Aus für Zuverdienst zum Arbeitslosengeld? Eine Drohung wird konkreter.

Die Regierung kündigt an, die Möglichkeit eines geringfügigen Zuverdienstes bei AMS-Bezug zu streichen. Es drohen existenzielle Konsequenzen für die soziale Lage der Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen, und nicht nur für sie. Eine gemeinsame Stellungnahme des Kulturrat Österreich.

Symbol - Kulturarbeit vor dem existenziellen Abgrund

Die Regierung kündigt an, die Möglichkeit eines geringfügigen Zuverdienstes bei AMS-Bezug zu streichen. Das bedeutet branchenspezifisch unterschiedliche, weitreichend auch negative Folgen in Kunst und Kultur.

 

Was ist geplant?

Nach der Vorstellung der Regierungsparteien soll ein Zuverdienst zu AMS-Geldleistungen zukünftig nur noch in zwei Situationen möglich sein: Einerseits, wenn der geringfügige Zuverdienst auch bereits vor der Arbeitslosigkeit parallel zur beendeten Lohnarbeit bestanden hat. Andererseits als Ausnahme befristet auf sechs Monate für Langzeitarbeitslose. Ein geringfügiger Zuverdienst zum Arbeitslosengeld wird damit weitreichend ausgeschlossen. Das eröffnet neue Armutsfallen. Auch für die Arbeitssuche ist das kontraproduktiv – gerade in Branchen wie Kunst und Kultur, wo berufliche Aktivität essentiell für Folgebeschäftigungen ist.

 

Welche Probleme ergeben sich daraus?


Problem 1: Existenzbedrohung. Zuverdienst = Einkommensbestandteil.

Die Medianeinkommen in Kunst und Kultur sind unterdurchschnittlich niedrig. Die Arbeitsmotivation dagegen extrem hoch. In der Regel niedrige Einkommen führen in der Regel zu noch niedrigeren Arbeitslosengeldansprüchen. Wenn praktisch jeder geringfügige Zuverdienst zum Verlust des Arbeitslosengeldes führt, sind Geringverdiener*innen existenziell bedroht. Ein schnelleres Herauskommen aus der Arbeitslosigkeit durch existenzielle Bedrohung ist in Kunst und Kultur schlicht eine Fehlannahme. Niemand bleibt freiwillig im AMS-Bezug, wenn ein Engagement erreicht werden kann.

In Kunst und Kultur sind durchgehende Anstellungen oder kontinuierliche selbstständige Einkommen als Künstler*in die Ausnahme. Die Regel sind eine Vielzahl an Engagements, kurzfristigen Projekttätigkeiten, Teilzeitstellen, Lehraufträgen, Auftritten und kunstnahen wie kunstfernen Tätigkeiten. Mehrere Beschäftigungen parallel und/oder über das Jahr verteilt sind weit verbreitet, ebenso die Kombination von selbstständigen und unselbstständigen Tätigkeiten.
 

Problem 2: Jobsuche wird behindert.

In Kunst und Kultur funktioniert Jobsuche vor allem über Präsenz. Auch über tageweise Beschäftigungen, auch über einmalige Auftritte. Kurzzeitige Jobs trotz zeitlicher Verfügbarkeit ablehnen zu müssen, weil ein Verlust von AMS-Bezug die Existenz bedroht, widerspricht allen Anliegen, wieder in Erwerbstätigkeit zu kommen. Es stigmatisiert die Arbeitsuchenden in der Branche. Ein abgelehnter Job kann die ablehnende Person sehr rasch ins Abseits befördern. Stars in den Szenen prägen das Bild nach außen. Diese kennen derartige Problem kaum, die meisten Künstler*innen aber sehr gut.


Problem 3: Ausnahme lediglich für geringfügige Tätigkeiten, die bereits vor AMS-Bezug bestanden haben, verkennt die Erwerbsrealität in Kunst und Kultur

Geringfügige Einkommen sind ein Standard bei kurzzeitigen Beschäftigungen und Aufträgen, insbesondere im Kontext von Film und darstellender Kunst, aber auch weit darüber hinaus. Kurze Dauer ist branchenimmanent: ein einzelner Drehtag (oder auch nur wenige Stunden), Gesangsabend (Einzelveranstaltung), Sprechen eines Hörfunk Spots, Artist Talk, Lesung, Verfassen einer Kunstkritik. Aber etwa auch eine (mehrmonatige) durchgehende Beschäftigung mit geringem Stundenausmaß, wie etwa eine einzelne Lehrveranstaltung z. B. an einer Kunstuniversität wäre als Zuverdienst zu AMS-Geld nicht mehr möglich.

Angekündigte Ausnahmen ziehen Interpretationsprobleme nach sich. Eine Ausnahme lediglich für geringfügige Tätigkeiten, die bereits vor einem Bezug von Arbeitslosengeld bestanden, ist keine ausreichende Lösung. Weiterhin zulässig sollen geringfügige Beschäftigungen sein, die bereits vor dem Tag des Arbeitslosenantrags ausgeübt wurden. Nach bisheriger Rechtslage gelten hier lediglich durchgehende geringfügige Beschäftigungen. Tageweise Beschäftigungen, auch bei den gleichen Arbeitgeber*innen, beginnen jedoch mit jedem Dienstantritt neu.

 

Soziale Rechte ausbauen, geringfügigen Zuverdienst erhalten!

Wir warnen eindringlich vor der Abschaffung der Möglichkeit des geringfügigen Zuverdiensts. Im Kunst- und Kulturfeld ist ein geringfügiger Zuverdienst ein Teil der Existenzgrundlage. Dasselbe gilt für viele andere Geringverdiener*innen, die hier ebenso in ihrer Existenz bedroht werden. Als letzte Alternative ökonomischer Absicherung bleibt allenfalls Sozialhilfe – statt eigener Einkommen aus geringfügiger Erwerbstätigkeit.
 

Blick ins Regierungsprogramm: „Die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung von Künstlerinnen, Künstlern und Kulturarbeitenden soll verbessert werden.“

Im Kunst- und Kulturfeld wäre ein Abschaffen des geringfügigen Zuverdiensts ein brachialer Eingriff in einen Sektor, in dem die soziale Absicherung ohnedies so evident lückenhaft ist. Die im Regierungsprogramm versprochene Arbeitsgruppe zur Behebung der Probleme darf nicht zu spät kommen. Wir plädieren für rasche und nachhaltige Lösungen!
 

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