EU-Finanzrahmen 2028–2034: Kampagne unterstützen – damit Kultur sichtbar bleibt

2028 scheint noch weit entfernt – und doch werden jetzt die politischen und finanziellen Weichen auf EU-Ebene gestellt, die Stellenwert und Handlungsspielräume für Kunst und Kultur in Europa bis weit in das nächste Jahrzehnt prägen werden. Ein Blitzlicht auf den aktuellen Stand der Verhandlungen – und welche Möglichkeiten es gibt, sich einzubringen.

 

Das große Tauziehen um die künftigen inhaltlichen und finanziellen Leitlinien der EU hat begonnen. Im Zentrum steht der Mehrjährige Finanzrahmen (Multiannual Financial Framework, MFF) 2028–2034. Er legt fest, welche Prioritäten die EU setzt und wie Budgetmittel auf einzelne Programme verteilt werden. Auch wenn die Verhandlungen gerade erst anlaufen und sich voraussichtlich bis 2027 ziehen werden, so ist diese frühe Phase entscheidend, um kulturpolitische Schwerpunkte sichtbar zu machen und strukturell abzusichern.
 

Was bisher auf dem Tisch liegt: 
AgoraEU – Dach der zukünftigen EU-Kulturförderung

Die Europäische Kommission hat im Sommer 2025 ihren ersten Vorschlag vorgelegt. Positiv ist: Das Programm Creative Europe – Kultur soll als Teil des neuen Dachprogramms AgoraEU mit 1,8 Mrd. Euro ausgestattet werden – eine deutliche Steigerung gegenüber der aktuellen Periode. Gleichzeitig bleibt dieser Ansatz weit hinter der langjährigen Forderung zurück, mindestens 2 % des EU-Gesamtbudgets für Kultur vorzusehen

Um diese Forderung zu untermauern, hat Culture Action Europe, der europaweite Dachverband der Interessenvertretungen im Kunst- und Kulturbereich, eine EU-weite Kampagne unter dem Titel "ASK PAY TRUST" gestartet, die weiterhin Unterstützung sucht. 
 

Zugleich enthält der Vorschlag strukturelle Risiken, wie Culture Action Europe analysiert hat und zeigt klaren Handlungsbedarf auf:

  • Zweckbindung („Ringfencing“) für Kultur sichern
    Die Kulturförderschiene ist zwar sichtbar benannt, aber nicht rechtlich abgesichert. Ohne feste Mittelbindung in Artikel 11 der AgoraEU Verordnung besteht das Risiko, dass Budgetanteile später in andere Politikfelder umgelenkt werden. Die gewünschte „Flexibilität“ der Kommission bedeutet politisch auch: Geld kann kurzfristig umgeschichtet werden – zulasten von Kultur.
     
  • Klare Benennung der Förderlinien im Anhang
    Im aktuellen Creative-Europe-Programm sind Förderinstrumente wie Netzwerke, Kooperationen oder Plattformen klar benannt. Im AgoraEU-Entwurf fehlt diese strukturelle Verankerung förderbarer Vorhaben– was Planbarkeit und Berechenbarkeit schwächt.
     
  • Sektorale Kulturförderung
    Spezifische Förderschienen für einzelne Kultursparten sind nicht mehr vorgesehen. Die Kommission argumentiert mit breiter Zugänglichkeit. Ohne zusätzliche Budgetausstattung droht dies zu Verdrängungseffekten zwischen Sparten, statt zu einer realen Öffnung für bislang unterrepräsentierte Bereiche zu führen.
     
  • Zusätzliche Budgetquellen absichern
    Bisher speisten sich Teile des Creative-Europe-Budgets aus Strafzahlungen großer Konzerne aus Wettbewerbs- und Kartellverfahren (z. B. Digital Markets Act). Künftig sollen diese Mittel ausschließlich in einen allgemeinen Krisenfonds überführt werden. Gefordert wird, dass digitale Strafzahlungen erneut zweckgebunden in AgoraEU einfließen – als Ausgleich für digitale Marktverwerfungen.
     
  • Pauschalfinanzierung und soziale Standards vereinbaren
    Künftig sollen Förderungen über Pauschalsummen („Lump Sums“) abgewickelt werden. Für kleinere Organisationen würde diese Vereinfachung den Zugang zu EU-Förderungen wesentlich erleichtern. Ergänzend braucht es Selbstverpflichtungen oder Mindeststandards, um faire Entlohnung in EU-geförderten Vorhaben zu ermöglichen.
     
  • Neue Förderlinien nur bei Budgetaufstockung
    Unter der Bedingung einer Budgeterhöhung fordert Culture Action Europe die Einführung zusätzlicher Instrumente:
    • Mikroförderung im Schnellverfahren für Erstantragstellende, kleine Organisationen und „emerging professionals“ zur Erprobung grenzüberschreitender Zusammenarbeit
    • Ankaufs- und Programmförderung zur Verlängerung der Reichweite EU-finanzierter Kunst- und Kulturproduktionen
    • Ein Rapid-Response-Mechanismus zum Schutz künstlerischer Freiheit – analog zum bestehenden Medienfreiheitsinstrument
       
  • Creative-Europe-Desks und Beteiligungsstrukturen sichern
    Im AgoraEU-Entwurf werden die nationalen Creative-Europe-Desks nicht mehr eindeutig benannt. Auch das bisherige Programmkomitee, das eine Einbindung der Mitgliedstaaten in die Programmgestaltung ermöglichte, findet sich nicht wieder.
     
  • Sichtbarkeit garantieren
    Im aktuellen Programm verfügen einzelne Stränge – etwa Medien – über klare visuelle Kennzeichnungen (Logo). Für Kultur ist dies im AgoraEU-Vorschlag nicht mehr vorgesehen. Für die kulturelle Öffentlichkeit – und für politische Legitimation – wäre eine sichtbar markierte EU-Kulturförderlinie jedoch zentral.
     

ASK-PAY-TRUST Kampagne unterstützten: 
mindestens 2% in Kunst und Kultur investieren   
ASK _ PAY _ TRUST - Kampagne von Culture Action Europe
⇒ Kampagne unterstützten und weiterverbreiten 

 

Was bislang fehlt: Kultur in anderen EU-Programmen

Besonders kritisch ist, dass in anderen zentralen EU-Instrumenten kulturpolitische Bezüge weitgehend fehlen:

  • Europäischer Wettbewerbsfonds (Competitiveness Fund):
    Ein eigener Schwerpunkt für Kultur- und Kreativsektoren fehlt. Kultur darf nicht nur in erläuternden Texten vorkommen, sondern braucht eine sichtbare Verankerung im Rechtsrahmen – mit eigener Budgetlinie.
  • EU-Forschungsrahmen „Horizont Europa“:
    Bisherige Kulturcluster (z. B. „Kultur, Kreativität, inklusive Gesellschaft“) werden nicht mehr explizit fortgeführt. Kulturforschung ist lediglich implizit im Gesellschaftsteil „mitgemeint“. Es braucht eine klare Verankerung künstlerischer Forschung und kulturbezogener Fragestellungen in den Kapitel „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Gesellschaft“ mit eigener Dotierung.
  • Regionale Entwicklungs- und Partnerschaftsprogramme:
    Auch hier fehlt ein klarer Kulturbezug. Gefordert wird, mindestens 2 % der Mittel für Kultur vorzusehen, insbesondere zur Sicherung von Teilhabe, Infrastruktur, regionaler Verteilung, institutioneller Autonomie und künstlerischer Freiheit.
     

Direkt Feedback auf den Vorschlag der Europäischen Kommission zum Mehrjährigen Finanzrahmen geben
⇒ An Konsultation teilnehmen (bis 27.11.2025)
Hinweis: EU-Registrierung bzw. Account erforderlich! 


Mit Beginn der Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament und nationalen Regierungen in den kommenden Wochen und Monaten öffnet sich ein begrenztes Zeitfenster. Es ist dies der Moment, ein klares Feedback aus der Praxis der Kulturarbeit zu den Vorschlägen einbringen zu können. Welche Möglichkeiten es gibt, findet ihr in den Infoboxen. 

Entscheidend ist, dass Kultur in den kommenden Finanzverhandlungen nicht als Randthema anderer Politikfelder mitgeführt wird, sondern als eigenständiger Bereich anerkannt und strukturell abgesichert wird – mit einer 2%-Dotierung im EU-Budget, einer klaren rechtlichen und finanziellen Verankerung im Programm AgoraEU sowie sichtbaren Kulturschwerpunkten in Forschungs-, Wettbewerbs- und Regionalprogrammen

Kunst und Kultur sind nicht Mittel zum Zweck, sondern Grundpfeiler demokratischen Entwicklung und gesellschaftlichen Teilhabe in Europa.


Die IG Kultur Österreich bereitet aktuell ein Schreiben an die österreichische Bundesregierung vor, abgestimmt im Vorgehen mit den Kolleg*innen in anderen EU-Mitgliedstaaten, um diese Forderungen aus nationaler Ebene zu untermauern. Wenn Ihr dieses Schreiben unterstützen wollt, lasst es uns bitte wissen! Nähere Details folgen in Kürze. 

⇒ Unterstützungsinteresse bitte an gimpel@igkultur.at unter Angabe von Namen / Funktion bzw. Organisation richten. 


 

Mehr zu Culture Action Europe erfahren, dem Dachverband, der die Interessen aus Kunst und Kultur in Europa gegenüber den EU-Institutionen bündelt. 

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