§278 Gemeint sind wir alle!

Christof Mackinger, Birgit Pack (Hg.): §278 Gemeint sind wir alle! Der Prozess gegen die Tierbefreiungs-Bewegung und seine Hintergründe
Wien: Mandelbaum 2011

In diesem Sammelband, der im Mandelbaum-Verlag in der Reihe kritik&utopie erschienen ist, analysieren die HerausgeberInnen jene Bedingungen, die die Konstruktion des sogenannten „Tierschützerprozesses“ ermöglichten. Damit gibt es nun (endlich!) ein Buch über den Organisationsparagrafen 278 im Strafgesetzbuch („Mafiaparagraf“), das eine Perspektive jenseits skandalisierender medialer Berichterstattung einnimmt. Die AutorInnen arbeiten sehr detailliert auf, dass es sich weder um einen Einzelfall noch um ein „Versagen der Justiz“ handelte, sondern vielmehr um ein ausgeschöpftes Potenzial des österreichischen Justizsystems: nämlich jenes, politisch-emanzipatorische Organisierungs- und Kampagnenaktivitäten zu kriminalisieren.

Dass es dieses Potenzial keinesfalls zufällig hat – und auch nicht erst infolge von 9/11 oder seit den Verhaftungen der TierrechtlerInnen 2008 – zeigt das Buch, indem es den jüngsten Prozess nach §278a in seinen historischen und internationalen Kontext stellt. So erfährt man, dass es in Österreich bereits seit 1974 einen Organisationsparagrafen mit dem Straftatbestand der „Bandenbildung“ gab und durch die Konstruktion einer Green Scare („Die Grüne Gefahr“), also eines terroristischen Bedrohungsszenarios durch Tierrechts- und Umweltaktivismus, in den USA sogar ein Animal Enterprise Terrorism Act politisch durchgesetzt werden konnte.

Repression ist zwar nicht auf Organisationsparagrafen wie §278 angewiesen, es zeichnet sich aber ein Trend hin zu Ermittlungen auf ihrer Basis ab. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sie ein besonders hohes Ausmaß an Überwachung zulassen; in Österreich etwa seit 1997 den großen Lauschangriff. Wie das Buch mit der Reflexion eines weiteren „§278-Falles“ – der Operation Spring – aufzeigt, erhöht allein die Existenz des Paragrafen die Befugnisse der Polizei. Die Anklage nach §278 rechtfertigte Spezialermittlungsmethoden und schuf die Grundlage für über vierjährige Untersuchungshaftzeiten, obwohl letztlich nur nach dem Suchtmittelgesetz verurteilt wurde. Dass auch jenseits der Operation Spring die Mehrzahl der Fälle, in denen der Paragraf zur Anwendung kam, „ethnisch markierte … Tätergruppierungen“ (S. 271) betraf, weist im Kontext von Grenzregimen, Fremden- und Asylrecht auch auf eine rassistisch motivierte Anwendungspraxis des §278 hin.

Dass gleichzeitig die Tierbefreiungsbewegung in den Fokus von Repressionsbemühungen gerückt ist, erklärt das Buch unter anderem damit, dass ihre Kampagnenarbeit im Rahmen der „Offensive gegen die Pelzindustrie“ auch einen Angriff auf Profitinteressen darstellt. Polizeiliche Repression erscheint in diesem Licht auch als Element kapitalistischer, Eigentums- und Profitinteressen beschützender Dynamiken.

Das Buch stellt allerdings politische Kampagnenarbeit nicht ausschließlich als Gegenstand von Repression vor, sondern in erster Linie als eines: nämlich erfolgreich. Die Analyse der komplexen Maschinerien der Kriminalisierung soll nicht lähmen, sondern ist ein Appell, weiterzumachen. So lotet das Buch mit der Dokumentation der professionellen Solidaritätsarbeit und Prozessvorbereitung auch Räume selbstbestimmten Handelns und Widerstands angesichts des Wissens um Repression aus. Der Satz „ … anstatt uns einschüchtern zu lassen, wollen wir uns bewegen“ (S. 138) ist Programm.

Links

www.antirep2008.tk
www.basisgruppe-tierrechte.org

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