Ein Freies Medium ist ein Freies Medium ist ein Freies Medium

Jedenfalls war die als eine Art Messe konzipierte Veranstaltung wohl ein Erfolg, eine Menge Print- und Onlinemedien präsentierten sich, und ziemlich viele Menschen interessierten sich auch dafür. Warum löste sie trotzdem einen so fahlen Beigeschmack bei vielen derer aus, die sich ebenfalls im Kontext „Freier Medienarbeit“ aktiv wähnen?

Am 15. Oktober fand im Wiener Museumsquartier der Tag der Freien Medien statt. Dass den die Freien Radios am 15. Juni begehen, mag irritieren, aber schließlich ist der Begriff „frei“ im Zusammenhang mit „Medien“ nicht geschützt. Jedenfalls war die als eine Art Messe konzipierte Veranstaltung wohl ein Erfolg, eine Menge Print- und Onlinemedien präsentierten sich, und ziemlich viele Menschen interessierten sich auch dafür. Warum löste sie trotzdem einen so fahlen Beigeschmack bei vielen derer aus, die sich ebenfalls im Kontext „Freier Medienarbeit“ aktiv wähnen?

Der Begriff „Freie Medien“

Dieses Unbehagen äußerten einige „Projekte und Initiativen, die im Feld der freien und autonomen Medien- und Kulturarbeit“ aktiv sind, in einem offenen Brief an den Veranstalter, den Österreichischen Medienverband (ÖMVB), und erklärten, warum sie sich gegen eine Teilnahme entschieden hatten. Zentraler Kritikpunkt von Kulturrisse, an.schläge, fiber, grundrisse, der IG Kultur Österreich, dem Kulturrat Österreich, MALMOE und migrazine: „Laut Selbstbeschreibung versteht sich der ÖMVB nämlich als Interessenvertretung für Print-Publikationen und elektronische Medien, die den Fokus ihrer Arbeit auf die Förderung Freier Klein- und Kleinstmedien gelegt hat. Was dabei jedoch konkret unter ,Freie Medien‘ verstanden wird, bleibt weitgehend unklar.“

Nun ist der Begriff „Freie Medien“ generell nur ungenügend definiert, und außerhalb der oben genannten Arbeitsbereiche auch wenig gebräuchlich – dort aber durchaus in dem Sinn, in dem ihn die Unterzeichner_innen gebraucht sehen wollen: „Unserem Selbstverständnis nach muss der Begriff ,Freie Medien‘ wesentlich darauf abzielen, Raum für gesellschaftskritische Diskurse herzustellen und damit eine Plattform für linke, emanzipatorische Positionen – insbesondere jene von Migrant_innen – anbieten. Freie Medien rücken also solche Perspektiven in den Mittelpunkt, die von den bürgerlichen Medien wenig oder gar nicht berücksichtigt werden und der vermeintlichen ,Professionalität‘, ,Objektivität‘ und dem, was ,berichtenswert‘ sei, entgegenstehen.“ Und sehr präzise definiert ist, was der im deutschsprachigen Raum seit gut 30 Jahren gebräuchliche Begriff „Freie Radios“ meint. Die „Charta der Freien Radios Österreich“ fasst ihn sowohl strukturell – als gemeinnützige, nicht-kommerzielle Medien, die einen offenen Zugang zum Programm bieten; als auch inhaltlich-programmatisch, als Projekte mit einem antidiskriminatorischen Anspruch, die eine „selbstbestimmte, solidarische und emanzipatorische Gesellschaft“ fördern.

„Soziale Verantwortlichkeit“ als Platzhalter

Eine ähnlich konkrete Definition sucht man bei dem so ambitionierten ÖMVB vergeblich; was vor allem deshalb verwundert, weil er sich explizit komplementär zum Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ) versteht. Aber sich mit existierenden gesellschafts- und medienpolitischen Positionierungen von Medien, die sich als Alternativen zum hegemonialen Angebot – als „frei“, „autonom“ oder „alternativ“ – verstehen, auseinander zu setzen, hält der ÖMVB offenbar nicht für nötig. Potenzielle Mitgliedsmedien sollen sich lediglich „sozial verantwortlich fühlen und den Aspekt der Partizipation besonders berücksichtigen“; auch im etwas ausführlicheren „Working paper Freie Medien“ kann sich so gut wie jedes Medium wiederfinden, das innerhalb des Verfassungsbogens agiert.

Auch ein Gespräch mit Martin Aschauer, Präsident des ÖMVB, ergibt letztlich lediglich, dass eine Reflexion der eigenen Arbeit und eine Analyse der unterschiedlichen Funktionsweisen von Medien und des (medien-)politischen Kontexts, in dem man agiert, schlicht nicht stattfindet. Denn laut Aschauer ist die oben zitierte Definition mit der Radio-Charta praktisch identisch: „Das steckt alles in unserer Definition. Wir haben bestimmte Sachen nicht hineingeschrieben, weil wir der Meinung sind, dass das Standard ist. [...] Wir definieren uns nicht unbedingt als links, aber auch nicht als rechts, weil sich das eh von selbst versteht, dass das, was die FPÖ macht, abzulehnen ist.“ Dieselbe Beliebigkeit, Widersprüchlichkeit und Ungenauigkeit findet sich in allen programmatischen Äußerungen des ÖMVB, nirgends wird schlüssig erklärt, was potenzielle Mitgliedsmedien eigentlich von „Mainstream-Medien“ unterscheidet – außer, dass sie (derzeit) klein sind und kein Geld haben. Was sich aber ändern soll, schließlich verfolgt man weder Gemeinnützigkeit noch Nichtkommerzialität, sondern eine „sozial verantwortliche Gewinnabsicht“.

Fazit

Ärgerlich ist das alles aus Sicht der Freien Radios und der Medien, die eine demokratische Öffentlichkeit jenseits von Marktinteressen und sozialen Ausschlussmechanismen herstellen wollen, v. a. deshalb, weil hier eine Begrifflichkeit in einer Weise instrumentalisiert wird, die diesem Selbstverständnis absolut nicht entspricht. Gleichzeitig erweist der ÖMVB Interessenvertretungen wie dem Verband Freier Radios einen Bärendienst, indem er mit derselben Begrifflichkeit z. T. analoge Forderungen an die Politik richtet, allerdings aus einem völlig anderen, und v. a. nebulösen Selbstverständnis heraus. Trotzdem hat der sogenannte Tag der Freien Medien gezeigt, dass auch innerhalb des Mediensegments, das sich mit der emanzipatorischen und gemeinnützigen Definition von „Freie Medien“ identifiziert, ein Bedürfnis nach Kommunikation und Vernetzung besteht. Um eine solche Vernetzung sollten wir uns aber wohl selber kümmern.

Links
Freie Radios
Medienverband

Veronika Leiner ist seit langem im Kontext der Freien Radios aktiv und arbeitet für das Kulturzeitschriftennetzwerk Eurozine

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