Kultur bei der Nationalratswahl 2017

Was diese Wahl bringen wird, wissen wir freilich noch nicht. Auf Prognosen soll man sich genauso wenig verlassen, wie auf das Bauchgefühl. Was uns blüht, können wir aber schon ein wenig an den Wahlprogrammen ablesen. Sofern sie existieren. Hier die Kernpunkte der Parteien zum Thema Kunst und Kultur für die Nationalratswahl 2017. 

Wahlzettel, Nationalratswahl 2017, Kultur im Wahlprogramm

(Dieser Beitrag ist oben im Player als Audioversion in Form unserer Radiosendung abrufbar)

 

SPÖ

 

 

„Gute Kulturpolitik ist keine Kunst“, sagt das Wahlprogramm der SPÖ zum Thema Kunst und Kultur. Das Wort Kultur kommt im ganzen Programm immerhin fünfzig mal vor. Drei knappe Seiten sind dafür im Wahlprogramm vorgesehen. Was können wir von einer roten Kulturpolitik erwarten?
Wir freuen uns, dass davon die Rede ist, den Kulturbetrieb jenseits von teuren Logen und Parkettplätzen zu ermöglichen, erhalten und öffnen zu wollen. Kritische Reflexion gesellschaftlicher Verhältnisse wird gewürdigt. Die Arbeitsbedingungen für Kulturschaffende gehören verbessert. Drei Punkte sind im Programm der SPÖ zentral: Den hohen Standard halten, die soziale Lage verbessern und das Service um das Angebot modernisieren. Der Fokus liegt dabei auf zeitgenössischer Kunst und Kultur und der Freiheit der Kunst. Der Zugang soll durch einen Wochentag mit gratis Eintritt in Bundesmuseen erleichtert werden. Für die freie Szene sollen Arbeitslosenversicherung und Sozialversicherung reformiert werden, Gleichbehandlungsprogramme fortgesetzt und Staatsstipendien ausgebaut werden.

Uns fehlen im Programm die Ideen für eine Reformierung der Struktur. Und auch nicht verschriftlicht wurde, was Minister Drozda schon öfter bei Auftritten erwähnt hat, nämlich, dass er das bedingungslose Grundeinkommen gerne bei Kulturschaffenden erproben würde. 

 

 

ÖVP, neue Volkspartei

 

Das Programm der ÖVP kommt spät aber doch. Es heißt „Der neue Weg“. Zu Redaktionsschluss lagen mir leider erst zwei der drei Teile vor. Darin fand ich das Wort Kultur 53 mal, ganz ähnlich, wie bei der SPÖ. Was kommt in der schwarzen Kulturpolitik auf uns zu?
Der Kulturteil läuft unter dem Motto „Österreich als Kulturnation neu beleben“. Dabei soll ein neues Leitbild herrschen, bei dem nicht mehr zwischen Hochkultur und Volkskultur unterschieden wird. Zeitgenössische Kunst und Kultur passt aber oft in keines der beiden, passt demnach also wohl auch nicht so ganz in’s Programm der ÖVP. Der Kulturbereich soll professionalisiert werden und vor allem Kindern stärker näher gebracht werden. Kulturinstitutionen bräuchten bessere Planbarkeit und Fördevereinbarungen, die steigende Inflationskosten abbilden würden. Regionale Initiativen brauchen unbürokratischere Förderinstrumente, wobei Doppelgleisigkeit abgebaut werden soll. Man möchte vornehmlich Spitzentalente fördern und Anreize für private Mittel schaffen und Spendenabsetzbarkeit ausbauen. Förderung soll in erster Linie ein Sprungbrett zur finanziellen Unabhängigkeit sein.

StartUp-Hilfe für privat finanzierte Kunst und Kultur also. Da fehlen uns jetzt ein wenig mehr, als ein paar einzelne Punkte, es scheitert bereits am Grundverständnis. Da hat man die Funktion von Kultur, aber auch die Verschränkung von Kultur und Gesellschaft zu wenig verstanden. 

 

 

FPÖ

 

Bei der FPÖ läuft das Wahlprogramm unter dem Slogan "Österreicher verdienen Fairness". Das beinhaltet offenbar, dass man auch nicht mehr zu gendern braucht. Das Wort Kultur kommt 26 mal vor, nur circa halb soviel, wie bei den beiden Großparteien.
Es gibt eine Seite, die sich grob mit Kultur beschäftigt, allerdings in einem sehr weit gefassten Verständnis. Der Begriff beinhaltet für die Freiheitlichen alle zivilisatorischen Ausdrucksformen, namentlich Kunst, Sprache, Musik, Wissenschaft, Brauchtum. Der österreichische kulturelle Reichtum soll bewahrt werden. Bräuche sollen für Kinder und Enkelkinder bewahrt werden, vor allem, so sagen sie, in einer Zeit der "Identitätsvernichtung" und "Entfremdung der Völker" von ihren Wurzeln. Gefordert wird weniger Steuergeld für Bundesmuseen auszugeben, Selbstfinanzierung der Veranstaltungen, Bürokratieabbau, freier Eintritt in Museen und Stärkung regionaler Brauchtumsinitiativen.

Das ist dann wohl nur noch Brauchtumspflege, was da übrig bleibt.  

 


 

 

Grüne

 

 

Das grüne Wahlprogramm hat den Titel "Das ist Grün". Ein wenig überraschend ist, dass wir einen Kulturteil im Programm vergeblich suchen.
Das mag damit zu tun haben, dass der Kultursprecher der Grünen zur Liste Pilz gewechselt ist. Warum es dennoch unmöglich war, grüne Positionen zur Kulturpolitik zusammenzufassen, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Der Begriff Kultur kommt nur 20 mal vor. Einige Ansagen zu Kultur entdeckt man dann zwischendurch oft genug, dass sich ein eigener Teil eigentlich locker ausgegangen wäre. Warum es das nicht wert war, ist merkwürdig, die Ansagen müssten sich nämlich gar nicht verstecken. Teilhabe am kulturellen Leben ist laut Grünen ein Grundbedürfnis, daher sollte weniger Budgetanteil in die Bundestanker gesteckt werden und mehr in die regionalen Initiativen, denen zu wenig Geld übrig bleibt, während sich Bundeseinrichtungen hohe Eintritte teuer subventionieren lassen. In den Bundeseinrichtungen soll die Vermittlung an Kinder und Jugendliche gestärkt werden, der Zugang erleichtert mit eintrittsfreien Tagen für alle. Kunst und Kultur soll sich mit den Lebensbedingungen der Menschen auseinandersetzen, das Zusammenleben reflektieren und aushandeln. Damit haben sie einen eindeutig zeitgenössischen Ansatz von Kunst und Kultur. Da fordern sie allgemein mehr Mittel für zeitgenössische Kunst, die freie Szene und regionale Kulturinitiativen. Auch die soziale Lage für KünstlerInnen, in Sachen Prekariat, Arbeitslosen- und Sozialversicherung ist Thema. 

Grundsätzlich sind gute kulturpolitische Ansätze vorhanden, irritierend ist, dass das Thema im Programm keinen entsprechenden Platz kriegt und in der Agenda offensichtlich weniger wichtig geworden ist. 

 

 

NEOS

Das Programm für die NEOS lautet "Ziele". Ein Kulturteil fehlt uns abermals. Das Wort Kultur kommt überhaupt nicht vor. Kein einziges mal. Nicht einmal in Begriffen wie "Betriebskultur" oder dergleichen. Zum Vergleich: das Wort "sozial" kommt immerhin vier mal vor, das Wort "Wirtschaft" sechs mal. Das ganze Programm ist aber auch vergleichsweise kurz. Genauso muss deshalb leider auch unsere Betrachtung ausfallen. 

 

Liste Pilz

 

 

Die Liste Pilz tritt das erste mal an und ist doch schon mit einzelnen Abgeordneten im Parlament vertreten. Die haben auch gleich auf ein Programm verzichtet. Das ist schade, haben wir damit nämlich auch wenig, womit wir uns beschäftigen könnten. Umso erstaunlicher ist es, da der Grüne Kultursprecher ja zur Liste Pilz gewechselt ist, zumindest dieser Part also durchaus genug Futter haben sollte – wenn man ein Programm machen wollte.

 

KPÖ plus

 

Weil sie so regelmäßig antritt, hab ich mir auch das Programm der KPÖ plus angesehen. Das mit dem Kulturteil war da ein wenig schwierig, weil man auch gleich auf ein Inhaltsverzeichnis verzichtet hat. Gefunden hab ich schließlich keines. Das Wort Kultur kommt immerhin fünf mal vor. Dabei geht es um soziale Absicherung und gerechte Löhne, kulturelle Vielfalt, Interkulturalität und kulturelle Bildung für alle. Klingt schön und gut. Man würde aber meinen, das könnte 2017 bereits für alle Parteien Standard sein.
Kleines Detail am Rande: Als bei einer Diskussionsveranstaltung von Minister Drozda erneut der rote Vorschlag kam, das bedingungslose Grundeinkommen im Kulturbereich zu erproben, kam von der KPÖ die Forderung, dieses doch gleich für alle einzuführen. 

 

 

 

Warum wählen?

Die Länge unserer Betrachtungen ist abhängig vom Anteil der Kultur in den jeweiligen Programmen, der Substanz der Forderungen, vor allem aber auch von der Relevanz für unseren Bereich. Und natürlich von dem Umstand, ob überhaupt ein Programm existiert. Dabei konnten wir vielleicht ein wenig erhellen, was wohl zu erwarten wäre, wenn die jeweilige Partei mit dem Ressort betraut wird. 

Wir geben ja keine Wahlempfehlungen ab. Aber wir empfehlen doch sehr sehr dringend, zur Wahl zu gehen. Auch wenn man mit keiner der Optionen so ganz glücklich sein sollte. Global betrachtet ist es ein Privileg, überhaupt wählen zu können.

Und dann stell dir vor, es ist Demokratie und keiner geht hin...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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