Ein Schritt – wohin?

Völlig außer Acht gelassen werden die im Kunstbereich absolut typischen unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse, die im Laufe eines Jahres nach- oder nebeneinander passieren: Vorübergehende Anstellung, neue Selbstständigkeit, Arbeitslosigkeit.

Als der Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF) 2001 beschlossen wurde, hieß es trotz Kritik: Ein erster Schritt in die richtige Richtung. Leider ist bei der vorliegenden Novelle nicht von einem weiteren Schritt zu sprechen. Wie sieht nun die neue Situation aus der Sicht einer Filmemacherin aus? Als positiv kann ich anmerken: Filmkunst, bisher in der allgemeinen Kurie für zeitgenössische Ausformungen der Kunst beheimatet, bekommt eine eigene Kurie, an die Filmemacherinnen in Zukunft ihre Anträge auf Zuschuss zum Pensionsversicherungsbeitrag richten.

In einem von Kunstministerin Schmied beauftragten Gutachten des ÖVP-nahen Arbeitsrechtexperten Wolfgang Mazal, das als Arbeitsgrundlage (!) für die Novelle diente, werden drei „Fallgruppen“ von Künstlerinnen angeführt: 1. Jene, die – vorübergehend – angestellt werden, und daher gem. ASVG auch arbeitslosversichert sind; 2. Neue Selbstständige, die sich selbst versichern; und 3. jene, die zu wenig (d.h. unter der Geringfügigkeitsgrenze) verdienen und (die typischerweise weit unter der statistischen Armutsgrenze liegende) Sozialhilfe beantragen können.

Auf die Situation der Filmschaffenden wird nicht weiter eingegangen, obwohl sich gerade im Film- und im Schauspielerbereich seit der Einführung der Neuen Selbstständigkeit die Situation dramatisch verschlechtert hat. Die Flucht aus geregelten Arbeitsverhältnissen hat so richtig eingesetzt. Völlig außer Acht gelassen werden hier auch die im Kunstbereich absolut typischen unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse, die im Laufe eines Jahres nach- oder nebeneinander passieren: Vorübergehende Anstellung, neue Selbstständigkeit, Arbeitslosigkeit. Früher konnte man sich arbeitslos melden, durch die selbstständige Tätigkeit fliegt man jedoch schnell aus dem Arbeitslosengeldbezug, obwohl immer wieder Versicherungsbeiträge eingezahlt wurden. Gleichzeitig kommen Berufsanfängerinnen nicht mehr in das ASVG-System und haben keine Chance, die Einstiegshürden (ausreichende Beitragszeiten) für den Bezug von Arbeitslosengeld zu überwinden.

Gewinn als Maßstab künstlerischer Tätigkeit

Am Anfang seines Gutachtens zitiert Mazal die hinter dem KSVFG stehende Absicht des Gesetzgebers: Der Verlauf einer Karriere eines Künstlers sei mit anderen selbständigen Berufsgruppen nicht vergleichbar. Einkünfte hängen von der gesellschaftlichen Anerkennung und Akzeptanz ab und sind besonderen Schwankungen unterworfen. Während sich andere Selbstständige dem Markt anpassen könnten, sei das bei Künstlerinnen nicht wünschenswert.

Daraus wird die verfassungskonforme Schaffung des KSVFG abgeleitet – jedoch als eine merkwürdige Form der Kunstförderung (und nicht als Förderung der sozialen Absicherung), die an ein Mindesteinkommen bzw. an einen Gewinn gebunden ist und nicht an die künstlerische Tätigkeit an sich. Andererseits führt Mazal das Erreichen eines künstlerischen Mindesteinkommens als Indikator dafür an, dass die Künstlerin AKTIV ist und schreibt weiter: „Durch Einnahmen werden Aktivität und Marktakzeptanz dokumentiert.“ Also sich doch nach dem Markt richten? Mazal widerspricht sich selbst, wie mehrmals in seinem Text. So etwa auch bei Anmerkungen zur Untergrenze, wo der Autor meint: Wenn eine Künstlerin die Einkommensuntergrenze unterschreitet, gilt sie als mittellos. „Für derartige Phasen der Biographie eines Künstlers ist das System der Sozialversicherung nicht gedacht.“

Aber was hat ein solcher Blick auf künstlerische Arbeit mit der Realität zu tun? Ein Film entsteht über mehrere Jahre: Idee, Recherche, Expose, Überarbeitung, Suche nach Partnern, Produktionen, Verhandlungen – und es fließt noch lange kein Geld. Wer mit dem vorherigen Projekt erfolgreich war, fährt zu Festivals, bekommt vielleicht Anerkennung oder Preise. Apropos: Preise und Stipendien sollen künftig als künstlerisches Einkommen angerechnet werden – sofern sie einen Einkommensersatz darstellen. Doch dazu zählen jene Preise nicht, die ex post vergeben werden. Beim Film oder Theater gibt es abgesehen von einigen Förderungspreisen aber nur solche, die für eine bereits abgeschlossene künstlerische Arbeit verliehen werden.

Wer nicht marktkonform ist, fängt wieder bei Null an

Weiter mit unserem Filmprojekt: Eine kleine Konzeptförderung, Drehbuchschreiben, Entwürfe, Workshops, dazwischen vielleicht Diskussionen, Lehre (wird vom KSVF nicht als künstlerische Tätigkeit anerkannt), und dann, mit etwas Glück, findet das Projekt statt. Wer Pech hat, oder eben nicht marktkonform ist, fängt wieder bei Null an. Viele Regisseurinnen machen alle drei bis fünf Jahre einen Film. Das hängt natürlich auch mit der unerfreulichen Situation der Filmwirtschaft insgesamt zusammen, aber das ist ein anderes Kapitel.
Seit 2003 der Bundeszuschuss an den KSVF weggefallen ist, finanzieren sich die Künstlerinnen den KSVF quasi selbst: Geld kommt aus Abgaben von Kabelrundfunkanlagen und aus Verkauf oder Vermietung von Geräten, die zum Empfang von Rundfunksendungen über Satelliten bestimmt sind (Receiver und Decoder). Und was läuft im Kabel? Künstlerische Arbeit. Von der Einführung einer Content-Abgabe hat man wohl unter dem Druck der ÖVP wieder Abstand genommen, ebenso vor der Erweiterung des Einzahlerkreises nach deutschem Vorbild.

Ein Resümee? Die Mindesteinkommengrenze als Zuschussvoraussetzung bleibt. Wer diese verfehlt, muss weiterhin mit Rückzahlungsforderungen rechnen. Nach vielen Ankündigungen und Hoffnung auf unserer Seite bleibt zu sagen: Die Enttäuschung ist groß. Keine einzige Forderung der Kunstschaffenden wird in dem vorliegenden Entwurf erfüllt.

Anmerkung

Informationen, Stellungnahmen, Forderungen: kulturrat

Zuzana Brejcha ist Filmemacherin.

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