In den Vorstand eines Kulturvereins einsteigen? Vorsicht ist geboten, Panik jedoch nicht.
Natürlich, das Erste, woran man denkt, ist die Haftung. Aber von welcher Haftung reden wir überhaupt? Es gibt die Haftung nach innen, gegenüber dem Verein, und die Haftung nach außen. Bei der Haftung nach innen geht es ganz einfach darum, einen übernommenen Job ordentlich und pflichtgemäß zu machen; tut man das nicht und fügt dem Verein dadurch Schaden zu, so kann dieser einen Schadenersatzanspruch haben. Komplexer – und auch mehr gefürchtet – ist die Haftung nach außen, also gegenüber Dritten. Denn die kann sehr schnell schlagend werden, nicht aber, wenn man alles richtig macht.
![Rechtsauskunft zu Haftungsfragen im Kulturverein, Gastbeitrag RA Dr. Thomas Höhne](/sites/default/files/styles/huge/public/news/images/2025-01-27/Postbild-1-4.png?itok=_wNJ09Hf)
- Der erste Schritt: Was ist das überhaupt für ein Verein, in den ich da einsteige? Also: her mit den Statuten und allfälligen sonstigen Regelwerken (z.B. Geschäftsordnung, interne Geschäftsverteilung) – wofür bin ich zuständig? Bin ich laut Statuten für den Verein vertretungsbefugt? Denn das ist für einige Haftungen wichtig.
- Der zweite Schritt: Wie ist der Verein überhaupt organisiert, gibt es neben dem Vorstand eine eigene Geschäftsführung, gibt es Angestellte? Welche wichtigen laufenden Verträge, wie etwa Mietvertrag, gibt es? Gibt es laufende Förderungen? Und gibt es vielleicht Förderverträge, in denen eine persönliche Haftung des Vorstands steht? Apropos Geschäftsführung: Wenn es neben dem Vorstand eine Geschäftsführung gibt, so ist diese in aller Regel nichts anderes als ein Erfüllungsgehilfe des Vorstands. Es ist der Vorstand, der dem Verein als Kollegialorgan verantwortlich ist, und die Handlungen der Geschäftsführung werden dem Vorstand zugerechnet. Und das heißt: Der Vorstand hat die Geschäftsführung in entsprechender Weise zu kontrollieren und kann sich, wenn etwas schiefgeht, nicht auf die Geschäftsführung ausreden.
- Der dritte Schritt: Wie steht der Verein finanziell da? Ein Blick in die letzte Einnahmen/Ausgaben-Rechnung, den letzten Jahresabschluss, Gespräch mit dem/der Steuerberater*in (so eine oder einer existiert), gegebenenfalls Auskunft von Finanzamt und Krankenkasse über allfällige Abgabenschulden einholen.
Und jetzt können wir über Haftungen reden.
Wichtig: Eine „automatische“ Haftung von Vereinsfunktionär*innen für Vereinsschulden gibt es nicht. Das Vereinsgesetz selbst verweist lediglich auf andere Gesetze (und auf persönlich übernommene Haftung, wie etwa im Rahmen einer Bürgschaft). Als solche Gesetze sind in erster Linie zu nennen: § 159 Strafgesetzbuch (StGB) – der alte „Kridaparagraph“, die Bundesabgabenordnung (BAO), das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und die Insolvenzordnung (IO) („Konkursverschleppung“).
- § 159 StGB: Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen
Strafbar ist das grob fahrlässige Herbeiführen der Zahlungsunfähigkeit durch kridaträchtiges Handeln. Und dieses kann beispielsweise darin bestehen, dass der Verein kein ordentliches Rechnungswesen hat, das ihm einen zeitnahen Überblick über seine wahre Vermögens- und Finanzverhältnisse geben würde.
§ 69 Abs 2 IO: Insolvenzverschleppung
Liegen die Voraussetzungen für eine Insolvenz vor, also Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Vereins, müssen sofort Schritte gesetzt werden: Prüfen, ob Maßnahmen getroffen werden können, die doch noch zu einer positiven Fortbestehensprognose, wie man das nennt, führen können (radikales Cost-cutting, neue Einnahmenquellen, Geld ausborgen etc.) – oder sofort Insolvenz anmelden. Und dafür sind die im Vorstand Vertretungsbefugten verantwortlich, bei Gesamtvertretung auch jede*r Einzelne. Die Folge einer Insolvenzverschleppung wären Schädigung der Gläubiger*innen und konsequenterweise deren Schadenersatzansprüche gegen jene Personen, die die Insolvenz verschleppt haben. Und genau deshalb muss ein neues Vorstandsmitglied wissen, wie es um den Verein steht.Wenn es dem Verein schlecht geht, darf er auf keinen Fall bestimmte Gläubiger*innen (nur weil sie lästig sind) bevorzugen. Wenn schon nicht Insolvenz angemeldet wird, dann dürfen jedenfalls Gläubiger*innen nur anteilsmäßig befriedigt werden. Gläubigerbevorzugung macht haftbar!
§ 9 Abs 1 BAO:
Die vertretungsbefugten Mitglieder des Vorstands haften, wenn der Verein kein Geld mehr hat, um Steuern und Abgaben zu zahlen, wenn diese Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertreter*innen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Für in der Vergangenheit nicht bezahlte Steuerschulden gibt es natürlich für neu in den Vorstand Eintretende keine Haftung. Aber es könnte eine Pflichtverletzung sein, wenn diese Schulden in der Zukunft nicht bezahlt werden – auch das also ein Grund, sich mit den Finanzen des Vereins zu beschäftigen.Übrigens: Der Austritt aus dem Vorstand schützt nicht vor Haftungen für jene Zeit, in der man im Vorstand war!
- § 67 Abs 10 ASVG: Und genau dasselbe gilt für Schulden bei der Krankenkassa. Der Sozialversicherung Dienstnehmerbeiträge vorzuenthalten, ist darüber hinaus sogar strafbar (§ 153c StGB). Allerdings gibt es die Möglichkeit, im Vorstand explizit nur eine bestimmte Person für die Einzahlung dieser Beiträge verantwortlich zu machen. Dann sind die anderen aus dem Schneider.
Und noch einmal zurück zum Unterschied zwischen der Haftung nach innen und der nach außen: Gegenüber dem eigenen Verein haften unentgeltlich tätige Personen (die klassischen Ehrenamtlichen) nur für Vorsatz und grobe, nicht aber leichte Fahrlässigkeit. Nach außen gibt es diese Differenzierung nicht!
Und weil von der Geschäftsführung die Rede war: Ist die Geschäftsführung von den Statuten zur Vertretung des Vereins berufen (und steht daher auch im ZVR), gelten diese Haftungen (nach StGB, IO, BAO, ASVG) ganz genauso wie für die vertretungsbefugten Vorstandsmitglieder. Ist die Geschäftsführung aber nur aufgrund einer intern erteilten Vollmacht zu bestimmten Vertretungshandlungen befugt und steht nicht im ZVR, dann gibt es grundsätzlich keine Haftung nach außen, sehr wohl aber gegenüber dem Verein, wenn man Mist gebaut hat.
Dr. Thomas Höhne ist Spezialist für Vereins- und Verbandsrecht sowie Informations- und Medienrecht. Er ist Partner von Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. www.h-i-p.at, www.vereinsrecht.at