Soziokultur, Subkultur, Jugendkultur...

Die Rechtsgrundlage für die neuen Verschärfungen liegen endlich vor. Fakt ist, Kulturakteur*innen können sich auf nichts mehr einstellen, außer dass es immer rigider wird. Was nicht vor sitzendem Publikum dargeboten werden kann, wird mit privaten Partys gleichgesetzt. Für gesellige Zusammentreffen in privater Runde gelten die gleichen Regeln wie für professionelle Kulturangebote ohne Sitzplätze. Ohne Unterstützung droht jahrzehntelange Aufbauarbeit in Bereichen wie der Soziokultur, Subkultur oder Jugendkultur dauerhaft verloren zu gehen.

Corona, Covid, Kunst, Kultur, Veranstaltungen, zugewiesene Sitzplätze

Die Rechtsgrundlage für die neuen Verschärfungen liegen endlich vor. Fakt ist, Kulturakteur*innen können sich auf nichts mehr einstellen, außer dass es immer rigider wird. Verlässliche Informationen werden last-minute veröffentlicht, mit dem Bewirtungsverbot bei Veranstaltungen fällt eine gerade für kleine Kulturvereine weitere zentrale Einnahmenquelle weg, Entschädigungen bzw. Unterstützungen existieren nur im Ankündigungsstatus. Zu behaupten, die aktuellen Verschärfungen hätten keine großen Auswirkungen auf professionelle Kunst und Kultur, ist ein Affront. In der freien Kulturszene stößt die Aufrechterhaltung professioneller Arbeit an die Grenzen des Tragbaren. 

Auch die Nachvollziehbarkeit einiger Bestimmungen, stößt - zumindest im Vergleich zu Regelungen und Unterstützungsleistungen in anderen Bereichen - zunehmend an ihre Grenzen. Warum soll bei Kulturveranstaltungen, bei denen Getränke und Speisen an Verabreichungsplätzen konsumiert werden könnten, ein höheres Infektionsrisiko bestehen als in der Gastronomie – obwohl verpflichtend COVID-19 Sicherheitskonzepte ausgearbeitet und umgesetzt werden müssen? Gerade für kleine Kulturvereine ist der Verkauf von Getränken eine zentrale zusätzliche Einnahmenquelle, um trotz Publikumsbeschränkungen noch irgendwie die Fixkosten abdecken zu können. Warum gibt es bei Buch- und Kunstmessen keine Personenobergrenze, während Vernissagen und Finissagen, die nicht im Sitzen durchzuführen sind, auf sechs Personen beschränkt sind – vollkommen unabhängig von der Raumgröße? Warum werden in Gastronomie und Hotellerie kostenlose COVID-19 Testungen angeboten, nicht jedoch für Mitwirkende bzw. Mitarbeiter*innen von Veranstaltungen bzw. im Kulturbetrieb allgemein? 
 

Bislang ist kein größerer Cluster bekannt, der von einer Kulturveranstaltung ausgegangen wäre. Dennoch werden gerade bei „Veranstaltungen“ die Daumenschrauben besonders fest angezogen. Ob es sich dabei um eine private Party oder ein professionelles Kulturangebot handelt, wird vollkommen außer Acht gelassen. Beides gilt als „Veranstaltung ohne Sitzplätze" und unterliegt denselben Regeln. Kunst- und Kulturangebote werden auf Ausstellungen und Veranstaltungen mit „zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen“ reduziert. Alles was in Kunst und Kultur von Austausch, von Partizipation, von Interaktion lebt wird rhetorisch ausgeblendet und finanziell ausgehungert.

Für jahrzehntelange Aufbauarbeit in Bereichen wie der Soziokultur, Subkultur, Jugendkultur, partizipativer oder dezentraler Kulturarbeit hat dies desaströse Auswirkungen: über Jahre aufgebaute Strukturen und Räume freier Kulturarbeit brechen weg, weil sie nicht mehr finanzierbar sind; Expertise und Know-How gehen verloren, weil in Kunst und Kultur Tätige ihr Auskommen in anderen Bereichen suchen müssen; das Publikum bzw. die kulturelle Öffentlichkeit wandert ab und sucht sich alternative – digitale oder private – Räume. Das Wegbrechen dieser Basis wird das kulturelle Leben in Österreich nachhaltig schädigen. Verhindert werden kann dies nur, wenn finanzielle Sicherheit gewährleistet wird. Dies ist jedoch nicht dar Fall: 
 

Entschädigungen für Einnahmenausfälle, Kompensationen für die unzähligen Umplanungen und covid-bedingten Mehrkosten, Unterstützung zur Bestreitung der aktuell laufenden Fixkosten gibt es nicht. Lediglich eine Ankündigung existiert, dass rückwirkend ab 1. Oktober für gemeinnützige Trägerorganisationen in Kunst und Kultur eine Unterstützung kommen soll, der NPO-Fonds verlängert wird – unter welchen Bedingungen, in welchem Ausmaß und ab wann tatsächlich Geld für die jetzt anfallenden und weiterhin laufenden Kosten fließen wird, ist bislang offen. Ankündigungen alleine zahlen keine Rechnungen. Vorschläge, wie der NPO-Fonds zu überarbeiten werden, um treffsicher zu werden, liegen schon lange auf dem Tisch.   
 

Die Politik hätte es in der Hand, dem drohenden Kahlschlag Einhalt zu gebieten und ein Wegbrechen der kulturellen Basisarbeit zu verhindern. Die Anliegen der freien Kulturarbeit, ihrer Einrichtungen und Akteur*innen, müssen genauso ernst genommen werden wie die Rettung großer Kulturinstitutionen und kommerzieller Veranstaltungsbetriebe. Das zunehmende Gleichsetzen weiter Teile professioneller Kulturarbeit mit geselligen Zusammenkünften ist nicht hinzunehmen. Wenn jahrzehntelange Aufbauarbeit in der freien Kulturarbeit nicht unwiederbringlich zerstört werden soll, muss zumindest finanzielle Sicherheit geschaffen werden. Bislang ist dies nicht der Fall. Die Warnsignale, dass Gefahr in Verzug ist, sind mehr als deutlich zu vernehmen - so sie gehört werden wollen. 

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