Kultur im Netz
Die gegenwärtige Situation ist für den Kulturbereich eine Bedrohung. Gleichzeitig wird der virtuellen Raum auf einer ganz neuen breiten Basis bespielt. Auch wenn die großen Innovationen auf dem (nicht ganz so) neuen Experimentierfeld noch ausbleiben: Kultur mit Sicherheitsabstand weicht in das Internet aus. Wie kann analog konzipiertes Programm ins Netz übertragen werden? Welche Herausforderungen stellen sich da? Und noch viel spannender: Welche neuen Formen können entstehen?
Wir sehen aber auch wie eine Reihe an Institutionen den digitalen Raum nutzt, um nicht direkt ihr Programm zu verbreiten: Das Belvedere erklärt nun täglich ein Stück ihrer Sammlung, Linzer Nordico kann online begangen werden. Das Frauenmuseum Hittisau führt den Blog „Starke Frauen. Starke Geschichten.“ Hier werden altbewährte Mittel neu entdeckt.
Das erreicht ein neues Publikum, wird den finanziellen Druck der Kulturtreibenden aber nicht direkt lindern. Doch auch dafür gibt es bereits Impulse. Die Kulturplattform Oberösterreich hat mit der Kampagne #norefundforculture bereits vor Wochen dafür plädiert, gekaufte Tickets nicht zurück zu geben sondern quasi zu spenden – noch bevor die Politik mit der sogenannten Gutscheinlösung einen weiteren Tropfen ihren bislang zahmen Bemühungen hinzufügten, den heißen Stein für Kunst und Kultur vergeblich etwas zu kühlen. Die KUPF OÖ hat nun mit #drüberretten eine Initiative gestartet, bei der es auch noch möglich ist, bereits Tickets für zukünftige Events zu kaufen und somit Kulturtätige über die drohenden Zahlungsunfähigkeit wortwörtlich „drüber zu retten“. Das kann aktuell bei über 40 Vereinen genutzt werden. „Das Geld geht direkt an die Kulturvereine. Damit ist ihnen geholfen, kurzfristig wieder liquide zu sein,“ so Thomas Diesenreiter von der KUPF OÖ.
Eine andere ähnliche Initiative ist Abgesagt. Es handelt sich um ein Theaterfestival, das nicht in den digitalen Raum verschoben wurde, da es nicht stattfindet, also abgesagt wurde. Die Ticketerlöse werden an alle teilnehmende Kulturschaffende aufgeteilt, die quasi abgesagt haben. Susanne Lipinski, vom Kollektiv Kollinski: „Unter unseren mittlerweile 60 Teilnehmenden sind glücklicherweise auch Veranstaltungstechniker*innen, denn die trifft es besonders hart. Wenn keine Veranstaltungen stattfinden, können sie auch nichts verdienen. So haben wir mit unserem Festival auch eine neue Solidarität erlebt.“
Aber es gibt auch Performances, die auch stattfinden und so versuchen, neue Einnahmequellen zu lukrieren. Das Homestage Festival versucht ein Wohnzimmerprogramm ins Netz zu bringen. Auf Facebook werden Performances von den jeweiligen Wohnungen aus gestreamt und über Crowdfunding finanziert. Die Einnahmen davon werden gleichermaßen auf alle aufgeteilt. Das hat tatsächlich so gut funktioniert, dass es gleich nochmal wiederholt wird.
Einen anderen Versuch das „analoge“ Programm doch noch stattfinden zu lassen, hat die IG KIKK unternommen. Diese hätte in Klagenfurt ihr Symposium „ Demokratie in Bewegung | Demokracija v razvoju“ ganz prominent im öffentlichen Raum platziert, nämlich auf dem Neuen Platz. Sechs Wochen vor Start trat plötzlich das Veranstaltungsverbot in Kraft. „Wir haben doch fast eineinhalb Jahre versucht das Symposium zu organisieren und viel Zeit und Kraft investiert. Da war das allgemeine Veranstaltungsverbot ein großer Schock,“ so Alina Zeichen, Vorstandsvorsitzende der IG KIKK: „Wir haben uns aber entschieden, das Symposium ins Internet zu verlegen, da es vielen Kulturarbeitern und Kulturarbeiterinnen ein Anliegen war, das Thema zu bearbeiten und auch in der momentanen Situation in Kontakt treten zu können.“
Das Symposium fand nun doch noch im Internet statt (hier zum Nachsehen). Der erhoffte Effekt, durch die Open Air Variante im Stadtzentrum viele Menschen fernab des Sektors zu erreichen, blieb so jedoch verständlicherweise aus und man erreichte nur diejenigen Menschen, die über die online Bewerbung darauf aufmerksam wurden. Der Beteiligungsprozess wurde damit umgeworfen. Das Symposium war zwar auch im virtuellen Raum verhältnismäßig gut besucht, allerdings größtenteils von Menschen, die im Sektor aktiv sind. So war das Publikum ein dezidiert anderes.
Ein großer Teil des Kulturbereichs setzt sich erst jetzt mit digitalen Formen auseinander. Sei es aus Prinzip, weil physische Präsenz und reale Interaktion im Zentrum des Schaffens stehen, sei es aus Kostengründen, Datenschutzvorbehalten oder einfach mangels technischer Kompetenz. So reagiert der Sektor erst langsam auf die neue Situation. Vor allem für kleinere Vereine können Netzinitiativen eine große Hilfe sein. Der Verein Servus.at liefert seinen Mitgliedern aus Kunst und Kultur eine Toolbox und Support. Darin enthalten sind zum Beispiel Webspace, eMailkonten, Mailinglisten, Umfragetools, Cloudservices und vieles mehr. Das alles auch noch Open Source, datenschutzrechtlich sicher und man unterstützt die freie Szene statt kommerzieller Anbieter. Ironischerweise hat auch Servus selbst mit Umstellungen aufgrund der neuen Situation zu tun: Ihr AMRO-Festival („Art meets radical Openness“), das sich mit neuen Herausforderungen zwischen digitaler Kultur, Kunst, Alltag, Bildung, Politik und aktivem Handeln beschäftigt, findet nun vom 20. bis zum 23. Mai im virtuellen Raum statt. Aber da genau bei ihnen diese Expertise angesiedelt ist, werden sie die Übung gut vormachen.