Der Aufstieg der extremen Rechten

Wir erleben vermutlich den größten Aufstieg der extremen Rechten seit den 90er Jahren. Rechtsextreme Straftaten steigen, diverse Gruppierungen gewinnen an Popularität und auch Wahltrends gehen international in diese Richtung. Wie ist dieser Trend einzuschätzen? Womit haben wir es zu tun? Was unterscheidet Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Neonazismus? Und wie weit ist die Mitte nach rechts gerückt?

Aufstieg der extremen Rechten

Wie extrem ist Populismus? 

Es sind nicht immer jene von Rechtsaußen, die in die Mitte strömen. Manchmal driftet die Mitte ab. Wir haben es oft mit konservativen Parteien zu tun, die Anleihen bei Rechtsaußen nehmen. Man spricht hier auch von „Rechtspopulismus“. Laut Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)  kann Rechtspopulismus ein sinnvoller Begriff sein, wenn von einem bestimmten politischen Stil die Rede ist. Diese politischen Parteien sind noch diesseits der Grenze zum Rechtsextremismus, zeichnen sich aber durch eine höhere weltanschauliche Flexibilität aus: „Sie sind weniger festgelegt und dogmatisch und richten die eigenen Positionen an politischem Kalkül aus.“ 

Wie viel Extremismus steckt im Populismus? „Eine ideologiezentrierte Bestimmung von Rechtsextremismus beinhaltet Autoritarismus, Ethnozentrismus, Volksgemeinschaftsdenken, wobei die Gemeinschaft über dem Wohl des Individuums steht, Antiliberalismus, Antipluralismus, Ambiguitätsintoleranz, häufig auch Maskulinismus und starre Geschlechterrollen. Einige dieser Merkmale sind nicht spezifisch – es geht um die Verknüpfung, um ein rechtsextremes Symptom zu fassen,“ so Weidinger. Der Neonazismus grenzt sich davon ab – zunächst einmal schon im Strafgesetzbuch. Denn Rechtsextremismus ist in Österreich nicht illegal. Neonazismus schon. Dieser stimmt mit den Zielen des historischen Nationalsozialismus überein und fällt unter das Verbotsgesetz. Wir haben es also mit einem Spektrum zu tun. 


Rechtsextreme Netzwerke

Manche Konzepte überschneiden sich, andere wiederum nicht. So sind manche Konzepte von Rechtsaußen in die Mitte der Gesellschaft getragen worden. Mit dem Aufwind der FPÖ unter Jörg Haider in den 80er und 90er Jahren wurde das Thema „Ausländer“ und die „Ethnisierung des Sozialen“, wie Weidinger es nennt, in der politischen Arena festgesetzt. Themen wurden als ethnische Probleme gerahmt. In den letzten Jahren sind es Gruppen wie die Identitären, die rechtsextreme Ideen popularisieren. Sie konnten in ihrer Anfangszeit auf die Medien setzen, die ihre Aktionen überproportional mit Aufmerksamkeit überhäufte. Geschickt inszenierten sie sich anders als das bisher bekannte Bild von Rechtsextremisten mit Glatzen und Springerstiefeln. Die FPÖ zeigte dabei stets eine Nähe zur identitären Bewegung, normalisiert ihre Begrifflichkeiten. „Vor allem zwischen der freiheitlichen Jugend und der identitären Bewegung ist in der Wortwahl und den Begrifflichkeiten kaum ein Unterschied zu merken“, so Weidinger. 

Es gibt rege Verbindungen zwischen Politik, militanter Szene und Extremismus, wie SOS Mitmensch in ihrem Dossier zu über 200 Verflechtungen der FPÖ mit der rechtsextremen Szene aufschlüsselte und wie international die aufgeflogene Geheimkonferenz Anfang des Jahres zeigte.  Millionenfache Abschiebungen sollten als politisches Ziel konzipiert werden, auch von Flüchtlingshelfer*innen oder politischen Gegner*innen. Es handelte sich um ein geheimes Treffen zwischen Rechtsextremen, darunter hochrangige Politiker der AFD und bekannte österreichische Identitäre, die ein Strategiepapier besprachen, in dem es um sogenannte „Remigration“ geht. Offiziell geht es um Abschiebung von Asylwerbenden, hinter den Kulissen sollten mittels „maßgeschneiderten Gesetzen“ Millionen von Menschen zur Auswanderung gezwungen werden - auch solchen, die die Staatsbürgerschaft besitzen. Die Identitären, um die es nach der Aufdeckung der finanziellen Verbindungen zum rechtsextremen Christchurch-Attentäter still geworden war, versuchen als „Die Österreicher D05“ und dem Schlagwort „Remigration“ wieder ein Comeback. Mit Herbert Kickl fanden sie wieder Anschluss an die FPÖ, der die Identitären als "unterstützenswertes Projekt" bezeichnete. 
 

Wie wahrscheinlich ist die politische Wende? 


„In Summe muss man davon ausgehen, dass der rechte Rand auf Kosten von moderaten Kräften gestärkt wird. Ich glaube aber nicht, dass es erdrutschartige Züge annimmt. Eine große geeinte Rechtsfraktion im europäischen Parlament ist gescheitert. Man kann davon ausgehen, dass die Rechte aufgesplittert bleibt,“ so Weidinger. Die Strategien der verschiedenen Gruppierungen und Parteien unterscheiden sich. Während sich die AfD radikalisiert, versucht das französische Rassemblement National einen etwas gemäßigteren Kurs. Dort weiß man aber auch, dass man aufgrund des französischen Wahlsystems die Mitte der Gesellschaft erreichen muss, um Wahlen zu gewinnen und dazu darf man nicht zu radikal erscheinen – so haben sie nicht zuletzt deshalb auf den Ausschluss der AfD aus ihrer Fraktion bestanden. 

In Österreich merkt man von ähnlichen Abgrenzungen des politischen Flügels gegenüber der extremen Rechten nichts. Das scheint am Erfolg nichts zu mindern – zumindest vorerst. Die FPÖ führt seit langer Zeit in den Umfragen. Dennoch sollte sie sich gerade deshalb für die anderen Parteien als Koalitionspartner disqualifizieren. Dass es deshalb unrealistisch sein muss, heißt das aber nicht, wie man trotz Bekenntnissen nach den Wahlen in Salzburg oder Niederösterreich erlebt hat – in Niederösterreich war sogar ein antisemitisches Liederbuch und ein FPÖ Mandatar mit Hitlergrußfoto aufgetaucht, was weder dem Wahlergebnis noch der Koalitionsbereitsschaft der ÖVP einen Abbruch getan hat. 

„Man muss Rechtsextremismus die Grundlagen seiner Erfolge entziehen. Da geht es darum, dass die anderen politischen Mitbewerber Angebote vorlegen, die für Menschen nachvollziehbar sind, die vorgelegten Welterklärungen also überzeugender klingen, genauso wie die Lösungsvorschläge und Angebote an die Bedürfnisse der Menschen sinnvoller sind, als jene, die von den extremen Rechten angeboten werden,“ so Weidinger: „Zuletzt ist es auch eine individuelle Frage. Jede einzelne Person ist im Alltag dazu aufgefordert, dort wo man rechtsextreme Rhetorik wahrnimmt, auch Widerspruch zu äußern.“

 

 

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