Urheber_innenrechtsnovelle 2013?

Das offenkundige Problem, dass nämlich das Urheber_innenrecht heute praktisches Recht für alle sein müsste, Verwerter_innen und zum nicht kleinen Teil auch professionelle Urheber_innen dies aber nicht zur Kenntnis nehmen wollen, führt notgedrungen zum (versuchten) Verzicht auf die öffentliche Diskussion.

Verhandlungen hinter verschlossenen Türen ...

Das österreichische Urheber_innenrecht wird aktuell überarbeitet, im Frühjahr 2013 soll bereits eine Gesetzesnovelle beschlossen werden. Enthusiasmus braucht da aber nicht aufzukommen: Sowohl die Art der aktuellen Verhandlungen als auch die bisherige Zusammensetzung der Verhandlungsteilnehmer_innen lassen wenig Hoffnung auf mehr als kleine Anpassungen, die durch EU-Richtlinien bzw. das Erkenntnis des EuGH (cessio legis) vorzunehmen sind – ausgenommen die versuchte Durchsetzung der Interessen der Rechteverwerter_innen. Eines lässt sich damit schon am Beginn konstatieren: Die Novelle atmet den vordigitalen Geist des bisherigen Urheber_innenrechts.

Der vorliegende Text ist als Beitrag inmitten laufender Verhandlungen zu sehen und riskiert, im Detail schnell zu veralten, wobei sich die grundlegende Ausrichtung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ändern wird.

Verhandlungen hinter verschlossenen Türen

Das offenkundige Problem, dass nämlich das Urheber_innenrecht heute praktisches Recht für alle sein müsste, Verwerter_innen und zum nicht kleinen Teil auch professionelle Urheber_innen dies aber nicht zur Kenntnis nehmen wollen, führt notgedrungen zum (versuchten) Verzicht auf die öffentliche Diskussion (siehe ACTA).

Konkret sieht das so aus, dass für eine erste Verhandlungsrunde zur geplanten Novelle, auf Basis des Arbeitspapiers (von dem hier noch öfter die Rede sein wird), im Wesentlichen Vertreter_innen der verwertenden Wirtschaft eingeladen sind sowie aufseiten der Künstler_innen die Verwertungsgesellschaften (eine faszinierende Zuordnung, da diese in der Mehrheit dem Interessenausgleich zwischen Urheber_innen und anderen Rechteinhaber_innen verpflichtet sind, nicht aber originär den Künstler_innen). Dazu kommt die Arbeiter_innenkammer (als Summe der Interessen der Konsument_innen) sowie einige Lobbyverbände und -kampagnen, etwa Kunst hat Recht und der Verein für Antipiraterie. Bereits im Sommer und Herbst 2012 gab es Vortreffen in kleineren Runden – mit ausschließlicher Beteiligung der hier genannten. Vertreter_innen der Kunstschaffenden oder der Netz-Communitys stehen dagegen vor den Türen. Das ist umso bedauerlicher, als sich im letzten Jahr zusätzlich zu bestehenden Initiativen (zum Beispiel World Information Institute, CC Österreich oder Quintessenz sowie Interessenvertretungen im Feld der Kunst/Kultur/Freien Medien) zahlreiche neue Akteur_innen konsolidiert oder etabliert haben: beispielsweise die Initiative für Netzfreiheit oder der AK Vorrat, aber auch die Plattform für ein modernes Urheberrecht aus dem Bereich der Hardware-Industrie.

Immerhin spaltet das Thema heutzutage aber auch die Reihen der Wirtschaft: Divergierende Interessen zwischen Providern, Hardware-, alten und neuen Content-Industrien treten immer deutlicher hervor. Was soll aber kommen? Im Folgenden ein kurzer Überblick: auf Basis des Arbeitspapiers wie auch zahlreicher Informations-Schnipsel aus Medien und Politik.

EU-Richtlinien vor Umsetzung?

Da wäre zunächst die Implementierung zweier EU-Richtlinien: der Richtlinie zur Schutzfristverlängerung und die Richtlinie zu den verwaisten Werken. Wir stellen das voran, weil diese Umsetzungspflicht als eigentliche Auslöserin für die Novelle gelten muss: Ohne europäische Verpflichtungen wäre das Beharrungsmoment in Politik wie Verwaltung wohl noch stärker. Neben den Änderungen analog der Vorgaben hinsichtlich Verlängerung der Schutzfristen wird derzeit auch eine Umsetzung der ebenfalls enthaltenen Verpflichtung einer use it or lose it-Klausel vorgeschlagen – allerdings mit absurder Frist: Der erste Vorschlag räumt Urheber_innen frühestens 50 Jahre nach Erstveröffentlichung die Möglichkeit ein, ihren Verwerter_innen die Rechte bei absichtlicher Nichtverwertung wieder (kompliziert und mühsam) streitig zu machen.

Die Umsetzung der Richtlinie zu verwaisten Werken ist dagegen seitens der EU nicht ganz so dringend: Entsprechend sollen die in Aussicht genommenen Änderungen auch erst im Herbst 2014 in Kraft treten.

Cessio legis – Problemfall Filmurheber_innenrecht

Das österreichische Spezifikum im Urheber_innenrecht, die cessio legis, nach der bei Filmen die Verwertungsrechte am Filmwerk automatisch ausschließlich den Produzent_innen und nicht den Filmemacher_innen – also den Urheber_innen – zustehen, ist schon seit Langem umstritten. Im Februar 2012 entschied der europäische Gerichtshof, dass die cessio legis unionsrechtswidrig ist. Eine Gesetzesreparatur im Zuge der Novelle sollte anstehen, derzeit gibt es aber offenbar noch nicht einmal eine diskutable Fassung, die entsprechenden Abschnitte im Arbeitspapier haben den lapidaren Vermerk: Offen. Aus den Vorverhandlungen ist aber bekannt, dass im BMJ eine Vermutungsregel (analog zu Deutschland) favorisiert wird – ohne aber vertragsrechtliche Besserstellungen oder gar Verwertungsbeteiligungen abseits der Produzent_innen zu ergänzen. In den Vorverhandlungen waren nur Produzent_innen eingebunden, die Interessenvertretungen der Filmschaffenden waren dagegen ausgeschlossen, deren Verwertungsgesellschaft VDSF darf zuhören.

Diese Vorgehensweise des Justizministeriums zeigt deutlich, dass eine Gesetzgebung, die Interessen ausgleicht, nicht angestrebt wird. Unter der ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl werden einseitige Interessen bevorzugt behandelt, wie bereits die Klubenquete der VP zum Urheberrecht im Frühjahr 2012 unmissverständlich gezeigt hat. Die Interessen der ursprünglich schöpferisch Tätigen werden nicht adäquat berücksichtigt, die der Verwerter_innen in den Vordergrund gestellt. Das politische Signal ist eindeutig: Es geht um Verwertung, nicht um Produktion, um Kontrolle statt um Zugang zu Kunst und Wissen.

Urheber_innenvertragsrecht

Zur potenziell möglichen Einführung eines Urheber_innenvertragsrechts gibt es aus Politik und BMJ unterschiedliche Signale. Das wäre ja eigentlich begrüßenswert, böte es doch die Möglichkeit, die bereits erwähnte Verhandlungsposition von Künstler_innen gegenüber Verwerter_innen endlich zu verbessern und so ihre Position zu stärken, wenn es um die Verwertung der Rechte aus ihrer Arbeit geht. Angesichts des Diktums aus dem BMJ, dass vertragsrechtliche Änderungen vorgenommen werden, sobald ein Konsens zwischen Urheber_innen und ihren Verwerter_innen vorgelegt wird, ist es wenig verwunderlich, dass eine Einführung nicht einmal zur Diskussion steht – geschweige denn, dass es einen Entwurf gäbe. Eines ist klar: Vertreter_innen der Betroffenen sind, wenn tatsächlich auch zu diesem Punkt verhandelt wird, nicht davon informiert.

Leistungsschutzrechte für Presseverlage

Was das Leistungsschutzrecht für Presseverlage anbelangt, betreiben die Lobbys der großen Akteure im Feld, konkret der Verband österreichischer Zeitungen (VÖZ), dessen Einführung – und auch hier steht Deutschland Pate für den Gesetzesentwurf. Der Hintergrund ist ebenso simpel wie frech: Die Zeitungsverlage finden seit Jahren kein Rezept, um Leser_innen zur Bezahlung von Online-Inhalten zu motivieren. Nicht dass sie das Suchen aufgeben würden, haben sie sich nun aber parallel eine andere Quelle für Einnahmen ausgespäht: Dienstleister_innen, die Leser_innen eine gezielte Suche im gesamten Online-Bereich (nicht nur eines Zeitungshauses) ermöglichen, sollen für die Nutzung von Snippets zahlen, am besten über eine Ergänzung im Urheber_innenrecht, weil dann staatlicher Schutz angerufen werden kann. Das zentrale Problem daran: Weder Zeitungsverlage (die Schutzbedürftigen), noch (gewerbliche) Nutzer_innen lassen sich einfach definieren – und egal wie formuliert wird, stünde damit ein weiterer Baustein in der urheber_innenrechtlichen Durchdringung des Internets fest: Was und in welcher Form veröffentlicht werden kann, bestimmen dann zu keinem kleinen Teil die Medienverlage. Den Autor_innen der Texte wird der Hinweis darauf versagt und die Urheber_innen werden darin beschnitten, über ihre Texte zu verfügen. Hier tritt nur allzu deutlich hervor, dass der Versuch unternommen wird, nicht vorhandene bzw. schlechte Geschäftsmodelle über das Urheber_innenrecht zu reparieren – zulasten der Allgemeinheit. Details sind aber noch nicht bekannt, das Nichtvorhandensein einer Formulierung im aktuellen Arbeitspapier ist allerdings noch kein Hinweis auf eine Absage: In der Tagesordnung steht es sehr wohl, und BMJ und ÖVP haben – geht es nach ihren öffentlichen Aussagen – eine Einführung auf jeden Fall vor (von der SPÖ ist dagegen noch kaum etwas zum Thema zu hören).

Leerkassetten- und andere Speichermedienabgaben

Die Leerkassettenvergütung soll an aktuelle technische Gegebenheiten angepasst und auf sämtliche Speichermedien ausgeweitet werden. Diese Forderung wird von den Verwertungsgesellschaften und der von ihnen initiierten und bezahlten Kampagne Kunst hat Recht seit einiger Zeit lautstark erhoben. Argumentiert wird dies mit einem Rückgang der Mittel aus den SKE-Fonds der Verwertungsgesellschaften, aus denen Künstler_innen soziale Unterstützungsleistungen erhalten bzw. auch um Förderungen ansuchen können. Im Gegenzug dazu soll das Recht zur Privatkopie erhalten bleiben, das sonst mangels Kompensation ernsthaft infrage gestellt werden könnte. Seriöse Berechnungen über die Höhe einer solchen Abgabe und die Frage, was damit abgegolten werden soll, fehlen. Widerstand regt sich nicht nur seitens der Konsument_innen, sondern auch aus den Kreisen des Elektrohandels und der Elektronikfirmen.

Juristisch dauert der Kampf um die Festplattenabgabe allerdings schon länger: Die ersten beiden Versuche, die Festplatte in die Pauschalvergütungssysteme einzubeziehen (einmal über die Leerkassetten-, einmal über die Reprographieabgabe), endeten mit gerichtlichen Abweisungen. Der aktuelle Versuch, die Festplatte in die Leerkassettenabgabe einzubeziehen, ist seit 2010 gerichtsanhängig. Derzeit ist das Verfahren wegen eines Vorlageverfahrens beim EuGH in letzter Instanz unterbrochen. Da die Chancen nicht gut stehen, sollte im Falle eines negativen Urteils dieses durch ein entsprechendes Gesetz überdrippelt werden.

Geht es nach dem aktuellen Arbeitspapier, ist dies in einer sehr offenen Formulierung geplant – statt der gewünschten zehn Millionen würde die Gebühr gleich das Doppelte bringen; mit einem juristisch zu lösenden Haken, der uns noch lange beschäftigen würde, wenn er kommt: Das Opting out (ich nutze das Speichermedium nicht entsprechend den Vorgaben des Gesetzes) soll so weit gefasst werden, dass mit 50 Prozent Ausfall gerechnet wird. Wie genau das nachzuweisen sein soll (und ob zu diesem Zweck gar Festplattenkontrollen kommen sollen), steht nicht im Entwurf.

Rechtedurchsetzung

Bei den Überlegungen zur Rechtedurchsetzung (ein Punkt, in dem auf jeden Fall gesetzliche Verschärfungen vorgesehen sind) dominieren seit Jahren drei Schlagworte: Vorratsdaten, Abmahnwesen und Durchgriff via Provider. Im aktuellen Arbeitspapier sind nur die ersten beiden Punkte thematisiert: Zum einen sollen nicht die eigentlichen Vorratsdaten herangezogen werden, sondern nur zeitlich gesehen die Hälfte. Da durch die somit verschärfte Rechtsunsicherheit Abmahnwellen zu erwarten sind, soll vorsorglich eine Obergrenze von 100 Euro für Anwaltskosten eingeführt werden. Zudem geht es (einstweilen) nur um das Zurverfügungstellen, also den Upload und nicht den Download – den Verrenkungen von Kunst hat Recht folgend und jeder Online-Logik zum Trotz. Dass sich auch auf Urheber_innen-Seite naiverweise zum Teil hartnäckig die Hoffnung hält, dadurch mehr Geld zu verdienen, ist das eigentlich Tragische daran.

Ansonsten …

Daneben sind noch einige Baustellen enthalten – darunter mit der in Gesetz gegossenen „Stellungnahme“ zur Herkunft einer Privatkopie („nicht offensichtlich illegal“) zumindest eine, die uns allen noch viele Sorgen bereiten wird – und tatsächlich sogar vereinzelte Verbesserungen in Bezug auf das Zitatrecht. Insgesamt bleibt festzuhalten: handwerklich nicht schlecht gelöst – in Bezug auf eine gesellschaftliche Struktur der frühen 1990er-Jahre. Das Dumme ist nur: Wir schreiben bald das Jahr 2013.

Dominic Huah lebt und arbeitet in Wien.

Elisabeth Mayerhofer ist politisch-strategische Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich.

Literatur

EuGH-Entscheidung zur cessio legis

EuGH-Urteil bloß „positiver Spirit“? Gernot Schödl (Geschäftsführer VDFS) im Interview. Wiener Zeitung 7.11.2012

Urheberrechtsreform in Österreich: Vorbild Deutschland? Leonhard Dobusch.[enthält Links auf das erste Arbeitspapier zur geplanten Novelle sowie die Einladung zur ersten Verhandlung]

Max-Planck-Institut: Stellungnahme zum Leistungsschutzrecht für Verleger PDF

Laufende Informationen:

AK vorrat
IGEL – Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage (de)
Initiative für Netzfreiheit
irights.info
Kunst gegen Überwachung
netzpolitik.org
La Quadrature du Net

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