Welfare Museum. Die Entmuseifizierung des MACBA in Barcelona

Das Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MAC BA) versucht, ein kritisches Gedächtnis der Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts herzustellen, und zwar durch Sammlungen, Ausstellungen und Aktionsprogramme. Das Ziel dieser Arbeit ist es, hegemonialen Diskursen und Kräften entgegenzusteuern, die dazu tendieren, das Lokale/ Nationale zu mystifizieren und Kulturinstitutionen ins Spiel zu bringen als aktive Agentinnen bei der Transformation von städtischen Ökonomien in tertiäre Ökonomien.

Das Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MAC BA) versucht, ein kritisches Gedächtnis der Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts herzustellen, und zwar durch Sammlungen, Ausstellungen und Aktionsprogramme. Das Ziel dieser Arbeit ist es, hegemonialen Diskursen und Kräften entgegenzusteuern, die dazu tendieren, das Lokale/ Nationale zu mystifizieren und Kulturinstitutionen ins Spiel zu bringen als aktive Agentinnen bei der Transformation von städtischen Ökonomien in tertiäre Ökonomien. Daneben arbeitet das MACBA daran, Alternativen zu den dominanten Modellen des Museums zu entwickeln, die auf dem universalisierenden Mythos des originalen Kunstwerks basieren oder auf einer Konzeption des Museums als Spektakel.

Die Praktiken, die wir im Museum realisieren, sind u.a. von Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes Projekt einer radikalen Demokratie inspiriert. Dementsprechend wurde der Begriff des Pluralismus in ein Verständnis von Öffentlichkeit übersetzt, die aus spezifischen, differenzierten Gruppen zusammengesetzt ist. Dieses Verständnis ist einem allgemeinen Begriff von Öffentlichkeit diametral entgegengesetzt, der auf rein quantitative Statistik reduziert wird, als Instrument einer populistischen Kulturpolitik, in der die Effektivität eines Produkts daran gemessen wird, wie es von einem abstrakten und undifferenzierten Publikum angenommen wird.

Ein derartig pluralistisches Verständnis von Öffentlichkeit hat Konsequenzen für die Art, wie die Produktionen des Museums verstanden werden. Das Museum produziert nicht länger bloß Ausstellungen, es stellt verschiedene Arten von Dienstleistungen für verschiedene Subjekte zur Verfügung. Ausstellungen sind ein Weg, eine bestimmte Art von Erfahrung zu machen, aber es besteht kein Grund, sie vor anderen Erfahrungen zu privilegieren. Das Museum organisiert auch Workshops, Vorträge, audiovisuelle Programme, Publikationen, online-Projekte, etc. Alle diese Aktivitäten richten sich an unterschiedliche Gruppen, mit ihren verschiedenen Arten der Bedeutungsproduktion, ihren verschiedenen Bildungs- und sozialen Bedürfnissen. Manche Leute, die das Museum besuchen, sind nur an manchen dieser Aktivitäten interessiert, und das ist völlig legitim.

Diese pluralistische Konzeption der öffentlichen Programme eines Museums zieht auch eine Neudefintion der museologischen Begrifflichkeiten nach sich. Der Begriff der Bildung scheint durch die Konnotation einer überinstitutionalisierten Disziplin, durch hierarchische Beziehungen und die Vermittlung eines präexistierenden Wissens eher ungeeignet zu sein für die Beschreibung einer Arbeitsmethode, die auf Verhandlung basiert. In diesem Sinn sprechen wir von Mediation, einem neutraleren Wort, um die diversen Beziehungen zu definieren, die etabliert werden können zwischen dem Museum und den verschiedenen Formen von Öffentlichkeit. Diese potenziellen Beziehungen beinhalten immer eine Ebene der Unbestimmtheit und der Unvorhersehbarkeit, die sich erst in je spezifischen Formen der Verhandlung auflöst. Die Arbeitsdynamik basiert darauf, die Etablierung von nachhaltigen Gruppen zu ermutigen. Im folgenden möchte ich ein paar Beispiele nennen.

Das Projekt "Las Agencias", das in der ersten Hälfte des Jahres 2001 stattfand, entwickelte sich aus dem Wunsch, einen gemeinsamen und nicht-hierarchischen Arbeitsraum für KünstlerInnen und sozialaktivistische Gruppen zu schaffen. Das Projekt entstand aus den Versuch des Museums, durch die Einführung eines dritten Elements oder einer "Agentur" vielleicht andere Formen der Mediation finden zu können. Es stellte ein Klima des Vertrauens zwischen dem Museum und sozialen Gruppen her, die normalerweise äußerst zurückhaltend sind beim Umgang mit etablierter Macht.

Hier konnte das Museum seine machtvolle Architektur im Bezirk Raval de Barcelona und seine Rolle bei der Transformation des sozialen Make-up des Bezirks nicht verschleiern. Diese Rolle resultiert aus den städtischen Planungsprozessen, die darauf basieren, kulturelle Institutionen bei der Gentrifizierung und Elitisierung des städtischen Umfelds einzubinden: Politiken, die von den lokalen politischen Verantwortlichen in den 1980ern erdacht wurden.

Trotz alledem schaffte es das Museum, einen Unterschied zu setzen zwischen diesen städtischen Planungsprozessen und dem Museum als solchem. Das Projekt "Las Agencias" brachte die Energien von diversen sozialen Aktionsgruppen in Barcelona zusammen, und zwar in einer Zeit erhöhter politischer Aktivitäten, nach den Nachrichten, dass die Weltbank im Juni 2001 hier ein Meeting plante. Dieses Meeting wurde wegen der Ängste der Regierung vor den möglichen Reaktionen der sozialen Aktionsgruppen schließlich abgesagt. Der zentrale Platz, den die Kämpfe gegen Kapitalismus und Globalisierung für diese Aktionsgruppen einnehmen, führte zur Beteiligung von "Las Agencias" an einigen der Kampagnen, die um diese Themen in Barcelona damals entwickelt wurden.

"Las Agencias" war ein Experiment der Selbst-Bildung, ein Experiment mit Arbeitsdynamiken, in denen sich das Museum nicht als jene Autorität setzte, die den Inhalt bestimmt, sondern eher seine Rolle darauf beschränkte, die Mittel zur Verfügung zu stellen, dass soziale Gruppen ihren eigenen Inhalt bestimmen und ihr eigenes Programm in relativer Autonomie und gemäß ihren spezifischen Interessen und Bedürfnissen durchführen konnten. (s. www.lasagencias.net)

Ein anderes Projekt zur Neudefinition von Konventionen, die den Gebrauch des Ausstellungsraums beherrschen, eine Hybridisierung dieses Raums mit unüblichen Methoden zur Erhöhung der Partizipationsmöglichkeit, wurde um ein Werk von Pere Portabella organisiert: Historias sin argumento. El cine de Pere Portabella wurde zu Beginn des Jahres 2001 im Museum präsentiert: eine Ausstellung, ein Archiv mit audiovisuellem und bibliografischem Material, das BesucherInnen auf Wunsch sichten konnten, Filmscreenings und eine Serie von Aktivitäten, die ein audiovisuelles Programm, ein Seminar und eine Vortragsreihe beinhalteten. Auch wenn dieser Rahmen einen historischen Diskurs präsentierte, der die Relevanz von Portabellas Arbeit im Rahmen des neuen Kinos der 1960er und 70er erzählte, ließ er Raum für andere Wege, sich mit dem Material auseinanderzusetzen: durch die Vortragsreihe (in der die Gastvortragenden alternative Formen vorschlugen, über die Arbeit nachzudenken) oder durch das Material, das auf Wunsch abzufragen war und es den BetrachterInnen ermöglichte, ein eigenes Narrativ zu entwickeln. Dieser Rahmen machte es möglich, eine Fetischisierung des Künstlers und seiner historischen Rolle in der Logik der Hommage zu vermeiden. Stattdessen beförderte er eine Neuinterpretation dieser Rolle und öffnete die Tür für andere Herangehensweisen, aktuelle und zukünftige.

Das Projekt könnte als ein Beispiel gesehen werden, wie Museen von ihren KritikerInnen lernen können, in diesem Fall von der Arbeit derer, die das Museum als Institution kritisieren, um sich selbst in einer Weise zu verwandeln, die zugleich relativ transparent und offen für Interaktion ist. Und: in gewissem Sinn könnten wir es als Beispiel sehen, wie das Museum lernen kann, sich selbst zu entmuseifizieren – mit anderen Worten, wie es sich zu einem gewissen Grad befreien kann von seiner rigiden, veränderungsresistenten und autoritären historischen Last.

Schließlich entstand das Film- und Videoprogramm "Buen Rollo. Políticas de resistencia y culturas musicales"/"Good Vibes: Politics of Resistance and Musical Culture" (Februar bis Juli 2002) aus der Idee, die Phrase wörtlich zu nehmen, die in der Werbung für den Film Thank God it’s Friday verwendet wurde: "they came to dance, but they ended up getting an education". Das Programm wurde als Sampling von einigen Bewegungen und Stilen der kommerziellen Popmusik in den letzten dreißig Jahren zusammengestellt, mit spezieller Betonung der sozialen und politischen Einflüsse auf die Entwicklung dieser Stile. "Buen Rollo" wurde in zwei Formaten präsentiert, jedes mit seiner eigenen Form: als Serie von Screenings und als Materialsammlung, die für Anfragen auf Rücksprache zur Verfügung stand.

Nicht zufällig thematisierte "Buen Rollo" die Subkulturen, die um verschiedene Musikstile geprägt wurden. Diese Subkulturen erzeugen ein Milieu, in dem wir in besonders eloquenter Form einige der sozialen Praxen finden können, die im Projekt der radikalen Demokratie theoretisiert wurden. Auf diese Art repräsentieren die verschiedenen Stile zum Beispiel Versuche, als Antwort auf die gegebenen Situationen und unter Verwendung der materiellen Kultur relativ autonome Identitäten zu schaffen. Gewisse Ausdrucksformen des Punk in den späten 1970ern wie "no future" und "do it yourself" haben schon angekündigt, was Laclau als Verräumlichung der Politik bezeichnete, im Gegensatz zu einem zeitlichen Verständnis, das auf der zukünftigen Projektion einer anderen Welt basiert. Dieser Modus findet sich exemplarisch in der politischen Form der direkten Aktion wieder, die sofortige Effekte in der Gegenwart zu erreichen versucht. Wir können auch sehen, wie die Praxen, die mit den im England Thatchers entwickelten Raves zu tun haben, zu neuen karnevalesken Methoden des politischen Protests und öffentlichen Ausdrucks geführt haben; heute sind solche Methoden alltägliche Ausdrucksformen der Antiglobalisierungsbewegungen geworden. Auf der anderen Seite waren diese musikalischen Subkulturen ein wesentliches Terrain, um Kommunikations- und Distributionsnetzwerke am Rand der hegemonialen Kreise kommerzieller Kultur zu schaffen. Sie waren auch ein geeignetes Milieu, um transgresssive Praktiken zu formalisieren und auszudrücken, durch Körperpraktiken, die die dominanten Codes von Genderidentitäten subvertieren, und durch Kleidung, Tattoos, Drogenkonsum, parallel zu neuen Theorien über die Performativität und soziale Artikulation von Genderidentitäten.

Schließlich sind Musik-Subkulturen auch ein privilegiertes Terrain, um über die Ambivalenzen und Widersprüche von Kultur als gegenhegemionalen Raum für Widerstand und Transgression nachzudenken, vor allem mit Blick auf die Geschicklichkeit der Kommerzkultur, solche Kräfte zu neutralisieren. Insgesamt finden wir in diesem Milieu wirkliche Beispiele neuer Erfahrungsweisen, durch die wir verstehen können, dass das Entstehen neuer Formen von Gemeinschaft und Strukturen der Beziehung nicht nur etwas Vorstellbares ist, sondern etwas, das schon stattfindet.


Jorge Ribalta ist Künstler und arbeitet am Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA). Herausgeber des Buchs Servicio Público. Conversaciones sobre financiación y arte contemporáneo, 1998.

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