Fragmente des Widerstands. Zum Bildungsauftrag Freier Radios.

Für „Fragmente des Widerstands“ hieß das ca. 3000 Seiten historisches Quellenmaterial, 45 InterviewpartnerInnen und an die 2000 Minuten Tonaufnahmen auf 540 Sendeminuten zu verteilen. Trotz des erheblichen Arbeitsaufwands ist dieses Projekt ein möglicher Versuch, mit dem Freie Radios in Österreich, gerade zu Zeiten eines schwindenden Bildungsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ein Stück mehr an Legitimation und Bedeutung erreichen können.

Der Hintergrund von „Fragmente des Widerstands“

In einer neunteiligen Sendereihe hat sich das Freie Radio Salzkammergut (FRS) mit dem Widerstand gegen das NS-Regime in den 1930er und 40er Jahren im Salzkammergut auseinandergesetzt. Dieser Widerstand war deshalb atypisch für die damalige „Ostmark“, da im Salzkammergut die sonst üblichen sprachlichen, ethnischen oder kulturellen Gegensätze, die gemeinhin mit eine Voraussetzung für Widerstandsaktivitäten bildeten, kaum vorhanden waren. Im Gegenteil, gerade die „alpenländischen Gaue“ waren durch deren so genannte „Volkskultur“ und einer leicht zu konstruierenden Wildererromantik oftmals Vorbild für die völkische Ausrichtung und einen männlichen Heldenmythos, welche integrale Bestandteile der NS-Ideologie bildeten. Dass gerade diese Wildererkreise zu einem Kern des Widerstands werden sollten, mag für die damaligen Machthaber eine gewisse Demütigung bedeutet haben.

Die Voraussetzungen für den Widerstand im Salzkammergut lagen zum einen in der traditionell stark verwurzelten Arbeiterbewegung (der erste Arbeiterkonsumverein Österreichs wurde bereits 1868 in Bad Goisern gegründet, der „Salzkammergutkonsum“ hat bis Heute überlebt), zum anderen haben sich im so genannten Zehnten Bundesland strukturelle Formen einer gewissen Widerständigkeit entwickelt, die sich nur zum Teil aus der Geschichte der Reformation und Gegenreformation, die im Inneren Salzkammergut nur oberflächlich greifen konnte, erklären lassen. Euphemistisch könnte man behaupten, die Menschen im Salzkammergut seien von einer tief sitzenden Skepsis allem Neuen gegenüber geprägt. Provokant ausgedrückt: Der Salzkammergütler ist xenophob.

Für die Entstehung eines regionalen Widerstands gegen das NS-System konnte diese misstrauische Grundhaltung nur von Vorteil sein. Natürlich war nicht das gesamte Salzkammergut ein widerständiger Fels in der braunen Brandung, genauso wenig wie die Bezeichnung eines klassischen Partisanenkampfes auf die lokalen Widerstandsaktivitäten im engeren Sinn zulässig ist. Auch wenn die Widerstandsgruppierungen im Salzkammergut auf wirkliche Sabotageakte verzichteten, so bedeutete das großzügige Verstecken von Deserteuren und politischen Nazigegnern, sowie Vorbereitungen zur Machtübernahme in Hinblick auf das nahende Kriegsende, eine Besonderheit in der Geschichte des gesellschaftlichen und politischen Widerstands.

Dass die Grundlage der Widerstandsorganisationen, wie so oft, von Frauen erarbeitet wurde, kann im Bezug auf das Salzkammergut, dank der Arbeit des Linzer Laienhistorikers Peter Kammerstätter, relativ gut rekonstruiert werden.

Geburtshilfe

Die „Hauptschuld“ an der Entstehung der Sendereihe „Fragmente des Widerstands“ trägt ein Wanderführer des Gmundners Christian Topf, der den Titel „Auf den Spuren der Partisanen – zeitgeschichtliche Wanderungen im Salzkammergut“ trägt. Topf geht darin anhand von 12 klassischen Wanderrouten, die immer im Kontext mit geschichtlichen Ereignissen stehen, dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Salzkammergut nach. Dieser Wanderführer fiel mir 2003 erstmals in die Hände, und die Idee, aus dieser leicht nachvollziehbaren Form der Geschichtsbetretung eine Sendereihe zu gestalten, nahm schnell Gestalt an.

Im Rahmen des „KUPF-Innovationstopf 2005 – Lebendige Archive“ wurde das Projekt „Fragmente des Widerstands“ vom FRS eingereicht. Die Umsetzung des Projektes sollte, wie schon seine Entwicklung, durch mich erfolgen. Dass eine Sendereihe dieser Größenordnung für ein Freies Radio nur durch eine zusätzliche Förderung zu realisieren wäre, war von Anfang an klar. Der Finanzierungsbedarf wurde mit 11.000,- Euro veranschlagt. Von 44 eingereichten Projekten wurde „Fragmente des Widerstands“ von einer fünfköpfigen Jury (in der mit Wolfgang Neugebauer vom DÖW in Wien ein profunder Kenner der österreichischen Zeitgeschichte vertreten war) an die erste Stelle gereiht. Gerade wenn man in Betracht zieht, dass der „KUPF-Innovationstopf“ als wichtiges kulturelles Förderinstrument in Oberösterreich für Projekte außerhalb des Linzer Zentralraums nicht in dem Maß zum Tragen kommt, den der dezentrale Raum verdient hätte, gewinnt diese Reihung noch an zusätzlicher Bedeutung.

Achtung, Sendung!

„Fragmente des Widerstands“ erzählt eine Geschichte des Widerstands im Salzkammergut, auch und gerade anhand von persönlichen Geschichten. Mein Ziel bei der Gestaltung der Sendereihe war es, mich an den Wanderführer von Christian Topf so werktreu wie möglich zu halten. Die konkrete Arbeit bedeutete: 1. relevante historische Quellen zu erschließen, 2. Menschen und ZeitzeugInnen ausfindig zu machen, die mit den jeweiligen Themen vertraut, bzw. bereit sind, sich der Interviewsituation zu stellen und über Erlebnisse zu berichten, die mehr als 60 Jahre zurückliegen, und 3. dies alles in eine hörzeig-, und nachvollziehbare Form zu bringen, die jeweils mit einer Stunde Sendezeit ihr Auslangen finden muss. Für „Fragmente des Widerstands“ hieß das ca. 3000 Seiten historisches Quellenmaterial, 45 InterviewpartnerInnen und an die 2000 Minuten Tonaufnahmen auf 540 Sendeminuten zu verteilen. Trotz des erheblichen Arbeitsaufwands ist dieses Projekt ein möglicher Versuch, mit dem Freie Radios in Österreich, gerade zu Zeiten eines schwindenden Bildungsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ein Stück mehr an Legitimation und Bedeutung erreichen können. Die Ergebnisse dieses Versuches lassen sich hören!

Anmerkungen
Die Fragmente des Widerstands waren eines von insgesamt neun prämierten Projekten beim KUPFInnovationstopf 2005 und sind auf www.freiesradio.at oder www.cba.fro.at nachhörbar. Der Wanderführer Auf den Spuren der Partisanen – zeitgeschichtliche Wanderungen im Salzkammergut von Christian Topf, ist im Verlag Edition Geschichte der Heimat oder über toch@aon.at beziehbar. Über das Zeitgeschichtemuseum Ebensee kann man an thematischen Wanderungen zum Widerstand im Salzkammergut teilnehmen.

David Guttner ist Redakteur des FRS. Derzeit in Vaterkarenz, lebt in Ebensee/OÖ.

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