Whose Idea Was This Anyway?

In einer kapitalistischen Logik ist selbst „Kultur“, sowohl materiell als auch immateriell, als Produkt zu verstehen. So wird in der Kultur- und Wissensproduktion von einem Schutz der eigenen Güter und Ideen gesprochen. Eingebettet in diese Logik ist die Selbstverständlichkeit, dass alles in Bezug zu Eigentum und Besitz gestellt wird.

Das System des (geistigen) Besitzes mit indigenous scholars kritisieren.

In einer kapitalistischen Logik ist selbst „Kultur“, sowohl materiell als auch immateriell, als Produkt zu verstehen. So wird in der Kultur- und Wissensproduktion von einem Schutz der eigenen Güter und Ideen gesprochen. Eingebettet in diese Logik ist die Selbstverständlichkeit, dass alles in Bezug zu Eigentum und Besitz gestellt wird.

Unser aller Eigentum

An dieser Stelle könnte argumentiert werden, dass es auch die commons (so etwas wie Gemeingut) gibt, das heißt Güter und Ideen, ob materiell oder immateriell, die allen gehören. Es hinterfragt zwar den Besitz von einzelnen (Rechts-)Personen, führt aber zugleich das Prinzip des Besitzes fort, der auf die Allgemeinheit übergeht. Besitz wird zwar umgedeutet, bleibt als Grundprinzip jedoch erhalten. Wie stark ist Besitz in Wissensproduktion eingeschrieben? Klar ist jedenfalls, dass wir dieses System des Besitzes nicht loswerden. Entscheidend ist aber, wie wir es verhandeln und reflektieren – sowohl einzeln als auch kollektiv, sowohl anhand von Gütern aber auch von Ideen, in der eigenen alltäglichen Realität und darüber hinaus. In diesem Zusammenhang können wir eine Menge von Widerstand und Kritik beispielsweise von indigenous scholars lernen, die sich mit Ausbeutung und Herrschaft im Namen der Wissenschaft und des Besitzes von „Wissen“ im kolonialen und imperialen Kontext sowohl in der Geschichte als auch in der Gegenwart auseinandersetzen.

Das Zentrum Europa

Wenn „Europa“ (Heute: die EU) der Aussichtsturm ist, von dem aus alles betrachtet wird, bildet dieses Panorama die Grundlage für eine eurozentristische Bedeutungsgebung, Wissensproduktion und Kanonisierung. Diese Sicht/weise und die damit verbundenen Werte auf die gesamte Welt, den sogenannten „Rest“, zu übertragen, resultiert in Eurozentrismus. Gleichzeitig ist es unerlässlich, anzuerkennen, dass es „Wissen“ und Sicht/-weisen gibt, die seit der sagenumwobenen „ersten kolonialen Begegnung“ unter anderem mit Menschen jenseits des Atlantiks, im Umlauf sind: kritische indigene Sicht/weisen sowie unzählige Wissenssysteme.

Der Aufruf, sich mit diesen Sicht/weisen und Wissenssystemen zu beschäftigen, ist weder ein humanistisches Projekt, noch eine Aufforderung, ein ausgeprägtes ethnografisches Interesse zu entwickeln, sondern diese als politische Realität zu begreifen und die Verlinkungen von dem, wie wir Wissen definieren, und dem, was wir als „schützenswert“ (in Diskussionen zu Copyright/Urheberrecht) betrachten, schärfer in den Blick zu nehmen und diese Fragen bei den politischen Forderungen auch von Kulturarbeiter_innen im österreichischen Kontext einzubeziehen.

Zusammendenken

Wenn wir Copyright mit Kritiken an Kolonialismus zusammendenken, beschäftigen wir uns nicht nur mit einer Kapitalismuskritik, sondern auch mit einer langen Geschichte strategischer Auslöschung und Vereinnahmung auch von sogenanntem „kulturellem“ Wissen. Kritische Indigene Studien – das heißt, Forschungen, die versuchen, in gesellschaftliche, kulturelle und vor allem akademische Wissensproduktion und deren Nach- und Auswirkungen zu intervenieren, diese aus indigener Perspektive zu problematisieren sowie neue Entwürfe, Ansätze und Allianzen zu etablieren versuchen – unterstreichen an dieser Stelle, dass Wissen an sich nicht in Kategorien wie kulturelles Wissen, wissenschaftliches Wissen usw. aufgeteilt werden kann, da diese künstliche Unterteilungen die Zusammenhänge und Verwobenheit von Wissenssystemen insgesamt von deren Geschichte(n), von den Menschen, die diese weiter getragen haben, vom Landstrich usw. trennen. Seit der „Entdeckung“ wird das, was von Europa aus als „indigenes Wissen“ definiert wird, von einer eurozentrischen Sichtweise aus bestimmt und dokumentiert, oft mit dem Argument der „Erhaltung“ oder des kulturellen „Schutzes“. Einige indigene sowie critical race-Wissenschafter_innen setzen dem entgegen, dass diese Haltung und die daraus resultierenden dominanten Praktiken „das“ Wissen und gleichzeitig die Personen, die dieses Wissen haben, ausschließlich als „Objekt“ der Forschung usw. verstehen. (1) Innerhalb dieser Logik können indigene Menschen nie als Subjekte auftreten, da sie in ein passives „Warten“ eingemeißelt werden – ein Warten darauf, „entdeckt“ und „dokumentiert“ zu werden. Ein Versuch, „Wissen“ nicht in Stücke zu sezieren und einer Taxonomie des Wissens zu entgehen, ist es, mit dem Begriff „Wissenssystem“ zu arbeiten, der Wissen differenziert auffächert und eine eigene Subjektivität der wissenden Menschen darin beinhaltet.

Wissenssysteme

In „Dominating Knowledge diskutiert Stephen Margelin (1990) vier Merkmale von Wissenssystemen: Epistemologie (eine Theorie des Wissens, die uns Einblick in das gibt, was als Wissen „zählt“ und wie wir wissen, was wir wissen); Übertragung (Umgang damit, wie Wissen vermittelt oder angeeignet wird, wie es gelehrt und gelernt wird); Macht (extern im Sinne der Relationen zwischen Wissenscommunitys untereinander, und intern im Sinne davon, wie Mitglieder einer bestimmten Wissenscommunity Wissen an andere Mitglieder weitergeben); und Innovation (etwa das, was als Wissen verstanden, verändert bzw. modifiziert wird). Diese vier Elemente stehen in Wechselbeziehung zueinander und bilden zusammen einen nützlichen konzeptionellen Parameter, um vorherrschende und indigene Wissenssysteme zu beschreiben und deren Unterschiede herauszuarbeiten.

Eigentumsrecht als patriarchales, eurozentristisches Regelwerk

In „Science, Colonialism, and Indigenous Peoples. The Cultural Politics of Law and Knowledge“ beschreibt Laurelyn Whitt (2009) das Ineinanderwirken und die Verwobenheit indigener und westlicher Wissenssysteme. In ihrer kritischen Auseinandersetzung liest sie Intellectual Property Rights (IP) im Zusammenhang mit Formen von Biokolonialismus (2) und die Gesetzförmigkeit von Besitz und Eigentum mit dem Hinweis, dass dies nicht nur im lokalen oder gar nationalen Kontext, sondern immer im transnationalen Kontext untersucht werden müsse.

In diesem Themenkomplex fließen (Natur-)Wissenschaften und Kapitalismus, vermittelt durch ein System des geistigen Eigentums ineinander. Geistiges Eigentum beschreibt Whitt als „nichts als eine Patina der Rechtfertigung für wissenschaftliche Praxen und Politiken, welche die Bedürfnisse mächtiger Konzerne direkt oder auch indirekt bedienen“. Die Geschichte der Einführung einer Politik von Besitz ist zugleich eine Geschichte der Etablierung von Machtasymmetrien, Mechanismen sozialer Kontrolle, Transaktionen von Gütern, Ausbeutung und Aneignung. Die Zerteilung eines komplexen und an sich vernetzten Konzepts wie „Wissen“ in unterschiedliche, individuelle Arten von Wissen ermöglicht unterschiedliche Hierarchisierungen, die nicht nur eurozentristisch genutzt werden. Denn diese Aufsplitterung ist instrumentell, um bestimmte geschlechtliche und sexuelle „Normen“ als zeitlos und natürlich zu etablieren, und bestimmtes, selektives „Wissen“ darüber zu kanonisieren.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es für queer-feministische, dekoloniale, aber auch für Kämpfe um Rechte für Kulturarbeiter_innen hier in Europa nützlich ist, den Umgang mit Wissen zu reflektieren. Wie „Wissen“ definiert, dokumentiert oder gar unter Schutz gestellt wird, hat vielfältige und weit reichende Konsequenzen, und je genauer wir uns mit diesem „Machtinstrument“ beschäftigen und die Zusammenhänge erkennen, desto besser können wir unsere eigene Methoden und Politiken verfeinern und Allianzen bilden. Hier wird deutlich, dass wenn emanzipatorische Projekte die Verwobenheit „unterschiedlicher“ Formen des Ausschlusses und der Disziplinierung in den Blick nehmen, die eigene Positionen und die Handlungsmöglichkeiten darin zwar komplexer, jedoch auch klarer werden. Die Vorstellung der terra nullius ist auch ein Grundstein der modernen Konzeption von intellectual property, denn diese Doktrin besagt, dass es Land gibt, das „niemandem gehört“, das heißt von niemandem bewohnt bzw. beackert wurde. Diese Tradition der Verlinkung des Eigentums der Menschen mit sich selbst (bewohnen) und ihrer Arbeit (beackern), die sie berechtigt, ein angemessenes Stück Land zu nehmen, um sich selbst zu erhalten, kommt ganz klar in John Locks „2nd Treatise of Government“ (1690) zum Ausdruck: „As much land as man tills, plants, improves and cultivates, and can use the product of, so much is his property. He, by his labor, as it were, inclose it from the Common. [...] Land that is left wholly to Nature that hath no improvement of Pasturage, Tillage or Planting is called, as it indeed is, waste…“ [Literaturhinweis für das Zitat]

Wenn wir also nicht über das „traurige, jedoch absehbare Aussterben“ von ganzen Sprachen, Geschichte(n) oder Wissensbeständen sprechen, sondern über die Wichtigkeit, dies festzuhalten, zu archivieren, zu dokumentieren, auszuwerten und zum Wohl der gesamten Menschheit weiter zu verwerten (sei dies ökonomisch oder auch humanistisch motiviert), befinden wir uns immer noch auf dem Aussichtsturm von Europa. Eine Alternative dazu ist, nicht nur die Sicht zu wechseln, sondern die Sinne im Allgemeinen zu öffnen und die Arbeit von indigenen Aktivist_innen, Wissenschafter_innen usw. mit einzubeziehen, um erweiterte Perspektiven auf Eigentum/Besitz, Kollektivität, kulturelle Kompetenz, Wissen usw. zu entwickeln.

Fußnoten

(1) Siehe zum Beispiel Da Silva 2007; Cook-Lynn 1998; Grande 2004; Smith 1999.

(2) Wie zum Beispiel das Human Genome Diversity Project, das die Migrations- und Evolutionsgeschichte der Menschheit versuchte zu dokumentieren, indem DNA weltweit unter „informierter Zustimmung“ gesammelt und ausgewertet wurde. Das Projekt hat insbesondere ethische Diskussionen aufgrund der Information und Kommunikation mit Teilnehmer_innen von indigenen Communitys hervorgerufen und ist letztendlich nicht fertig gestellt worden.

Erika Doucette glaubt auch, dass wir anders können und sucht Wege und Rahmen, um dies umzusetzen. Viele Möglichkeiten tun sich in der Auseinandersetzung mit Critical Indigenous Studies, Postkolonialer Kritik, queer-feministischen und antirassistischen Praktiken auf.

Literatur

Cook-Lynn, Elizabeth (1998): „American Indian Intellectualism and the New Indian Story“. In: Devon Mihesuah (Hg): Natives and Academics: Researching and Writing about American Indians. Lincoln: Univ. of Nebraska Press.

Da Silva, Denise Ferreira (2007): Toward a Global Idea of Race. Minneapolis: University of Minnesota Press.

Driskill, Qwo-Li/Chris Finley/Brian Joseph Gilley/Scott Lauria Morgensen (2011): Queer Indigenous Studies. Critical Interventions in Theory, Politics, and Literature. Tuscon: Univ. of Arizona Press.

Grande, Sandy (2004): Red Pedagogy. Lanham: Rowman and Littlefield.

Lock, John (1690): 2nd Treatise of Government.

Margelin, Stephen A./Frédérique Apffel Margelin (Hg.) (1990): Dominating Knowledge. Development, Culture and Resistance. Oxford: Clarendon Press.

Smith, Linda Tuhiwai (1999): Decolonizing Methodologies. London: Zed.

Whitt, Laurelyn (2009): Science, Colonialism, and Indigenous Peoples. The Cultural Politics of Law and Knowledge. Cambridge: Cambridge University Press.

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