiativen nur aufgrund der Sonderförderungen etwa auf derselben Höhe gehalten werden konnte.

 

Aufgrund der Selbstzuordnung beim Subventionsansuchen sind jedoch nicht alle IG KiKK-Mitglieder in dieser LIKUS Kategorie aufgelistet, sondern verteilen sich auch auf die jeweiligen Sparten (Darstellende Kunst, Musik, Literatur, …).

Von den 76 Mitgliedsinitiativen der IG KiKK haben 52 eine Förderung von der Kulturabteilung des Landes Kärnten mit einer Gesamtsumme von € 974.595.- erhalten. Hiervon zählen € 19.951.- zum Jubiläumsprojekt CARINTHIja 2020. Im Vergleich zu 2020 ist die Fördersumme dieser Mitglieder um € 2.593.- gesunken. Im Detail stehen dabei 14 Erhöhungen des jeweiligen Förderbetrages im Vergleich zum Vorjahr 11 Kürzungen gegenüber (exklusive der CARINTHIja-Projekte, zuzüglich zwei Erstanträge aufgrund von Neugründung):

  • Bei 23 (somit fast der Hälfte der Förderungsempfängerinnen) beträgt die Summe weniger als € 10.000.- . Diese Initiativen wären damit laut neuen Förderrichtlinien unter dem Schwellenwert für eine Mehrjahresförderung.
  • 14 Mitglieder erhalten zwischen € 10.000.- bis € 20.000.-
  • Drei Mitglieder erhalten zwischen € 20.000.- bis € 30.000.-
  • Acht Mitglieder erhalten zwischen € 30.000.- bis € 50.000.-
  • Vier Mitglieder erhalten € 50.000.- oder mehr.

 Anmerkung: Basierend auf den Fair Pay Richtlinien betragen die Personalkosten für eine Anstellung mit 20 Wochenstunden in der Gruppe 3[2] jährlich € 26.322,40.-[3]. Somit können sich rein durch die Förderung des Landes Kärnten/Koroška 40 der 52 Kulturinitiativen neben der Projekttätigkeit bei ausreichendem Zeitausmaß keine angemessen bezahlte Kulturarbeiter:in leisten.

 

Entwicklung und Interpretation

Insgesamt sind Aussagen über eine Kulturbudgetentwicklung schwer zu treffen. So ist zwar die Gesamtsumme im Vergleich der letzten Jahre gestiegen, erreicht jedoch nicht die bereits dagewesenen Spitzen von 2012 oder 2009. Hierbei fällt auf, dass die Steigerungen in die öffentlichen Einrichtungen fließen und ihren ungleichen Anteil auf 69% Kulturförderung ausweiten. Die freie Szene profitiert davon nicht und ist weiterhin auf Sonderförderungen (CARINTHIja 2020, Projektentwicklungsförderung, Call 2021, Jahresschwerpunkte) angewiesen. 40 von 52 Mitgliedsinitiativen liegen im Gegensatz dazu bei einer Jahresförderung von unter € 30.000.- und könnten von dieser Förderung nicht gleichzeitig Programmgestaltung und Anstellungen finanzieren, geschweige denn, laufende Kosten wie monatliche Büroinfrastruktur tragen. Die von der IG KiKK seit Jahren geforderte Umverteilung hat somit scheinbar nicht stattgefunden. Endgültige Aussagen über die Entwicklung der Kategorien sind jedoch erst in zukünftigen Jahren zulässig, wenn keine zusätzlichen Budgettöpfe aufgrund von Zweckwidmungen oder Krisen zur Verfügung stehen.

 

Nachhaltige Ansätze

Positiv hervorzuheben sind Förderungen, die langfristige Planungssicherheit unterstützen. Die österreichweit einzigartige Projektentwicklungsförderung ermöglicht erstmals die ansonsten unbezahlte Arbeit für Konzeption und Recherche zu entlohnen.
Ein wirkungsvolles Instrument, um die prekäre Lage von Künstler:innen sowie Wissenschaftler:innen zu entschärfen, sind die Arbeitsstipendien, wovon abermals 72 zu je € 2.760.- vergeben wurden (insgesamt rund € 198.720.-).
Diese beiden neuen Förderinstrumente wurden aufgrund der Coronapandemie entwickelt und ermöglichen durch die Finanzierung von Arbeitskräften eine professionelle Durchführung auf inhaltlicher sowie künstlerischer Natur, sowie durch die Verminderung vom Projektdruck eine psychische Entlastung auf individueller Ebene der Betroffenen. Daher ist es wünschenswert, dass diese zukunftsweisenden Investitionen (Best-Practice-Modelle) weitergeführt werden.

Die hohe Nachfrage nach Arbeitsstipendien für Künstler:innen/Wissenschaftler:innen sowie Projektentwicklungsförderungen von Kulturinitiativen beweisen die Dringlichkeit von Kunstförderung jenseits herkömmlicher Strukturen mit Subventionen, die sich nicht an den tatsächlichen Kosten orientieren und somit zu unfreiwilliger unbezahlter Arbeit führen. Von einer angemessenen Bezahlung ihrer Arbeitskräfte sind der Großteil der Kulturinitiativen jedoch noch weit entfernt, wie die Datenanalyse der Mitgliedsinitiativen zeigt (s.o.). Umso erfreulicher ist es, dass das Land Kärnten/Koroška sich mit Fair Pay beschäftigt und das Thema auch im Kulturbericht aufgegriffen wird, was sich finanziell in der Förderung entsprechender Projekte der Interessensgemeinschaften niederschlägt. Auch die Implementierung des Bekenntnisses zu Fair Pay in den Kulturförderrichtlinien ist eine begrüßenswerte Maßnahme[4], der allerdings budgetäre Änderungen folgen müssen. Hierfür muss das selbst erkannte Erfordernis, sich mit der Frage auseinander zu setzen „wie diese Finanzierungslücke zu schließen ist und wie die dafür notwendigen Budgets aufgebracht werden“ (S. 38), ist dringend anzugehen.

 

Umdenken erfordert!

Wenn selbst die Fördergeberin Handlungsbedarf erkennt, ist es offensichtlich, dass Kunst und Kultur mehr Förderungen unabhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen und etwaiger Sonderbudgets braucht. Die Gegenüberstellung von VIER Landesorganisationen und den über 700 anderen Positionen im Kulturbericht macht die Vielfalt und Bedeutung von Kulturtätigen abseits großer Einrichtungen deutlich. Die Verteilung der Mittel werden dem Anteil, den die freie Szene am Kunst- und Kulturangebot in Kärnten/Koroška einnimmt, bei weitem nicht gerecht. Es bedarf somit einer grundsätzlichen Erhöhung des Kulturbudgets und einer Umverteilung zugunsten von freischaffenden und unabhängigen Kulturorganisationen und -personen. Die öffentliche Hand sollte kulturpolitischen Strategien entwickeln, um diese Aufgabe lösen zu können und mit längerfristigen Maßnahmen die nachhaltige Entwicklung der freien Szene abzusichern. Um ein qualitativ hochwertiges Kunst- und Kulturleben und gleichzeitig den Verdienst des Lebensunterhaltes durch Kulturarbeit zu ermöglichen, gehen Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen Hand in Hand und erfordern ein Umdenken im Förderwesen – weg von der Projektförderung und hin zur Strukturförderung.

 


Die angegebenen Zahlen und Aussagen wurden anhand des Kulturberichtes 2021 des Landes Kärnten/Koroška erarbeitet, abrufbar unter https://www.kulturchannel.at/fileadmin/startseite_buttons/kulturbericht_2021.pdf
Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Seitenverweise auf diese Quelle.

[1] Da die Tabelle auf S.7 abweicht, beziehen wir uns auf die Zahlen aus dem Fließtext auf S. 7 u. 70.

[2] Tätigkeitsbeschreibung: Selbständiges Erledigen administrativer Aufgaben wie Kassaführung, Abrechnungen, Archivierung, allgemeiner Schriftverkehr, Veranstaltungsorganisation, Mitgliederadministration, selbständige Betreuung der Datenbank, Durchführung von Recherchen, Erstellen von Projektdokumentationen/ Jahresberichten aus vorhandenem Material; Vorbuchhaltung, Projektassistenz, Marketing, Redaktion von Programmen, Bibliotheksbetreuung.

[3] Ermittelt anhand des Fair Pay Rechners der Kulturplattform Oberösterreich, abrufbar unter: https://kupf.at/fairpayrechner/

[4] „Das Land Kärnten bekennt sich zu Fairness in Kunst und Kultur und unterstützt im Rahmen der budgetären Möglichkeiten die leistungsgerechte Bezahlung (Fair Pay) von Künstler*innen und sonstigen in Kunst und Kultur tätigen Personen.“ Kulturförderrichtlinien S. 5, abzurufen unter https://www.kulturchannel.at/fileadmin/startseite_buttons/a_neu_kulturfoerderungsrichtlinien_a14__ueberarbeitung_2021_final.pdf

Ähnliche Artikel

Zukunftsgerichteter Kulturpolitik: Welche Rolle spiele Kulturstrategien für Kunst und Kultur in stürmischen Zeiten. Mit Thomas Philipp, Fabian Burstein, Elena Stoißer, Mika Palmisano. Welche Rolle spielen Kulturstrategien für Kunst und Kultur in stürmischen Zeiten? Gerade im Angesicht der derzeitigen Wirtschaftslage ist es angebracht und weitsichtig, sich Gedanken und Konzepte zu machen, um ein langfristiges und zukunftsfähiges Stadtleben mit einer lebendigen Kunst- und Kulturszene zu gewährleisten. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf Best-Practice-Beispiele, wie den erfolgreichen Kulturstrategien in Linz oder Salzburg, und schauen über den Tellerrand zu Perspektiven für Kunst und Kultur im gesellschaftlichen Wandel. Außerdem liefern wir Hintergrundinformationen zur aktuellen gesellschaftlichen Situation allgemein und auch speziell in Kärnten | Koroška und der Landeshauptstadt Klagenfurt | Celovec.
Pressemitteilung der IG Kultur Vorarlberg vom 15.11.2024 Keine großen Sprünge, aber durchaus Anlehnung an das Update der Landeskulturstrategie ortet die IG Kultur Vorarlberg im Arbeitsprogramm unter neuer, schwarz-blauer Regierung. Eine konkretere Einordnung könne jedoch erst mit Aussagen zum Kulturbudget 2025 gemacht werden. „Alle Argumente und Maßnahmen für ein zukunftsorientiertes, faires und professionelles Kunst- und Kulturschaffen liegen ja schon eine Weile auf dem politischen Tisch. Jetzt gilt es, den von den Koalitionspartnern erklärten Vorarlberger Mut auch in Zahlen auszudrücken“, so Mirjam Steinbock von der IG Kultur Vorarlberg. Dass das Ressort Kultur bei Landesrätin Barbara Schöbi-Fink bleibt, hält die Interessensvertretung für wertvoll.
Survival Guide für die Kulturszene KIKK OFF za kulturo #34: Die Ergebnisse der Nationalratswahl 2024 sitzen auch noch über einen Monat später tief in den Knochen und sorgen in weiten Teilen der freien Kulturszene Kärnten/Koroškas, unter Kulturarbeiter:innen und Künstler:innen für Unruhe. Es braucht Strategien, welche es den Menschen, die in den Bereichen Kunst und Kultur tätig sind ermöglichen, auf eine wirksame und nachhaltige Weise den Wellen rechter Kulturpolitik standzuhalten, ihre Werte zu vertreten und Raum für ihre Projekte, Werke und Aktionen zu schaffen.