Medienkultur - Kulturmedien?

<p>„Medienarbeit ist Kulturarbeit, Tag für Tag, Zeile für Zeile, Wort für Wort. Arbeit an der Kultur der Information, der Diskussion, des Wissens, der Transparenz und des Zugangs zu Öffentlichkeit. Umgekehrt produzieren Kunst und Kultur wirkungsstarke Bilder, die sich tief ins gesellschaftliche Bewusstsein einprägen und stellen gleichzeitig all die Sujets, die jedem öffentlichen Diskurs zugrunde liegen, immer wieder aufs Neue in Frage. An dieser Stelle wird das Bild

„Medienarbeit ist Kulturarbeit, Tag für Tag, Zeile für Zeile, Wort für Wort. Arbeit an der Kultur der Information, der Diskussion, des Wissens, der Transparenz und des Zugangs zu Öffentlichkeit. Umgekehrt produzieren Kunst und Kultur wirkungsstarke Bilder, die sich tief ins gesellschaftliche Bewusstsein einprägen und stellen gleichzeitig all die Sujets, die jedem öffentlichen Diskurs zugrunde liegen, immer wieder aufs Neue in Frage. An dieser Stelle wird das Bild zum Text, Medien und Kultur be- dingen einander auch im Gebrauch der Sprache, der einzigen zur Verfügung stehenden Denkform und damit Handlungsgrundlage.“

Die Kultur der Berichterstattung braucht Zeit und Mittel, personelle wie finanzielle, um ihrer Funktion, ihrer Aufgabe gerecht werden zu können und die Bezeichnung auch tatsächlich zu verdienen. Der Kulturberichterstattung kommt dabei eine besondere Rolle zu, fungiert sie doch gewissermaßen als Übersetzerin von künstlerischen Prozessen, um Einblick und Zugang zu ermöglichen und fruchtbare Auseinandersetzung zu generieren, also eine Gesprächs- und Debattenkultur, wie sie in jedem gesellschaftlichen Feld von dringender Relevanz, ergo politischer Bedeutung, ist.

Wenn wir aber auf die Debattenkultur (oder der Kulturdebatte?) fokussieren, müssen wir zwangsläufig auch nach der Medienkultur und damit den Kulturmedien fragen.

Überlassen wir diesen Diskurs dem Boulevard und damit auch die RezipientInnen, die nicht nur dieselben sind, die am Wahltag ihre Stimme abgeben (oder eben nicht), sondern auch die, die Kunst und Kulturprogramme rezipieren (oder eben nicht)? Ein Diskurs, den die Auswahl der Themen ebenso bestimmen wie die Form und Intensität der Auseinandersetzung, der mögliche Raum, den diese einnehmen und damit die Wertigkeit, die so definiert wird. Die Folgen eines medialen Betriebs, in dem allzu oft Kulturberichte nichts anderes sind als drei Zeilen Veranstaltungsankündigung und jedem Almabtrieb mehr Sendezeit gewidmet wird als aktueller Kunstproduktion, werden an seinen Bruchstellen offenkundig. Folgen, die Hand in Hand gehen mit dem Zustand eines Bildungssystems und der Ungleichverteilung von Wohlstand. Eins zementiert das andere, wie die soziale Her- kunft die (ggf. eben mangelnden) Aufstiegschancen, bloß keine Durchlässigkeit. Das gilt auch für den JournalistInnenberuf, ArbeiterInnenkinder sucht man in der Branche fast vergeblich, wo- raus sich wiederum die Dominanz von Perspektiven und Interessen sowie fehlende Übersetzungsleistungen (mit)erklären.1

Doch für diese braucht es eben auch die mediale Plattform. Die Medienkonzentration in Österreich ist bekanntlich extrem hoch. Am Tageszeitungssektor beherrschen zwei Konzerne (Mediaprint und Styria) nahezu den gesamten Markt2 – und Markt bedeutet hier nichts anderes als Öffentlichkeit, Gesellschaft, das Denken, Handeln und Entscheiden von Menschen.

Mit dem Ziel, mediale – und damit kulturelle – Vielfalt zu gewährleisten, wurde in Österreich 1975 unter Bundeskanzler Bruno Kreisky die Presseförderung eingeführt – Qualitätssicherung, auch und gerade abseits der finanziellen Rentabilität. Diese ist auch heute eine der Hauptkategorien, Vertriebsförderung hingegen wird nach dem Gießkannenprinzip verteilt.

Rassismus und Antisemitismus sind keine zu akzeptierenden Meinungen, sondern Verstöße gegen Grundrechte und als solche zu ahnden.

Sie betrug 2015 pro Tageszeitungstitel zwischen € 114.430,90 und € 190.718,20 3 – letzteres u.a. für die auflagen- und anzeigenstärksten Blätter wie „Krone“ und „Kleine Zeitung“. Nach wie vor erhält eine solche Subvention auch Andreas Mölzers Wochenzeitung „Zur Zeit“, gegen das Blatt respektive seine Autoren wurde wiederholt Anklage wegen Verhetzung bzw. Verstößen gegen das NS-Verbotsgesetz erhoben – auch im Jahr 2015 kein Hindernis, es mit € 47.457,50 Vertriebsförderung aus öffentlichen Geldern zu unterstützen.4 Und falls jemand an dieser Stelle auf die vorhin erwähnte Vielfalt verweist, zur Erinnerung: Rassismus und Antisemitismus sind keine zu akzeptierenden Meinungen, sondern Verstöße gegen Grundrechte und als solche zu ahnden.


Was den Aspekt der Vielfalt jedoch tatsächlich relativiert, sind jene Vergabekriterien, die den Erhalt von Presseförderung auf profitorientierte Publikationen, sowie Tages- und Wochenzeitungen einschränken.5 Damit wird der Zugang zu dieser Subvention gerade jenen Medien von vornherein verwehrt, die sie finanziell am dringendsten nötig hätten, nämlich nicht-profitorientierten Zeitungen und Zeitschriften, kleinen Magazinen, innovativen und experimentellen Printpublikationen.

Diese sind wiederum häufig im oder an der Schnittstelle zum Kulturbereich angesiedelt und publizieren höchst qualifiziert und vielschichtig zu einer ganzen Bandbreite von Inhalten und Perspektiven, die den Weg an eine breite Öffentlichkeit oft nur sehr eingeschränkt finden, obgleich sie für den gesellschaftspo- litischen Diskurs zentral sind. Gleichzeitig, um nicht zu sagen trotzdem oder gerade deshalb wird ein niederschwelliger Zugang zu Informationen und Kultur geschaffen, jenseits von Schlagworten und Schenkelklopfer-Mentalität.

Nach dem verheerenden Anschlag auf „Charlie Hebdo“ verwies Emmanuele Vire, Generalsekretär der französischen Journalistengewerkschaft SNJ-CGT, auf die Bedeutung von Blättern, die unabhängig von großen Medienkonzernen agieren: „Der Erhalt von Pluralismus bedeutet auch eine vielfältige Presselandschaft, zu der Zeitungen zählen, die nicht zu den großen Industrie- und Finanzkonzernen gehören.“ Gleichzeitig forderte er: „Momentan ist es so, dass die öffentlichen Mittel, via Presseförderung, vor allem diese großen Unternehmen unterstützen – das muss nun ein Ende haben.“ Ein solcher Schritt würde die Medienkultur in Österreich ebenfalls enorm bereichern – und damit Präsenz sowie Stellenwert von Kunst und Kultur im öffentlichen Diskurs nachhaltig erhöhen.

Wenn heute Medien und ihre VertreterInnen auch in Europa massiven Angriffen ausgesetzt sind, gilt es umso mehr, die sich wechselseitig bedingende Bedeutung von Pressefreiheiten, Kultur und Demokratie vor Augen zu halten und die Aufgaben journalistischer Arbeit besonders nachdrücklich umzusetzen.

„Der Erhalt von Pluralismus bedeutet auch eine vielfältige Presselandschaft, zu der Zeitungen zählen, die nicht zu den großen Industrie- und Finanzkonzernen gehören.“

Auch wenn der Druck in den großen Häusern stetig zunimmt, leisten dies engagierte Kleine unter besonders prekären Verhältnissen. Was bleibt, ist, auf mediale Kultur ebenso zu bestehen wie auf kulturelle Medienarbeit. Für beides bedeutet das:

„Unsere Aufgabe ist es, Fakten zu überprüfen und zu schaffen, indem wir eine Auswahl treffen, indem wir Zusammenhänge sichtbar machen, Intentionen offen legen und Verständnis er- zeugen: für Vorgänge, Geschehnisse – und Menschen. Denn nur wer versteht, im Sinne von: Bescheid weiß, kann wirksam eine eigene Haltung entwickeln und vertreten.

Unsere Aufgabe ist es, die Grundlage zu liefern für einen eigen- ständigen Prozess der Meinungsbildung, aber auch, gezielt da- gegen zu halten, wenn dieser Prozess in einer Maschinerie aus Hetze und Propaganda unterzugehen droht. Unsere Aufgabe ist es, jene vierte Macht im Staat zu sein, die die MachthaberInnen kontrolliert und sie zwingt, ihr Handeln öffentlich zu legitimieren. Die aber auch bereit ist, hartnäckig die Konsequenzen zu ziehen, wenn sie dies nicht oder unzureichend tun.

Unsere Aufgabe ist es, Ausdrucksformen zu finden, die nicht die Interessen derer widerspiegelt, die über die lautesten Organe verfügen, sondern im Gegenteil eine eigenständige Sprache zu entwickeln, die nicht unhinterfragt Begriffsarsenale übernimmt und sie gegen die eigenen LeserInnen richtet, indem sie sie ih- nen als wahr verkauft. Sprache ist unsere einzige Möglichkeit, Welt zu benennen, zu erfassen und damit selbst zu handeln. Damit ist sie auch eine Waffe in den Händen der Mächtigen – nicht umsonst beinhaltet Zensur in erster Linie immer auch sprachliche Kontrolle. Diese Waffe kampflos aufzugeben, ist fatal.


Es macht einen Unterschied, ob wir von Flüchtlingstsunamis sprechen und damit Menschen zu Naturkatastrophen enthuma- nisieren oder von Schutzsuchenden, die alles verloren haben und verzweifelt auf ein menschenwürdiges Leben hoffen. Es macht einen Unterschied, ob wir schreiben, dass dem Konzern XY Standortvorteile geboten werden oder dass selbiger schlicht keine Steuern zahlt. Und es macht einen Unterschied, ob rassistische Hetze als zuzulassende Meinung im demokratischen Spektrum angesehen wird oder als strafbares Verbrechen, als Diskriminierung und ggf. Wiederbetätigung.“

Jede/r Kultur- und Medienschaffende muss selbst entscheiden, wo für sie, für ihn die Grenze, die rote Linie verläuft. „Wir haben immer die Wahl. Und wir treffen sie, mit jeder Zeile, die wir veröffentlichen, mit jedem Satz, den wir on air sprechen, mit jedem Kommentar, den wir in einer TV-Sendung abgeben und mit jedem Posting, das wir online stellen. Wir sind nie neutral und dürfen es auch nicht sein. Wir entscheiden immer, ob wir unseren Aufgaben nachkommen und als unabhängiges Korrektiv wirken oder uns vor den Karren von politischen und wirtschaftlichen Interessen spannen lassen.

Die Folgen eines medialen Betriebs, in dem allzu oft Kulturberichte nichts anderes sind als drei Zeilen Veranstaltungsankündigung und jedem Almabtrieb mehr Sendezeit gewidmet wird als aktueller Kunstproduktion, werden an seinen Bruchstellen offenkundig.

Ob wir jenen das Wort reden, die an den Hebeln der Macht sitzen oder ob wir kontrollieren, wie, ob und wie lange sie diese bedienen. Ob wir die Hetze als Meinung zurückspiegeln, die an den Stammtischen gebrüllt wird und da- mit Brandanschlägen und faschistischen Mobs durch unsere Akzeptanz weiter den Boden bereiten oder ob wir ihnen Öffentlichkeit entziehen und durch gegenteilige Inhalte ersetzen.“ Das trifft besonders für Kulturarbeit zu. „Meine red line verläuft immer auf der Seite derer, die über kein Sprachrohr verfügen, keine Lobby, keine Vertretung, ja, oft nicht einmal eine Sprache haben.“6  Dafür braucht Kultur Medien, und genau hier wird aus Medien Kultur.

 

1 Vgl. u.a. bei Kathrin Hartmann: Wir müssen leider draußen bleiben, Blessing 2012 oder Marco Maurer: Du bleibst was du bist, Droemer: 2015.

2 Lt. Media-Analyse 2015 http://www.media-analyse.at/table/2613

3 Siehe: RTR/KommAustria, Ergebnis der Vertriebsförderung für Tageszeitungen gemäß dem Abschnitt II PresseFG 2004 im Jahr 2015

4 Siehe: RTR/KommAustria, Ergebnis der Vertriebsförderung für Wochenzeitungen gemäß dem Abschnitt II PresseFG 2004 im Jahr 2015. 

5 Vgl. Richtlinien für Förderungen gemäß dem Presseförde- rungsgesetz 2004 https://www.rtr.at/de/ppf/PFRL2016

6 Vgl. Evelyn Schalk: „fakt ist“, in: ausreißer – Die Wandzeitung, Ausg. 68, 1/2016. http://ausreisser.mur.at/ausgaben /62-jaen-feb-2015/editorial

 

Autorin:

Evelyn Schalk ist freie Journalistin und Autorin sowie Mitherausgeberin des „ausreißer – Die Wandzeitung“. ausreisser.mur.at

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