Recht und Geld für geistiges Eigentum. Kann mit der Umsetzung der EU-Inforichtlinie in Österreich ein gerechter Ausgleich für alle UrheberInnen geschaffen werden?

Welchem Einfluss Entscheidungsträger bei der Gestaltung von Gesetzen ausgesetzt sein können, hat die Diskussion über die "Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft", kurz: Info-Richtlinie, gezeigt: Alle involvierten Interessengruppierungen, ob aus Kunst oder Wirtschaft, sind mit ihren Anliegen nach Brüssel gereist und haben das Lobbying bei den Mitgliedern des

Welchem Einfluss Entscheidungsträger bei der Gestaltung von Gesetzen ausgesetzt sein können, hat die Diskussion über die "Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft", kurz: Info-Richtlinie, gezeigt: Alle involvierten Interessengruppierungen, ob aus Kunst oder Wirtschaft, sind mit ihren Anliegen nach Brüssel gereist und haben das Lobbying bei den Mitgliedern des Europäischen Parlaments forciert. Die Parlamentarierin Mercedes Echerer (Grüne) sah sich vor der Abstimmung im EU-Parlament als Zeugin eines "Hyänenkampfes", und der niederländische Parlamentarier Toine Manders fasste zusammen: "Über 300 Lobbyvereinigungen - das macht einen halben Lobbyisten pro Abgeordneten."

Seit dem Rechtsstreit um die Gratismusikbörse Napster haben die Entscheidungen im kleinen Rechtsbereich "Urheberrecht" über Nacht die Schlagzeilen besetzt und damit die breite Masse der MusikkonsumentInnen erreicht. Die UrheberInnen verfolgten gespannt die Aufteilung des vielversprechenden Zukunftsmarktes der "Copyright Industries". Trotz großer medialer Aufmerksamkeit für Info-Richtlinie und US-amerikanische Musterprozesse ist es in Österreich selbst momentan noch (zu) ruhig. Lange Jahre beschränkte sich die Diskussion auf den kleinen Kreis von Urheberrechtsexperten. Die Info-Richtlinie wurde im April 2001 nach mehr als dreijähriger Arbeit vom Rat der Europäischen Union verabschiedet und im Mai im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Nun haben die EU-Mitgliedsstaaten 18 Monate Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Der Gestaltungsspielraum der einzelnen Länder ist dabei durchaus groß. Insgesamt 18 Ausnahmeregelungen können, müssen aber nicht in nationales Recht übernommen werden. Bis zum 22. Dezember 2002 wird auch in Österreich neu, vielleicht auch anders, geregelt sein, wie weit Kopien in Bibliotheken, Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, Kirchen, Haftanstalten - und nicht zuletzt auch Kopien zum privaten Gebrauch zulässig sein sollen.

Wie viele Interessen durch die Neuregelung im Urheberrecht betroffen sind, wurde durch die Lobbyingaktivitäten in Brüssel ersichtlich: Vertreter der Telekom-Branche, Bibliotheksverbände, Softwareunternehmen, Verwertungsgesellschaften, Konsumentenschützer, Gerätehersteller, Internet Service Provider, Journalistendachverbände, Schallplattenkonzerne, Autorenverbände, Banken und Kreditunternehmen, Schauspielergewerkschaften, Blindenverbände und viele andere beteiligten sich am politischen Diskurs. Ausgehend von ihrer jeweiligen Stellung in der künstlerischen Wertschöpfungskette verfolgten sie jeweils unterschiedliche und auch gegensätzliche Interessen. Aber auch innerhalb einer einzigen Gruppe wie beispielsweise den Urhebern finden sich höchst widersprüchliche Anliegen. Am Beispiel der unterschiedlichen Bedeutung eines Tonträgers für Musikschaffende lässt sich das einfach darstellen: Für noch unbekannte Musikschaffende gilt ihr veröffentlichtes Werk zunächst als Visitenkarte, um sich einem größeren potenziellen Konsumentenkreis vorzustellen. Sollten sie dann den Durchbruch zum Massenpublikum schaffen, ändern sich schlagartig ihre Interessen: Jeder gespielte Song bedeutet nun einen zusätzlichen Geldschein aus Verwertungsentgelten auf ihrem Konto. Somit gibt es allein aus Musikerperspektiven bereits zwei unterschiedliche Positionen bezüglich der Weitergabe von Musikdateien im Internet: Am Anfang der Karriere sind Tantiemeneinnahmen in essenzieller Höhe ohnehin kaum zu erwarten, eine niedrige urheberrechtliche Zugangsschwelle kann den Markteintritt erleichtern. Für Stars hingegen wirken sich unkontrollierte Kopien im Internet unter Umständen durchaus negativ auf ihre Einkommenssituation aus.

Das Urheberrecht hat in seiner langjährigen Geschichte immer wieder den Ausgleich unterschiedlicher Interessen angestrebt; immer wieder wurden neue Nutzungsarten von Werken unter gesetzlichen Schutz gestellt. Die Info-Richtlinie von 2001 ist der Versuch, EU-weit das Urheberrecht den Veränderungen der Informationsgesellschaft anzupassen. Denn die praktische Nutzung neuer Techniken, wie beispielsweise MP3, Napster und Co., ist dabei, die bestehenden Strukturen im Bereich der "Copyright Industries" spürbar durcheinander zu bringen. Die Teilnehmer der musikalischen Wertschöpfungskette stehen vor grundlegenden Veränderungen ihres Praxis- und Geschäftsmodells; die klassische Arbeitsteilung von Urheber, Produktion, Distribution, Verteilung der erwirtschafteten Einnahmen etc. ändert sich. Im Musikbereich ist es beispielsweise keine Seltenheit mehr, dass Komponist, Interpret, Produzent und Verleger in einer Person vereint sind. Materielle Produkte, wie beispielsweise Tonträger, werden im Internet zu immateriellen Services, Verteildienste wie beispielsweise Hörfunk und Fernsehen werden zu Abrufdiensten (on-demand Nutzung).

Das mica - music information center austria hat als neutrale Expertenorganisation die Basis für eine transparente Diskussion auch in Österreich erarbeitet. Seit dem Jahr 2000 wurden in zahlreichen Vorträgen und Diskussionen der Veranstaltungsreihe micafocus die unterschiedlichen und oft gegenläufigen Standpunkte und Interessen der betroffenen Komponisten/Interpreten/Produzenten/ Konsumenten herausgearbeitet. Auf der mica Website unter www.mica.at sind diese Veranstaltungen und grundlegende Informationen zum Thema Urheberrecht und seinen verwandten Rechtsbereichen für alle beteiligten Interessen nachzulesen.

Jörg Reinbothe, zuständiger Abteilungsleiter der Europäischen Kommission, bezeichnete beim micafocus #5 die Richtlinie als einen gelungenen Kompromiss zum Ausgleich aller betroffenen Interessen. Sie sei das "bisher vielleicht ehrgeizigste Stück Gesetzgebung im europäischen Urheberrecht". Zugleich räumt er ein, dass erst die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedsländern zeigen werde, ob sie eine "gute und praxisgerechte Lösung" darstelle. Mercedes Echerer, Mitglied des Europäischen Parlaments für die europäischen Grünen, sieht in dem Gesetz "die wichtigste kulturpolitische Entscheidung der letzten Jahre". UrheberInnen haben bei derselben Veranstaltung auf die seit Jahrzehnten zunehmende Verschlechterung ihrer vertraglichen und ökonomischen Stellung hingewiesen. Mathias Rüegg vom Vienna Art Orchestra betonte anlässlich des micafocus #5, dass die Vertriebsmedien immer vielfältiger würden, die Copyright-Industrie wachse - aber die Urheberverträge würden gleichzeitig immer schlechter. Reinbothe dämpfte die Hoffnungen auf eine aus Brüssel kommende Lösung für lokale Probleme: Aufgrund der gewachsenen einzelstaatlichen Rechtsordnungen sei nicht zu erwarten, dass diese Richtlinie "radikal die Situation zum Positiven verändert". Dennoch biete sie den Urhebern "signifikante Verbesserungen". Sie stelle einerseits sicher, dass Urheber mit Hilfe technischer Maßnahmen ihre Rechte besser durchsetzen können, zum Zweiten werde als Bedingung für die Nutzung von geschützten Werken ein "gerechter Ausgleich" verlangt. Die Kommission sei als "'Hüterin der Verträge' dafür zuständig, den Markt, die nationale Gesetzgebung und die Praxis zu beobachten", so Reinbothe.

Ergänzend zur aktuellen Herausforderung der Richtlinien-Anpassung hat Österreich im Bereich der Urheberrechte auch noch Grundlagenarbeit zu bewältigen. Während in Tschechien und Spanien die Rahmenbedingungen für Urheberverträge gesetzlich geregelt sind und in Deutschland gerade eine Neuregelung des Urhebervertragsrechts erarbeitet wird, bleiben entsprechende Forderungen von KünstlerInnen und RechtsexpertInnen nach einer Anpassung des bislang sehr kleinen Feldes vertragsrechtlicher Regelungen in Österreich ohne großes Echo. Michel M. Walter, Urheberrechtsexperte in Wien, vermisst in Österreich sowie an der EU-Inforichtlinie eine bessere Stärkung der vertraglichen Stellung der Urheber. Dass auch das Vertragsrecht gesetzlich neu geregelt werden müsste, zeigen zahlreiche Beispiele von Musikschaffenden, die nach geltender Rechtslage sehr einfach auf Jahrzehnte um angemessene Ansprüche gebracht werden konnten. Auch anstehende Veränderungen der Verwertungsformen verlangen nach zeitgemäßen, neuen rechtlichen Regelungen: Beispielsweise diagnostizierte der Wiener Music-on-Demand-Experte Albrecht Haller beim micafocus #5, dass die bisherige "Sekundärverwertung" (etwa Radiokonsum im Verhältnis zu Tonträgerverkauf) allmählich zur eigentlichen Hauptverwertung werde.

Trotz dieses unmissverständlichen Handlungsbedarfs beurteilte Rechtsanwalt Michel M. Walter anlässlich des micafocus #4 Urhebervertragsrecht die österreichische Reformfreude eher pessimistisch, blieben doch diesbezügliche Vorschläge seit nun fast 30 Jahren auf Expertenkreise beschränkt. Der Mangel einer durchsetzungsstarken Interessenvertretung der Musikschaffenden einerseits und politisches Desinteresse anderseits verhindern seiner Meinung nach notwendige Reformen. Die Europäische Kommission bereitet derzeit die Vergabe einer Studie vor, um die vertragsrechtlichen Regelungen in den einzelnen Mitgliedsländern zu untersuchen. Derzeit ist noch unklar, ob die Vertrags- und Verwertungsrechte ebenfalls in Form einer Richtlinie EU-weit harmonisiert werden sollen. Den Stimmen der Musikschaffenden und RechtsexpertInnen folgend, sollte Österreich seine Schlusslichtposition rasch verlassen und neben der Anpassung des Urheberrechts auch die Diskussion über die täglich gebrauchten vertragsrechtlichen Regelungen auf breiter Basis fortsetzen.

Ein knappes Drittel der Zeit für die nationale Umsetzung der Info-Richtlinie ist nunmehr verstrichen. Trotzdem ist es seit der Veröffentlichung der Richtlinie recht still geworden um die Neuregelung des Urheberrechts. Bis heute liegen noch keine detaillierten Stellungnahmen sowohl der Industrie als auch der Vielzahl an Interessensverbänden der Musikschaffenden vor. Auch von politischer Seite sind in den vergangenen Monaten keine Stellungnahmen öffentlich geworden. Zuletzt bekräftigte beim micafocus #5 der damalige Sektionschef im Bundeskanzleramt Andreas Mailath-Pokorny die kulturpolitische Aufgabe, den Gewinn der Kulturschaffenden im Zuge der digitalen Branchenveränderungen nicht aus den Augen zu verlieren.

Noch gibt es in Österreich keine konkrete Gesetzesvorlage für die Anpassung des geltenden österreichischen Urheberrechts an die neue Richtlinie. Ein erster Entwurf und weitere Gespräche auf Expertenebene sind für Oktober dieses Jahres zu erwarten. Den Verlauf der Diskussion wird das mica in seiner Aufgabe als Expertenorganisation weiterhin transparent dokumentieren. Damit ist allen Betroffenen die Möglichkeit gegeben, die jeweiligen Bedürfnisse einzubringen und sich innerhalb ihres Feldes zu organisieren. Gemeinsames Ziel der Anpassung des österreichischen Urheberrechts muss es aus Sicht des kulturellen Sektors sein, eine Verbesserung für die Gesamtheit der Urheber zu erreichen. Ein erster Schritt wäre ein gemeinsamer Appell aller Interessenvertretungen im österreichischen Musikleben an die wesentlichen kulturpolitischen Vertreter. Vielleicht sollte man sich hier die von Jörg Reinbothe formulierte Entschlossenheit der EU-Kommission als Vorbild nehmen: "Die Informationsgesellschaft findet statt, wir haben keine Zeit zu verlieren."

Peter Rantasa ist geschäftsführender Direktor des Kommunikationszentrums für aktuelle Musik aus Österreich mica.

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