„Wir versuchen aus einer Ungewissheit heraus Fakten zu schaffen“ - Yvonne Gimpel über die Hilfsmaßnahmen für den Kulturbereich

Die Maßnahmen gegen das Corona-Virus treffen den Kulturbereich hart: Veranstaltungen können nicht stattfinden, Projekte verzögern sich, Einnahmen fallen aus, gleichzeitig bleiben Fixkosten bestehen. Die Krise ist eine große Herausforderung für das Fortbestehen freier Kulturinitiativen. Was für Probleme stellen sich den Kulturschaffenden? Welche Maßnahmen sind bereits auf Schiene und welche sind für Kulturschaffende geeignet?

Corona Faktenbasis Hilfsmaßnahmen Kulturvereine

Patrick Kwasi: Dein beruflicher Alltag wird sich auch fast über Nacht verändert haben. Wie macht die IG Kultur unter Corona weiter?

Yvonne Gimpel: Das kann man wohl sagen! Ich glaube kaum jemand hat sich darauf einstellen können, dass die Sache sich so rapide beschleunigt. Während das öffentliche Leben auf Notbetrieb heruntergefahren wird, ist für uns jetzt eher Hochbetrieb – wenn auch vom Homeoffice aus. Gerade jetzt braucht es Interessensvertretungen mehr denn je! Wir sind im kontinuierlichen Austausch mit Politik und Verwaltung und versuchen aus einer Ungewissheit heraus Fakten zu schaffen. Was heißen die Maßnahmen konkret für die Praxis? Welche Unterstützungsmöglichkeiten sind angedacht? Wo muss man nachschärfen, damit Kulturinitiativen Entschädigungen oder Unterstützungsleistungen bekommen, um weiterhin existieren zu können. Eine Frage ist auch, wie die längerfristige Perspektive im Falle öffentlicher Förderungen aussieht. 
Für uns ist jetzt eine sehr intensive Zeit und wir sind bemüht, dass wir alle Fragen, die uns täglich erreichen möglichst gut und vor allem rechtlich verbindlich beantworten können, sodass ihr alle weiterarbeiten und auch nach dieser Zeit wieder schrittweise zu einer Art Normalzustand zurückkehren könnt. 


Kwasi: Was bedeutet Corona für Kulturinitiativen? Am gröbsten war wohl das Veranstaltungsverbot, aber was gibt es noch für Einschränkungen oder Probleme? Und was bedeuten diese Einschränkungen eigentlich für die Existenz vieler Kulturinitiativen und Kulturschaffender?

Gimpel: Die Einschränkungen waren zweifelsohne massiv, sowohl für Kulturinitiativen und Kulturschaffende, aber auch für alle, die in und mit Initiativen arbeiten. Dass nun Aufführungen, Veranstaltungen, Festivals, etc. abgesagt werden müssen, ist ja lediglich das, was unmittelbar öffentlich wahrnehmbar ist. Was nicht so sichtbar ist, ist alles, was dahintersteht und die Kettenreaktionen, die davon ausgelöst werden. Für alle abgesagten Veranstaltungen wurden Vorbereitungen getroffen, Programme erstellt, Künstler*innen gebucht, Drucksorten in Auftrag gegeben. Auf diesen Kosten bleibt man nun sitzen, während die Einnahmen für Veranstaltungen vollkommen wegbrechen. Die Fixkosten, Miete, Strom, etwaige Angestellte, laufen aber alle weiter. 
Kurz: Wir stehen vor massiven finanziellen Schwierigkeiten, bis zur drohenden Zahlungsfähigkeit für zahlreiche Kulturakteur*innen mit Konsequenzen, die nicht abschätzbar sind. Wir bekommen viele Rückmeldungen, dass Mietverträge gekündigt werden müssen, dass Kündigungen, so ungern man es tut, potentiell auch erwogen werden, weil die Haftungsfrage im Raum steht. Die meisten Vereine haben einen ehrenamtlichen Vorstand, der, wenn die Zahlungsunfähigkeit eintritt und man Konkurs anmelden muss, auch droht, persönlich in die Haftung zu kommen, wenn sie nicht rechtzeitig Schritte setzen. 

Erschwerend kommt auch dazu, dass zusätzlich zu dieser akuten finanziellen Bedrohung auch noch die Planungsunsicherheit dazu kommt. Niemand kann sagen, wie lange diese Situation andauern wird, aber für alles, was zukünftig geplant ist, müsste man ja auch bereits mit Vorbereitungen beginnen, für die wieder Kosten anfallen. Das heißt, wir sind mit einer Situation konfrontiert, die für Kulturinitiativen, Mitarbeitende, Künstler*innen, für alle, die involviert sind, eine unmittelbare Existenzbedrohung darstellt. Und ohne rasche und unbürokratische Hilfe droht ein großer Teil der Kulturszene diese Krise nicht zu überstehen. 


Kwasi:  Wie reagiert die Politik? Welche Maßnahmen sind auf Schiene? Kann das funktionieren, damit es keinen kulturellen, künstlerischen Kahlschlag gibt, wenn das beendet ist?

Gimpel: Es ist seitens der Politik ein großes Bemühen wahrzunehmen, an alle Eventualitäten zu denken und Kulturstaatssekretärin Lunacek hat jetzt auch wiederholt gesagt, sie möchte niemanden zurücklassen. Vonseiten des Bundes ist ein gesamtes Maßnahmenbündel auf Schiene gebracht. Zwei Einschränkungen machen eine Einschätzung zum jetzigen Zeitpunkt aber noch schwierig: Das eine ist, dass zu den angekündigten Maßnahmen die konkreten Richtlinien noch nicht vorliegen. Wir wissen also nicht, ob die Zusagen, die wir im kontinuierlichen Austausch mit Politik und Verwaltung erhalten haben, auch halten werden. Und zum Zweiten zeichnet sich bereits ab, dass keine Entschädigungsansprüche geschaffen werden, sondern es eher in die Richtung Akuthilfe geht, um existenziell bedrohliche Situationen abzufedern. 

Kurz im Überblick, was an Maßnahmen geplant sind: Das ist zum einen ein Härtefallfond, der sicherlich für Kulturvereine am interessantesten ist. Der soll auch explizit für gemeinnützige Vereine und neue Selbstständige offen sein. Die meisten Kulturarbeiter*innen bzw. Künstler*innen arbeiten in diesem Kontext. Für diese soll es die Möglichkeit geben beim Härtefallfond direkte finanzielle Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden, zu beantragen. Details sind erst in Ausarbeitung, dotiert ist der Fond allerdings mit einer Milliarde Euro. 
Ob das reichen wird, wage ich zu bezweifeln. Wenn man sich ansieht, wer alles Zugang zu diesem Fond haben soll, ist das eine sehr große Gruppe. Da sind alle Kleinstunternehmen dabei, Familienbetriebe, EPUs (Anmerkung: Ein-Personen-Unternehmen), neue Selbstständige und auch alle gemeinnützigen Organisationen, auch die großen Player, wie Caritas, Greenpeace und Co. Abgewickelt wird das Ganze von der Wirtschaftskammer, was der nächste problematische Punkt ist. Wie der Kulturbereich funktioniert ist nämlich nicht unbedingt ihre Domäne. 

Das zweite Instrumentarium, das für Kulturinitiativen interessant sein könnte, die Anstellungen haben, ist die Kurzarbeit. Das ist medial ja bereits viel diskutiert worden. Kurzarbeit ist auch für gemeinnützige Organisationen sowie Kulturvereine, die Arbeitgeber*innen sind, zugänglich. Ausgeschlossen sind allerdings geringfügig Beschäftigte. Wir empfehlen allen, sich über unsere Website über Kurzarbeit zu informieren. Ich gebe nur zu bedenken, dass Kurzarbeit unmittelbare Liquiditätsprobleme oder Zahlungsunfähigkeiten nicht löst, da die Zuschüsse des AMS immer erst am Ende des jeweiligen Monats mit den Abrechnungen gewährt werden. Das ist zumindest der aktuelle Stand. 
Das Dritte, das relevant sein könnte, ist der sogenannte COVID19-Fond des Künstlersozialversicherungsfonds, auch bekannt unter dem Namen Unterstützungsfond, der in sogenannten besonders unterstützungswürdigen Notfällen einmalige Finanzzuschüsse gewährt. Das passiert aber nur unter zwei Bedingungen: dass es keine Unterstützung für den Notfall von anderen Stellen gibt – also wenn man vom Härtefallfond Unterstützung bekommt, kommt der COVID19-Fond nicht in Frage. Und: Er ist ausschließlich für Künstlerinnen und Künstler zugänglich, sowie für Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittler. Wie letztere definiert werden ist erst in Ausarbeitung, wenn es aber eine enge Definition wird, wo ausschließlich jene, die auch Führungen und Workshops in Ausstellungshäusern und Museen machen, einbezogen werden, dann ist er natürlich für viele Kulturarbeiter*innen uninteressant. 
Andere Möglichkeiten, die man im Kopf haben sollte, ist die Steuerherabsetzung oder die Herabsetzung und Stundung der Sozialversicherungsbeiträge. 

Das sind die Maßnahmen des Bundes. Daneben haben auch einige Länder Maßnahmen angekündigt, über die wir momentan aber noch nicht viel aussagen können.  


Kwasi:  Vom Homeoffice zu Homeoffice, vielen lieben Dank!

 

 

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