Eine Kulturarbeit am Land

Kultur ist für die Entwicklung und Lebensqualität vor allem in einer Gemeinde ein unverzichtbarer Baustein. Kulturinitiativen prägen das Leben in Gemeinden ganz entscheidend mit. Damit Programm-Entwürfe wie diese nicht nur leere Worthülsen bleiben, bedarf es der gemeinsamen Anstrengung aller Akteure, sowohl der Kreativen wie auch der Fördergeber.

(…) Kunst und Kultur schaffen bekanntermaßen einen Beitrag zur Identität eines Landes, steigern die Attraktivität des Standorts, fördern die urbane und die regionale Entwicklung, leisten einen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung eines Landes und dienen als Gradmesser für eine hohe Lebensqualität. (…)“ (Christoph Thoma)

Kunst und Kultur hat keine Vorurteile

Wenn in der Stadt über Kultur in der Region gesprochen wird, hat man oft mit Vorurteilen zu kämpfen, weil angeblich am Land außer sogenannter Volkskultur und Blasmusik nichts stattfindet. Dies bedeutet nicht, dass kulturelles Brauchtum keine wichtige Rolle für eine Region spielt – denn das tut er sehr wohl. Oftmals ist es einfach ein unzureichender Blick des urbanen Raums gegenüber der Region, der diese Voreingenommenheit schürt.

Kultur ist für die Entwicklung und Lebensqualität vor allem in einer Gemeinde ein unverzichtbarer Baustein. Kulturinitiativen prägen das Leben in Gemeinden ganz entscheidend mit. Vielfältige kulturelle Angebote mit professionellen künstlerischen Programmen, gestaltet von am Land lebenden Kulturschaffenden, kennzeichnen eine Gemeinde als weltoffen.

Laut Christoph Thoma schafft Kunst nicht nur gesellschaftliche Werte, „(…) Kunst hat einen Wert und dieses Bewusstsein gilt es zu steigern (…)“, er verweist dabei nicht nur auf professionelle Kunstschaffende „(…) auch Amateure schaffen Werte, insbesondere wenn es darum geht, ehrenamtliches Engagement und Vereinsarbeit als Sozialkapital zu begreifen“ und er ergänzt, „dass eine Gesellschaft kreative Menschen benötigt, die mit Kunst gesellschaftliche Themen aufgreifen. Und diese schlichtweg fair zu bezahlen sind“.

In vielen Gemeinden gibt es aufgrund von Bürgerbeteiligungsprozessen die Möglichkeit, am kulturellen Leben im Ort mitzuwirken. Kulturschaffende werden aufgrund ihrer Expertise und ihres Engagements eingeladen bei Projekten mitzuarbeiten und diese mitzutragen. Vielerorts wurden, angesichts des Stellenwertes von Kunst und Kultur in einer Gemeinde eigene Ausschüsse für diese Bereiche installiert. Eine Zusammenarbeit in dieser Form schafft eine stabile und sichere Basis für nachhaltige Kulturarbeit am Land, die in weiterer Folge diverse Möglichkeiten für Kulturschaffende bietet.

 

PolitikerInnen für Kultur gewinnen

Eine „(…) strategische Förderung von Kunst und Kultur für regionale Identität, Attraktivität für Zuzug, Arbeit und Wertschöpfung ist erfolgsentscheidend. (…) Ein starkes Kultur-Land schafft mehr Chancengleichheit gegenüber Städten in kulturellen Fragen und erhöht Potentiale und Attraktivität des ländlichen Raums. Davon sollen alle profitieren, die am Land leben bzw. künftig dort leben wollen.“ (Bundesministerium Landwirtschaft, Regionen & Tourismus)

Kulturpolitik sollte Kulturschaffende zur Kulturvermittlung ermutigen, zu Kooperationen anregen und vor allem eines tun - Neues zulassen. PolitikerInnen müssen auf allen Ebenen dazu gewonnen werden, und sich mit Kunst und Kultur ernsthaft auseinandersetzen. In einigen Gemeinden beschäftigt sich die Politik bereits mit dieser Thematik. Was aber nicht bedeutet, dass automatisch alle PolitikerInnen eine positive Einstellung über Kunst und Kultur teilen. Kultur ist nichts für Sonntagsreden oder Restposten eines Gemeindebudgets. Wenn eine Gemeinde sich über Kunst und Kultur definiert, ist es eine Chance aktiv und langfristig den ländlichen Raum zu gestalten.

Ohne die Verfügungstellung von Veranstaltungsstätten seitens einer Gemeinde gibt es wenig Möglichkeiten Kunst und Kultur zu vermitteln. Ebenso unabdingbar sind Büro-Räumlichkeiten für organisatorische Tätigkeiten, um eine qualitative Kulturarbeit zu ermöglichen. Aber nicht nur Gemeinden können Infrastruktur zur Verfügung stellen. Aufgrund der Offenheit von anderen Institutionen gegenüber Kulturinitiativen ergeben sich weitere Kooperationen wie beispielsweise die Nutzung von leerstehenden Gebäuden für Veranstaltungen oder als Ausstellungsflächen.

Der Schwerpunkt der Fördermaßnahmen liegt leider Großteils noch immer zu sehr bei importierten Kulturangeboten aus dem urbanen Bereich und nicht bei der Entwicklung von eigenen Kultur- und Kunstprojekten im ländlichen Raum, obwohl gerade diese verantwortlich für vielfältiges kulturelles Angebot sind, das professionelle künstlerische Programme ebenso enthält, wie die Kulturarbeit von Laien.

 

Das Bildungssystem braucht Kultur

Wenn eine Kulturinitiative hauptsächlich als Veranstalter agiert, also bei kommerziellen Agenturen fertige Programme bucht und auf den Veranstaltungsplan ihres Hauses setzt, ist das weniger spannend, als wenn sie auch selbst Formate entwickelt und produziert, die sich Mittel der Kunst und Kultur bedienen.“ (Sabine Kritsch-Schmall)

Die Kreativität der Menschen muss sich vor Ort entwickeln können. Wissen lässt sich von überall abrufen, Kreativität hingegen nicht. Dahingehend hat die kulturelle Bildung in einer Gemeinde für Wissenserwerb, Persönlichkeitsbildung, Kreativität und Nachhaltigkeit eine wichtige Bedeutung. Ziel muss es sein, Kunst und Kultur stärker im heutigen Bildungssystem allgemein, aber auch vor Ort gut zu verankern.

Gelingen kann dies nur, wenn Kreativität sowie kulturelles Interesse so früh wie möglich geweckt und gefördert werden. Um Heranwachsenden eine gute Kunsterziehung zu vermitteln, müssen sie die Möglichkeit bekommen, sich in kulturellen Prozessen einzubringen. Damit sie ihre eigenen Fähigkeiten, Fantasie und Kreativität entdecken können, müssen sie ein aktiver Teil des Geschehens werden. Elementar ist es, ihnen möglichst früh die Scheu zu nehmen, sich mit Kunst und Kultur auseinanderzusetzen.

Kooperationen mit Schulen sind für Kulturinitiativen eine gute Möglichkeit sich im Bereich Bildende Kunst praxisbezogen einzubringen, vorausgesetzt Schulen und Pädagogen sind dieser Art der Kunstvermittlung gegenüber offen. Ausstellungsbesichtigungen für und mit Schulklassen bieten die Chance, das Interesse für Kunst allgemein, Kunstgeschichte oder zeitgenössische Kunst zu fördern. Mit SchülerInnen muss ein Dialog über das Kunstwerk oder die KünstlerInnen stattfinden, dabei dürfen sie keine Angst haben, etwas Falsches zu sagen.

Kulturinitiativen als kulturelle Nachversorger leben ebenso wie viele andere Vereine vorwiegend von ehrenamtlichem Engagement. Aber von Ehrenamtlichkeit allein kann eine Kulturinitiative am Land auf lange Sicht nicht überleben. Die Verbesserung von Rahmenbedingungen und die Schaffung einer Infrastruktur abzusichern ist umso wichtiger um zukünftig gut gebildete und kreative Köpfe in ländlichen Regionen zu behalten. Junge talentierte Menschen ziehen für weiterführende Ausbildungen sowie berufliche Chancen in den städtischen Raum. Aufgrund langjähriger Beziehungen, vor allem im Jugendalter, kommen exakt diese Personen für temporäre Projekte von Kulturinitiativen immer wieder zurück – was für eine nachhaltige Kulturarbeit am Land spricht.

 

Kultur ist mehr als ein Schlechtwetter-Programm

Die ländlichen Räume müssen ständig attraktiver und kreativer werden, denn Kreativität und Kultur sind Schlüsselfaktoren für eine individuelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Kultur ist deshalb auch ein unverzichtbares Gut für Regionen und ihre einzelnen Gemeinden. Deshalb dürfen sich kulturelle Angebote und Schwerpunkte nicht auf urbane Ballungsräume beschränken.“ (Bundesministerium Landwirtschaft, Regionen & Tourismus)

Kultur ist eine wichtige Triebkraft für den Tourismus. Sie prägt die Identität einer Region. Wenn Tourismusverantwortliche die Kulturinstitutionen als gleichwertige Partner in der Wertschöpfungskette für einen nachhaltigen Tourismus betrachten, ist Kunst und Kultur mehr als ein Schlechtwetterprogramm.

Egal ob es um die kulinarische Verköstigung des Publikums bei Veranstaltungen, die Arbeit oder Materialien für ein Bühnenbild, die Zusammenarbeit mit Grafikagenturen oder Druckereien geht – der Kreislauf von Nachhaltigkeit steht und fällt mit der Zusammenarbeit von regionalen Produzenten. Natürlich unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und Qualität. Regionale Produzenten finden sich außerdem in dem ein oder anderen Mitglied sowie in Sponsoren wieder.

Je innovativer Formate in ihren künstlerischen Ansätzen sind und je mehr Spartengrenzen übersprungen werden - desto besser. Vielfältige Kulturarbeit im ländlichen Raum entsteht vor allem dann, wenn Kulturschaffende aus den verschiedensten Kunstbereichen und Menschen mit fachlichem Wissen sich zusammenschließen. Diese Arbeit sowie personelle Ressourcen sollten auf vielfache Weise unterstützt und wertgeschätzt werden.

Zahlreiche Kunst- und Kulturinstitutionen in der Region produzieren seit Jahrzehnten Kunst und Kultur in erstklassiger Form. Vielerorts scheitern Kulturinstitutionen jedoch, weil vorhandene Synergien nicht genutzt werden. Wenn Kulturvereine innerhalb einer Region zusammenarbeiten und den Tourismus als Kooperationspartner und nicht als Konkurrenzveranstalter sehen, können neue Formate entstehen.

Die Nachhaltigkeit eines Kultur-Land zeigt sich zudem bei der Bildung von Synergien. Damit Programm-Entwürfe wie diese nicht nur leere Worthülsen bleiben, bedarf es der gemeinsamen Anstrengung aller Akteure, sowohl der Kreativen wie auch der Fördergeber.

Cornelia Waltl ist seit 2019 verantwortlich für die Koordination der einzelnen Projekte der Kulturinitiative Kürbis Wies.