wahlkabine.at in Tirol und Oberösterreich. Eine Online-Wahlhilfe erschließt das Innere der Landespolitik

Auf Landeshauptleute zugeschnittene Personenwahlkämpfe transportieren Gesicht und Image, machen es den - mit Kugelschreibern, Luftballons und sonstigen Schmankerln versorgten - WählerInnen aber häufig schwer, die eigentlichen Inhalte der Parteien aus dem Wahlwerbeschwapp zu destillieren. Die Online-Wahlhilfe wahlkabine.at bietet bis zu den Landtagswahlen am 28. September die Möglichkeit, sich über die Positionen der Parteien zu einzelnen Sachthemen zu informieren und die Übereinstimmung mit den eigenen Standpunkten zu überprüfen.

Bootsfahrt und Jazzfrühstück sind arrangiert, Plakate mit symbolträchtigen Tieren warten darauf, affichiert zu werden: die Parteien sind bereit für den Wahlkampf in den Bundesländern. Denn auch in Tirol und Oberösterreich gilt das eherne Gesetz politischer PR, dass es zu keinem Zeitpunkt schwieriger sein darf, Programm und Positionen auszumachen, als dann, wenn das Ziel Catching-All und Stimmenmaximierung heißt.

Auf Landeshauptleute zugeschnittene Personenwahlkämpfe transportieren Gesicht und Image, machen es den - mit Kugelschreibern, Luftballons und sonstigen Schmankerln versorgten - WählerInnen aber häufig schwer, die eigentlichen Inhalte der Parteien aus dem Wahlwerbeschwapp zu destillieren. Die Online-Wahlhilfe wahlkabine.at bietet bis zu den Landtagswahlen am 28. September die Möglichkeit, sich über die Positionen der Parteien zu einzelnen Sachthemen zu informieren und die Übereinstimmung mit den eigenen Standpunkten zu überprüfen. Wie stehen die Landesparteien etwa zu Straßenausbau, Tierschutz und Kinderbetreuung? Was sagen sie zu Transitblockaden in Tirol oder zum Neubau des Musiktheaters in Linz?

Nach dem Erfolg von wahlkabine.at im Vorfeld der Nationalratswahlen 2002 (am Wahltag wurden immerhin 450.000 Einsätze gezählt) realisierte die Wiener Netzkultur-Institution Public Netbase in Österreich nun erstmals länderspezifische Versionen einer Online-Wahlhilfe. Diese Erneuerung stellt im internationalen Vergleich der Voting Indicator Tools, die bisher üblicherweise auf nationaler Ebene (z.B. StemWijzer in den Niederlanden, Wahl-O-Mat in Deutschland, PolitArena in der Schweiz) eingesetzt wurden, eine Herausforderung dar und bringt spezielle Erfordernisse mit sich.

So war keineswegs von Anfang an klar, ob es gelingen würde, sowohl für Tirol als auch für Oberösterreich je 25 relevante und prägnante Landesthemen zu finden, anhand derer UserInnen die Nähe bzw. Distanz ihrer persönlichen Positionen zu jenen der Parteien ermitteln könnten. Insbesondere bei Landtagswahlen greifen PolitikerInnen fernab ihres realen politischen Wirkungskreises gerne auf Bundesthemen zurück, distanzieren sich zugleich von der Bundespolitik der jeweils konkurrierenden sowie aber auch der eigenen Partei und hoffen so auf Sympathiegewinn. Neben den - schon bei Nationalratswahlen - sehr unterschiedlichen Motiven für eine Wahlentscheidung kommt also das Moment des Denkzettels stark zum Tragen.

Auch die Differenzierbarkeit von Parteistandpunkten und deren Prioritätensetzung erschwert die Erarbei-tung von Ländermutationen einer Online-Wahlhilfe. Immerhin gilt in Oberösterreich noch immer das Prinzip des Regierungsproporz, das alle im Landtag vertretenen Parteien ihrer Stärke entsprechend in die Regierung einbindet. Die stimmenstärkste Partei hat allemal die Möglichkeit, mittels Mehrheitsentscheid auch gegen den Willen aller anderen Entscheidungen durchzubringen. Eine Grenze zwischen Opposition und Regierung ist zumeist kaum auszumachen.

Für Public Netbase stand deshalb fest, dass zur Umsetzung der Länder-Wahlkabinen neben den bewährten Kooperationen mit politikwissenschaftlichen Institutionen (Gesellschaft für politische Aufklärung, IFF - Abteilung politische Bildung und Österreichische Gesellschaft für Politikwissenschaft) zusätzliche PartnerInnen in Tirol und Oberösterreich gefunden werden mussten. Die Kulturplattform Oberösterreich (KUPF) sowie namhafte RedakteurInnen regionaler Medien in Tirol und Oberösterreich brachten ihre länderspezifische Kompetenz und Erfahrung ein. Diese Zusammensetzung ermöglichte eine Ausrichtung der inhaltlichen Grundlagen, die nicht nur thematisch vielseitig gestaltet ist, sondern auch spezifische Besonderheiten des jeweiligen Bundeslandes ausfindig machen konnte.

Das Konzept der Online-Wahlhilfe steht mit seinem bewusst gewählten Pop-Appeal für den Anspruch, der Boulevardisierung von Wahlkämpfen und der Berichterstattung etwas entgegen zu setzen. Während PolitikerInnen immer stärker dazu übergehen, ein und dieselbe Message bei jeder nur möglichen Gelegenheit zu wiederholen, um ein Thema glaubwürdig zu besetzen und - vor allem um massenmediale Vorgaben zu erfüllen - davor zurückschrecken, mehr als drei Zielsetzungen zu veröffentlichen, versucht wahlkabine.at ihre BenützerInnen mit einem Mehr an Fragestellungen zu konfrontieren.

Die Online-Wahlhilfe formuliert also für beide Bundesländer einen Katalog von Fragen, die zum einen Teil das gegenwärtige politische (Tages-)Geschehen bestimmen, zum anderen grundlegendere gesellschaftliche Entwicklungen ansprechen. Oftmals greift sie auch solche Themen auf, die - aus hegemonialer Gewohnheit, mangelnder Lobby oder schlichtem Nicht-Wissen - momentan nicht als relevant wahrgenommen werden und sich der politischen Auseinandersetzung vielfach entziehen. So fragt die Oberösterreich-Version zum Beispiel nach dem Veranstaltungsverbot für Pop- und Rockkonzerte am Karfreitag oder dem Recht des Landeshauptmanns auf Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

wahlkabine.at stellt unterschiedliche Sachfragen zur öffentlichen Diskussion und - hier liegt eine der wesentlichen Aufgaben der Online-Wahlhilfe - versucht auf diese Weise, Kommunikation und politische Debatten anzuregen. Wie die Erfahrungen bei den Nationalratswahlen 2002 zeigten, geschieht das im engsten sozialen Umfeld, im Freundeskreis oder in der Familie sehr häufig. Anhand so mancher Frage können die UserInnen Verständnisprobleme oder blinde Flecken entdecken, sich vielleicht sogar neue Themenkreise erschließen. Auch in diesem Sinn können Online-Wahlhilfen Instrument politischer Bildung sein.

Natürlich vermögen 25 Entscheidungsfragen (die Beschränkung ergibt sich aus den Grenzen der BenützerInnenfreundlichkeit) nicht, die Gesamtheit einer politischer Auseinandersetzung zu erfassen und können die Antwortmöglichkeiten (Ja / Nein / Keine Angabe) politische Prozesse nicht in ihrer Komplexität wiedergeben - doch sie fordern zur Positionierung auf und regen somit, im günstigsten Fall, vor dem Click einen Nachdenkprozess oder zumindest ein kurzes Grübeln an. Für gar nicht so wenige Personen bringt ein Durchgang bei wahlkabine.at immer wieder auch eine Sensibilisierung für Aussagen von PolitikerInnen bzw. für deren Fehlen mit sich.

Bei allen möglichen positiven Begleiterscheinungen und Reaktionen birgt ein Voting Indicator Tool wie wahlkabine.at auch ein Potenzial zur Überschätzung der ihr innewohnenden Funktionen in sich. Eine Online-Wahlhilfe kann und will niemandem eine Entscheidung "ersparen", dient also nicht der Entmündigung des/der Einzelnen - wie ein immer wieder auftretender Vorwurf lautet. wahlkabine.at kann mögliche Themenfelder von Parteipolitik zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine begrenzte Zahl von fix kandidierenden Parteien abstecken. Das Projekt kann sicherlich nicht politische Auseinandersetzungen und Prozesse an sich allgemein darstellen, geschweige denn diese in Form von Internet-Abstimmungen in einer Cyber-Demokratie ersetzen. Als Online-Medium kann sie bestimmte gesellschaftliche Gruppen leicht, viele andere nur schwer bis gar nicht erreichen und kann so als Instrument politischer Bildung alleine nicht genügen. Denn diese muss nach wie vor und umso mehr auch im öffentlichen Raum jenseits des World Wide Web passieren.

Problematiken wie diese gilt es genauso wie das Projekt Online-Wahlhilfe an sich zum Gegenstand einer freien Debatte über Sinn und Unsinn, Potenziale und Grenzen zu machen. wahlkabine.at hat zu diesem Zweck - und darin liegt ein wichtiges Unterscheidunsmerkmal zu anderen Voting Indicator Tools - ihre Umsetzung und Methodik offengelegt.

wahlkabine.at kann keine gesamtgesellschaftliche Lösung darstellen, sie wird die Politik auch nicht von Emotionalisierung und Populismus befreien. Auch nicht in Tirol und Oberösterreich. Sie trägt aber mit einem einprägsamen Domain-Namen dazu bei, die Diskussion von Wahlkämpfen und politischen Themen nicht nur den ParteistrategInnen und den an Vielfalt armen kommerziellen Mainstream-Medien zu überlassen. Dabei den spielerischen und auch unterhaltenden Charakter von wahlkabine.at zu übersehen, wäre aber genauso irreführend, wie Wahlkampfversprechen, Wahl-Goodies und die Berichterstattung allzu ernst zu nehmen.


Katharina Ludwig ist Studentin der Politikwissenschaft und hat bei Public Netbase als Assistentin der Projektleitung die Online-Wahlhilfe wahlkabine.at mitentwickelt.

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