Von Nutzen und Aufwand

Es gibt im Unterschied zu Ländern, die ein anderes Staatlichkeitsverständnis haben – skandinavische und ein Großteil der angelsächsischen Länder – große Defizite hinsichtlich des Grundrechts, Einsicht in die eigenen Akten zu bekommen.

Im Auftrag der Ländervertretung der IG Kultur Österreich (IGKÖ) hat Tasos Zembylas, Professor für Kulturbetriebslehre am Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft der Universität Wien, mit Assistenz von Meena Lang die Kulturförderverfahren der Bundesländer und des Bundes in Augenschein genommen und die vergleichende Studie Gut sein, besser werden. Kulturförderung als normative und administrative Herausforderung erstellt. Die Förderverfahren wurden von der Erstberatung der Behörde bis zur Abrechnung und Berichtslegung der abgeschlossenen Förderung untersucht. Mittels konkreter Vorschläge wird versucht, das achtbare Niveau der Kulturverwaltung zu verbessern, um das Verfahren möglichst einfach zu gestalten und Sachlichkeit zu garantieren.

IGKÖ: In Österreich müssen Förderungen um einige Hundert Euro genauso detailliert belegt werden wie Mittel- und Großförderungen. Ob hier Fördersumme und Verwaltungsaufwand in einem angemessenen Verhältnis stehen, ist fraglich. Was bedeutet vor diesem Hintergrund „Good Governance“ in der Kulturförderung?

TZ: „Good Governance“ bezieht sich in diesem Fall auf die Angemessenheit des Einsatzes eines Kontrollinstrumentes. Welche Kontrollintensität adäquat ist, kann nur fallspezifisch überlegt werden. Aus Gesprächen mit KulturbeamtInnen weiß ich, dass es, abgesehen vom Fall Herberstein, bislang keine fahrlässige Krida oder strafrechtlich relevantes Verhalten von FördernehmerInnen gibt. Der generelle Verdacht, KulturförderempfängerInnen würden absichtlich falsch abrechnen, ist also empirisch unbegründet. Die Abrechnungsintensität sollte dem Prinzip der Verwaltungsökonomie nicht widersprechen, Verwaltungsaufwand und Nutzen müssen in einem vertretbaren Verhältnis stehen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der hohe Kontrollaufwand der BeamtInnen nicht automatisch die Ziele der Kulturförderung marginalisiert, weil so eher der Verwaltungsprozess in den Vordergrund rückt. Der Titel der Studie „Gut sein, besser werden“ fordert ein grundsätzliches Bemühen ein, die Verwaltungspraxis zu verbessern. Es ist davon auszugehen, dass Verwaltungsbehörden internes Qualitätsmanagement durchführen. Bislang wurde aber die externe Perspektive, die Lage der FördernehmerInnen, zu wenig berücksichtigt.

IGKÖ: Wie bewertest du die Kulturverwaltungspraxis in Österreich?

TZ: Im internationalen Vergleich können einige positive Aspekte festgestellt werden: Der Bund und jedes Bundesland, mit Ausnahme Wiens, haben Kulturfördergesetze und Richtlinien, aber auch relativ gute Informationsbroschüren und Websites erstellt. Ebenso arbeitet qualifiziertes Personal in den Behörden. Es gibt aber im Unterschied zu Ländern, die ein anderes Staatlichkeitsverständnis haben – skandinavische und ein Großteil der angelsächsischen Länder – große Defizite hinsichtlich des Grundrechts, Einsicht in die eigenen Akten zu bekommen. Genauso ist eine stärke Selbstbindung der Verwaltung an bestimme Standards wünschenswert. Jede Organisation hat Normen, die sie erfüllen möchte, und es gibt keinen Grund, diese Ziele nicht in Form von Selbstbindungsregeln normativ wirksam zu machen. Nicht zuletzt ließe sich auch die Transparenz des Entscheidungsprozesses über Förderansuchen durch Bekanntmachung und präzise Formulierung der Kriterien für die Beurteilung der Förderungswürdigkeit erhöhen. Die Anwendung der Kriterien auf den einzelnen Fall muss nachvollziehbar gestaltet werden.

IGKÖ: Sind die österreichischen Kulturfördergesetze eine angemessene Grundlage der Kulturförderung?

TZ: Kulturfördergesetze, die älter als 20 Jahre sind, weisen oft Merkmale auf, die womöglich heute nicht mehr zeitgemäß sind, wie etwa die Überbetonung der Förderung der Tradition bei gleichzeitiger Marginalisierung der Förderung des zeitgenössischen Schaffens. Auch ist der relativ eng gefasste „bodenständige“ Kulturbegriff angesichts der demographischen Veränderungen der letzten 20 Jahre nicht mehr haltbar. Die dritte allgemeine Schwäche der älteren Kulturförderungsgesetze und -richtlinien ist ihre extrem asymmetrisch angelegte Definition der Beziehung zwischen Staat als Fördergeber und FörderempfängerInnen. Sie definieren sämtliche Verpflichtungen, die die FördernehmerInnen haben, räumen aber wenig grundrechtliche Ansprüche ein und definieren auch weniger die Pflichten des Fördergebers gegenüber den FörderempfängerInnen.

IGKÖ: Wie können neue Public-Management-Konzepte die reale Machtasymmetrie zwischen Fördergeber und FördernehmerInnen ausgleichen?

TZ: Verwaltungsorgane entwickeln sich mehr und mehr zu Dienstleistungseinrichtungen. Es wird zunehmend von ihnen erwartetet, trotz ihres Neutralitätsgebots AntragstellerInnen so zu beraten, dass diese maximale Chancen auf Förderzusage haben. Auf der anderen Seiten müssen zivilgesellschaftliche AkteurInnen, und damit meine ich hier vor allem Organisationen, stärker in Gesetzwerdungs- und Verordnungsprozesse eingebunden werden. Der Staat, die Kulturbehörde, braucht zivilgesellschaftliche PartnerInnen, weil diese über spezifische Kompetenzen verfügen und den eigentlichen Adressaten der Kulturpolitik, den KulturarbeiterInnen und der Bevölkerung, nahe stehen. Es sind immer wieder bestimmte größere Organisationen, die einen Teil der öffentlichen Förderungen bekommen. Das ist legitim, will der Staat bereits geschaffene Infrastrukturen unterstützen, um Kontinuität zu gewährleisten. Die Zielgruppe „Kulturschaffende“ wird so aber nicht in voller Breite erreicht. Noch problematischer ist, dass ein großer Teil der Kulturförderung an die so genannte „repräsentative Kultur“ geht. Die Mehrheit der Bevölkerung, die grundsätzlich auch kulturell aktiv ist, aber auf eine andere Art und Weise, wird dadurch wenig angesprochen.

Die IG Kultur Österreich ist das Netzwerk und die Interessenvertretung der freien und autonomen Kulturarbeit in Österreich.

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