edu-factory

edu-factory ist ein transnationales Netzwerk von AktivistInnen im Bildungsbereich, das 2006 gegründet wurde. In diesem Jahr wurde die gleichnamige Mailinglist gestartet, deren Themen um die neoliberale Transformation der Universitäten und um Formen des Konflikts in der Wissensproduktion angelegt sind.

edu-factory ist ein transnationales Netzwerk von AktivistInnen im Bildungsbereich, das 2006 gegründet wurde. In diesem Jahr wurde die gleichnamige Mailinglist gestartet, deren Themen um die neoliberale Transformation der Universitäten und um Formen des Konflikts in der Wissensproduktion angelegt sind. Bemerkenswert war vor allem die Strenge, mit der dieser Instituierungsvorgang vorgenommen wurde. Statt eine offene Mailinglist zu installieren, wurde die Liste anfangs nur für zwei längere Diskussionsrunden jeweils für drei Monate geöffnet und dann – auch zur Überraschung vieler List-Participants – wieder geschlossen. Einzelne AutorInnen bestimmten je eine Woche lang durch ihre Inputs spezifische thematische Linien. Gerade diese strenge Form gab den Debatten eine Kohärenz und Intensität, die in offenen Mailinglists üblicherweise nicht lange gehalten werden kann.

In der ersten Runde ging es vor allem um Konflikte an den Universitäten, in der zweiten um den Prozess der Hierarchisierung des Bildungsmarkts und die Konstituierung autonomer Institutionen. Und genau diese zwei Linien sind es auch, die die doppelte Exodus-Strategie der edu-factory beschreiben: Exodus heißt hier nicht einfach nur Auszug aus der Universität, sondern vielmehr Kampf um autonome Freiräume in der Universität und zugleich Selbstorganisation und auto-formazione außerhalb der existierenden Institutionen.

Gerade rechtzeitig für die onda anomala, die Welle der Proteste, Besetzungen und Streiks an den italienischen Universitäten Ende 2008, brachte das edu-factory-Kollektiv das Buch „L'università globale: il nuovo mercato del sapere“ heraus, das im kommenden Herbst in englischer Sprache bei Autonomedia erscheinen wird. Der Band fasste die wichtigsten Texte der Online-Diskussionen zusammen und wurde in vielen Präsentationen in ganz Italien zum Angelpunkt jener Diskurse, die die Kämpfe der onda anomala mit anfachten und begleiteten. In der Einleitung des Buchs findet sich in Bezug auf den Namen des Netzwerks ein interessanter Widerspruch, der das Paradox der edu-factory repräsentiert: Zunächst heißt der zentrale Slogan: Ciò che un tempo era la fabbrica, ora è l’università. Was einmal die Fabrik war, ist nun die Universität. Doch keine zwei Seiten danach steht zu lesen, dass die Universität keineswegs funktioniert wie eine Fabrik. Was hat dieser offenbare Widerspruch zu bedeuten? Wie kann die Universität gleichzeitig Fabrik sein und keineswegs aber funktionieren wie eine Fabrik?

Zwei Möglichkeiten, die Universität als Fabrik zu denken

Gehen wir zurück zur ersten Assoziation der Universität als Fabrik, die auf der Ebene des Metaphorischen verbleibt. Im Laufe der bemerkenswerten Ausbreitung von Kämpfen, Besetzungen und Streiks an den Universitäten im Laufe der letzten Monate organisiert die edu-factory unzählige Meetings (nicht nur in Europa), bei denen vor allem die unsichtbare Verkettung dieser singulären Kämpfe thematisiert wird. Für die Bewerbung einer dieser Veranstaltungen, die im Rahmen des deutschen Bildungsstreiks im Juni an der TU Berlin stattfand, verwendeten die Berliner Veranstalter ein satirisches Blatt des deutschen Zeichners und Schriftstellers Gerhard Seyfried aus den 1970er Jahren. Die Universität wird hier als Apparat, als Maschine, als Fabrik beschrieben, deren Zahnräder die Studierenden wie in einer Mühle zerreiben, deren Prüfungsmechanismen den Ausschluss des unbelehrbaren Ausschusses und den Einschluss der Gefügigen vornehmen, deren Fließband sie unaufhaltsam der Vereinheitlichung zur genormten StudienabgängerIn hin befördert. Die Hauptaussage dieses Bilds ist einfach: Die Universität-Fabrik ist eine ungeheure, monströse Maschine, in der die anfangs unterschiedlichen und vielfältigen Studierenden zu Einheitsmenschen geformt und fit für die Verwertung in einer einheitlichen Gesellschaft gemacht werden. Natürlich erscheint diese Metapher der Universität als Fabrik heute, unter den Bedingungen der Kommodifizierung des Wissens und der Rasterung und Verbetriebswirtschaftlichung der Unis einleuchtender denn je. Doch sie geht nicht weit genug.

Mit dem Aufkommen postfordistischer Produktionsformen erfolgte ein Zerstreuungsprozess, in dessen Lauf die Fabriken zunehmend in die Gesellschaft diffundierten. Die Fabrik, nunmehr fabbrica diffusa, funktioniert in dieser Transformation nicht mehr mit den gewohnten Komponenten aus dem 19. Jahrhundert. Und schon gar nicht die Fabrik der Wissensproduktion, die knowledge factory, sei sie nun als Universität vorgestellt oder als ebenso diffus gewordenes Gefüge von Institutionen und kooperativen Netzwerken der Wissensproduktion. Auch der Gegensatz zwischen der institutionellen Struktur und den durch sie dominierten Studierenden geht am heutigen Amalgam von Repression und Selbstregierung der Studierenden vorbei. Die Lage ist eine wesentlich komplexere, als das Bild Seyfrieds und die einfache Interpretation der Wissensfabrik als Metapher es nahe legen.

Die Universitäten als letzter Ort der Konzentration

Wollen wir die volle Ambivalenz der fabbrica diffusa, ihre Vereinnahmungsmechanismen ebenso wie ihre Widerstandspotenziale erkennen, müssen wir die Universität wie auch alle anderen Orte der diffusen Wissensproduktion nicht nur als Orte der Kommodifizierung des Wissens, sondern auch und vor allem als Orte des Konflikts verstehen. Und hier könnte auch ein Grund für das Insistieren der edu-factory auf einen Kampf um die Universität, um autonome Freiräume innerhalb der Universität liegen: In einer Situation der Prekarisierung, vor allem aber der Diffundierung, der extremen Zerstreuung der Kultur- und WissensarbeiterInnen, sind Schulen und Universitäten vielleicht die letzten Orte der Konzentration.

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Die Subskriptionsadresse für die Mailinglist, die inzwischen hauptsächlich über aktuelle Kämpfe und Konflikte um Wissensproduktion in den unterschiedlichsten Weltregionen informiert: Subskriptions-Email

Gerald Raunig ist Philosoph und arbeitet am European Institute for Progressive Cultural Policies (eipcp) in Wien.

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