VorRisse

Spätestens seit dem Erfolg der Piratenpartei bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im vergangenen Herbst bzw. seit den Protesten gegen das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) im heurigen Frühjahr sind sie wieder in aller Munde: die Debatten um Urheber- und Verwertungsrechte und ihre längst überfällige Reform.

Spätestens seit dem Erfolg der Piratenpartei bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im vergangenen Herbst bzw. seit den Protesten gegen das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) im heurigen Frühjahr sind sie wieder in aller Munde: die Debatten um Urheber- und Verwertungsrechte und ihre längst überfällige Reform. Geschickt zu nutzen wusste diese Welle öffentlicher Aufmerksamkeit zuletzt auch die von österreichischen Verwertungsgesellschaften initiierte und finanzierte sowie von einigen KünstlerInnen unterstützte Kampagne Kunst hat Recht. Bestehende Probleme – wie insbesondere die prekäre ökonomische Lage von KünstlerInnen – sollen dieser zufolge jedoch weniger durch eine nachhaltige Reform, denn vielmehr durch eine konsequentere Durchsetzung existierender Urheberrechte gelöst werden. Obgleich in ihren Forderungen etwa nach einer Festplattenabgabe und Vorratsdatenspeicherung vage, hat die Initiative in den letzten Monaten viel medialen Staub – und noch mehr heiße Luft – aufgewirbelt.

Die Kulturrisse nehmen das zum Anlass, um dem – im Anschluss an die in Heft 1/2007 bzw. Heft 4/2009 geleistete Auseinandersetzung mit dem Thema – eine gehaltvollere Debatte entgegenzustellen. Felix Stalder tut dies im einleitenden Beitrag zum Heftschwerpunkt, indem er die aktuelle Krise des Urheberrechts als Symptom eines tiefgreifenden Wandels der Produktionsmodelle in den Kulturindustrien interpretiert und in ihrer historischen Entwicklung rekonstruiert. Dass dieser Wandel im Sinne der Digitalisierung vor allem ein produktionstechnischer ist, macht in der Folge Paul Stepan klar – und plädiert dabei für lösungsorientierte Ansätze angesichts der historischen Überholtheit bestehender Rechtslagen und Geschäftsmodelle. Inwiefern das Urheberrecht dazu geeignet ist, die in der UNESCO-Konvention zu kultureller Vielfalt festgelegten Ziele zu befördern, fragt im Anschluss daran Monika Mokre in ihrem Artikel. Für ihr negatives Resümee zu dieser Frage zeichnen auch jene Einrichtungen mitverantwortlich, mit denen sich Leonhard Dobusch in seinem Beitrag beschäftigt, nämlich die Verwertungsgesellschaften. Konkret steht dabei deren Umgang mit freien Urheberrechtslizenzen wie etwa Creative Commons im Zentrum seiner Auseinandersetzung. Einem ganz anderen Problem – nämlich jenem der Vermittlung von Urheberrechtsfragen (nicht nur) in der Jugendarbeit – stellt sich alsdann Simone Mathys-Parnreiter. Mit Fokus auf die Probleme vor allem junger MusikerInnen macht sie dabei vor dem Hintergrund der technischen Möglichkeiten und alltäglichen Praxen der Gegenwart auf die Notwendigkeit aufmerksam, einen niederschwelligen Zugang zu den abstrakten und komplexen Fragen des Urheberrechts zu eröffnen. Im letzten Beitrag zum Heftschwerpunkt nimmt schließlich Harald Karl aus Anlass eines aktuellen Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof die Zukunft der sogenannten cessio legis bzw. Legalzession als Kernbestimmung des österreichischen Filmurheberrechts unter die Lupe. Vor dem Hintergrund des Interessenkonflikts zwischen FilmproduzentInnen und -regisseurInnen stellt er hierbei die Frage nach den Chancen für eine zeitgemäße Novellierung der Rechtsmaterie.

Auch in den Beiträgen zur vorliegenden Kulturrisse-Ausgabe bestätigt sich in diesem Zusammenhang der von Monika Mokre in ihrem Artikel herausgearbeitete Umstand, dass in den Debatten ums Urheberrecht stets auch unterschiedliche Vorstellungen von Kunst und Kultur, ja divergierende „Weltverständnisse und Gesellschaftsmodelle“ mitverhandelt werden. Vertieft werden soll unter anderem diese Einsicht bei der Präsentation von Heft 1/2012 der Kulturrisse am Do, 3. Mai im Rahmen einer Podiumsdiskussion im IG Architektur – RAUM (Gumpendorfer Straße 63b, 1060 Wien). Genauere Informationen dazu finden sich demnächst auf der Website der IG Kultur Österreich unter: kulturrisse/features.

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Zur Zeit wird wieder um eine Novellierung des Urheberrechts gerungen, mit der eine bessere Vergütung der Leistungen von Künstler/innen erreicht werden soll. In der vorigen Regierungsperiode ist das Vorhaben ja gescheitert. Die Verhandlungen konzentrieren sich auf die Festplattenabgabe, deren Realisierung eigentlich überfällig ist.
Die Sendung widmet sich den bürokratischen Seiten der Kulturarbeit und bringt euch Fragen zu Vereins-, Gewerbe- und Veranstaltungsrecht, die im Zuge des Knowledge-Cafes „Kultur veranstalten in der Steiermark“ aufgetaucht sind. Der Kulturarbeiter des Monats ist Simon Hafner aka Simon/off, Musiker, dj Labelbetreiber und Radiomacher bei disko404, Mitarbeit beim Elevate Festival und Vorstand der IG Kultur Steiermark. Sein Creative Commons Track „My Love“ begleitet uns durch die Sendung. Zusammengestellt hat sie Marty Huber.
Nach der Wahl ist vor der Wahl, und so wird auch der Themenkomplex Urheberrecht bald wieder aufpoppen, und es ist zu hoffen, dass diesmal die Diskussion ohne den Zeitdruck, einen Gesetzesentwurf noch vor der Wahl durchboxen zu müssen, nun etwas ruhiger und sachlicher verläuft. Immerhin sind wir ja jetzt auch ein Stück weiter und wissen zumindest, was wir nicht wollen, nämlich den Entwurf aus dem Justizministerium, der Anfang 2013 herumgegeistert ist.