Das Schlimmste erhoffen

Oberösterreich gilt oft als das Musterbundesland. Niedrige Arbeitslosenquoten, Triple-A-Ranking, prosperierende Wirtschaft. Alles gut an der Donau. Die Ursache, die dieser Wahrnehmung im eigenen Land zu Grunde liegt, fußt aber weniger auf den guten Wirtschaftsdaten als vielmehr auf dem konsensorientierten Josephinismus, den die ÖVP zur Prämisse erhoben hat.

Zum Beginn kurz die antretenden Parteien durchhecheln:

Die ÖVP ist die unumstrittene Nr. 1. In Person des Landeshauptmanns Pühringer stellt sie einen Spitzenkandidaten, der den gütigen aber strengen, immer die Interessen des Landes über alles stellenden Vater verkörpert.
Die SPÖ ist irgendwie in der Opposition, auf Grund des Proporzes aber auch in der Regierung und kämpft mit sich und ihrer klaren Linie.
Die Grünen sind seit 2003 in der Regierung und vermeiden es seither konsequent, eigene Positionen, die jenen des großen Vaters widersprechen könnten, zu verlautbaren.
Die FPÖ war marginalisiert, hat aber im Zuge der Stracheschen Frischzellenkur aufmunitioniert und spielt schon 100 Tage vor der Wahl die Zunge an der Waage.
Das BZÖ ist eine – noch – unbekannte Größe, könnte aber mit der Schwester des toten Kärntner Landeshauptmanns als Spitzenkandidatin punkten.
Die KPÖ tritt an.

Brot und Spiele im Überfluss

Oberösterreich gilt oft als das Musterbundesland. Niedrige Arbeitslosenquoten, Triple-A-Ranking, prosperierende Wirtschaft. Alles gut an der Donau. Die Ursache, die dieser Wahrnehmung im eigenen Land zu Grunde liegt, fußt aber weniger auf den guten Wirtschaftsdaten als vielmehr auf dem konsensorientierten Josephinismus, den die ÖVP zur Prämisse erhoben hat. Das Volk ist zufrieden. Sollte es einmal nicht zufrieden sein, dann bekommt es statt einer zwei Landesausstellungen und eine Landesgartenschau als Draufgabe. Und das alles – so wird vorgerechnet – ist auch wirtschaftlich so ertragreich, dass niemand mehr murren muss. Die politischen MitbewerberInnen wagen es nicht, diese Systematik zu hinterfragen. Denn auch für sie ist in den Repräsentationsnischen der massentauglich inszenierten Schlösser- und Stiftssanierungen noch Platz. Und wenn sich auch noch die in Oberösterreich verwurzelte Innenministerin plakativ neben den Landeshauptmann setzt und das Sicherheitspaket für Oberösterreich anpreist, beschwert sich ohnehin niemand mehr.

Alle gegen Rot!

Oberösterreich ist fest in schwarzer Hand. Bei den letzten Landtagswahlen 2003 erreichte die ÖVP 43% vor der SPÖ mit 38%. Und das obwohl zu diesem Zeitpunkt mit dem geplanten Börsengang der Voest-Alpine ein genuin sozialdemokratisches Thema präsent war. Die Strukturschwäche der SPÖ nutzt der ÖVP, die sich dieses Widerparts vor sechs Jahren durch einen klugen Schachzug entledigt hat. Indem die Grünen mit der ÖVP ein Regierungsübereinkommen geschlossen haben, haben sie zeitgleich einen Maulkorberlass für sechs Jahre unterschrieben. Einigkeit und Konsens und alle Kraft gegen Rot war – scheint es – das Motto der letzten sechs Jahre, und jetzt im Wahlkampf spitzt es sich noch einmal zu. Die Strategie der Grünen wirkt hier auffallend durchschaubar. Weder Pühringer noch SP-Chef Haider haben bislang in Interviews eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen. Die Aufforderung der Grünen via Presse, sich klar zu distanzieren, erging vorerst nur an die SPÖ. Erst nachdem in Ebensee Jugendliche Sieg-Heil schrien und die Hand zum Gruß erhoben, forderten die Grünen die Distanzierung auch von der ÖVP. Diese hatte nach den Vorfällen von Ebensee sich ganz staatsmännisch gegeben und verlautbaren lassen, dass Oberösterreich sicher kein Naziland sei. Aber auch rechts von der ÖVP schießt sich die FPÖ auf Erich Haider und die SPÖ ein, wohl um die erhofften Regierungsverhandlungen nicht zu gefährden.

Absolute Macht korrumpiert absolut

Landeshauptmann Pühringer war 2003 einer der wenigen mächtigen ÖVP-Vertreter, der sich gegen schwarz-blau positionierte, letztendlich aus Parteiräson aber klein beigab. Ob diese politische Haltung auch neun Jahre danach noch gilt, bleibt abzuwarten. Dem Machterhalt ist es wohl geschuldet, dass sich Pühringer bislang alle Optionen offen lässt. Erschütternd aber, dass eine klare Positionierung angesichts einer FPÖ, die um Meilen weiter rechts anzusiedeln ist als im Jahr 2000, fehlt. Sie fühlt sich wohl doch zu gut an, die Luft an der Spitze. Ähnliches Kalkül ist zu unterstellen, wenn die Regierungspartnerschaft mit den Grünen wieder aufgenommen wird, so diese nicht die Gunst der WählerInnen verlieren. Pühringer weiß nur zu gut, dass es mit den Grünen ungleich leichter wäre als mit einer FPÖ, die mit einem jugendlich frischen Spitzenkandidaten antritt, der ganz auf Linie seiner Bundespartei Plakate affichieren lässt mit Slogans wie „Ich sage klar nein zum Bleiberecht“.

Das Arigona-Trauma

Dabei betrifft das Thema Bleiberecht gerade in Oberösterreich die höchsten Ebenen der Politik. Immerhin wurde Pühringer vom Büro für interne Ermittlungen wegen des Verdachts angezeigt, sensible Daten im Fall Arigona Zogaj an die Medien weitergegeben zu haben. Pühringers Antwort auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe blieb staatsmännisch kryptisch: „Ich habe nichts Rechtswidriges getan, denn ich halte mich an die Gesetze.“ Geklärt ist in diesem Fall noch nichts, aber der oben angesprochene Spitzenkandidat der FPÖ, Haimbuchner, weiß, wie er das Thema Zogaj am Köcheln halten kann: Zwei Tage vor der EU-Wahl im Juni hielten die Freiheitlichen eine Wahlveranstaltung in Frankenburg ab, der Heimatgemeinde der Familie Zogaj. Aber nicht wegen den Zogajs, wie Haimbuchner via OTS ausrichten ließ. Geschmeckt hat Pühringer die ganze Sache nicht, vor allem auch, weil seine Versuche, sich als humanitärer Menschrechtler zu gebärden, von der Innenministerin torpediert wurden, was Pühringer wiederum einiges an Häme seitens der SPÖ einbrachte.

Duell im September?

Es tut der SPÖ wahrscheinlich auch gut, wenn sie zum Spotten kommt. Auf der politischen Bühne in Oberösterreich sind zumeist sie es, die den Spott zu ertragen haben. Erich Haider will es diesmal aber wirklich wissen, und hat schon vor Monaten Landeshauptmann Pühringer zum „Duell“ gefordert. Möglich, dass er sich in der Wahl der Waffen dafür vergriffen hat. Denn Haider hat auch gefordert, dass die stimmenstärkste Partei den Landeshauptmann stellen soll. Dass diese Partei SPÖ heißt, scheint 100 Tage vor der Wahl alles andere als wahrscheinlich. Die SPÖ verfügt auf Landesebene über zu wenig Spielangebot und eigene Repräsentationsflächen. Und – wie schon eingangs erwähnt – fällt ihr die Rolle, als Teil der Landesregierung mittendrin und trotzdem nicht dabei zu sein, sehr schwer. So übt sie sich in mehr oder weniger pointierter Oppositionspolitik, ohne eigene Themen zu setzen beziehungsweise politisch zu verhandeln.

Ohne Verhandlungsbereitschaft

Das System Oberösterreich hat als eine Säule die Abkehr von der Verhandlungsbereitschaft. Damit soll gar nicht der politische Mainstream angesprochen werden, der sich im Absondern von Phrasen erschöpft, sondern vielmehr die politische Grundhaltung, die der zivilgesellschaftlichen Opposition gegenüber eingenommen wird. Interessensvertretungen, die keinem politischen Lager zuzuordnen sind, werden geduldet und für wichtig erklärt, aber nicht gehört. Oder für die eigenen Zwecke vereinnahmt. Das weitgehende Festhalten an dieser Haltung ermöglicht es den Herrschenden, sich durch die Duldung keine demokratiepolitischen Defizite zu Schulden kommen zu lassen. Dass von den Vorschlägen, Ideen und Forderungen, mit denen diese NPOs nach außen gehen, nichts umgesetzt wird, verursacht ihnen keine schlaflosen Nächte, da sie auch um die mediale Macht wissen, die sie selbst haben.

Ohne Revolutionsgeist

Viele der oben angeführten Punkte zum System Oberösterreich führen aber auch dazu, dass um die Hegemonie nicht (oder nur marginal) gekämpft wird. Die Rahmenbedingungen sind irgendwie in Ordnung, seien sie jetzt struktureller oder monetärer Natur, und es gibt für (fast) alle etwas. Oppositionelle Grundhaltungen verkommen zum Selbstzweck und kommen über den Status des Think Tank nicht hinaus. Dabei wäre es gerade in dem konsensschwangeren Klima in Oberösterreich notwendig, den Konflikt zu schüren. Aber es herrscht eine Sattheit, die dazu führt, dass oppositionelle Kritik aus einem zivilgesellschaftlichen Feld fast nicht vorkommt, wenn sie aber kommt, nicht gehört wird. Dass diese Sattheit mehr ein Völlegefühl ist, das hauptsächlich aus Magenluft ohne Nährwert besteht, wird dabei außer Acht gelassen.

Ohne Medien!

Dieses angeführte „Nicht-gehört-Werden“ liegt darin begründet, dass die oberösterreichische Mainstream-Medienlandschaft an Tristesse fast nicht zu überbieten ist. Die ÖVP unterhält eine Parteizeitung, hier muss über Kritik nicht gesprochen werden. Die Oberösterreichischen Nachrichten – die einzige oberösterreichische Tageszeitung – verkörpern ebenfalls die Andienerung an das System. Es ist eine symbiotische Beziehung, die die Zeitung mit der Politik eingeht, im Wissen beiderseitiger Abhängigkeiten. Dass hier für oppositionelle Gruppen, die nicht den klassischen Medienzirkus bedienen wollen, kein Platz ist, liegt auf der Hand. Ebenso wie die Schaffung eigener Medien auf der Hand liegt und in Oberösterreich forciert wird. Vier Freie Radios, ein Community-TV-Projekt, nichtkommerzielle Netzwerkinitiativen stehen für eine alternative Medienlandschaft, die notwendigerweise als Sprachrohr für jene Inhalte steht, die im Mainstream keinen Platz finden.

Was kommt?

Der Wahlkampf wird kurz werden. Darauf haben sich die Parteien schon geeinigt. Und es werden sicherlich alle möglichen Fairness-Abkommen unterzeichnet, die einen ungustiösen Stil der Auseinandersetzung nicht verhindern werden. Alleine die schon jetzt lancierten Schwerpunktthemen der Parteien – Sicherheit, Sicherheit und Sicherheit – lassen befürchten, dass an ausländerInnenfeindlichen Ausscheidungen einiges zu erwarten sein wird. Doch vielleicht schafft es diese Wahl ja auch, jene krisenhafte Situation herbeizuführen, die Gunther Trübswasser, ehemaliger Klubobmann der Grünen im Landtag, in einem Interview herbeigesehnt hat, um – wie er sagte – die Diskussion in der Zivilgesellschaft wieder schärfer zu machen. In diesem Sinn kann nur das Schlimmste gehofft werden.

Zeitpunkt der Niederschrift : 98 Tage vor der Wahl

Stefan Haslinger ist Geschäftsführer der KUPF – Kulturplattform OÖ, im Vorstand der IG Kultur Österreich und des KV waschaecht, Wels. Lebt seit 1971 in Oberösterreich.

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