Historischer Schulterschluss zur Bekämpfung der Prekarität im Kunst- und Kulturbereich

In kaum einem Sektor mangelt es so stark an sozialer Absicherung wie im Kunst und Kulturbereich. Um dem entgegenzuwirken gibt es nun einen historischen Schulterschluss zwischen IG Kultur und GPA: Die erste Sozialparnerempfehlung für die freie Kulturarbeit. 

Schulterschluss IG Kultur GPA

Der Alltag im Kulturbereich ist geprägt von unsteten Anstellungsverältnissen, niedrigen Honoraren und viel unentgeltlicher Arbeit. Es bestehen keine verbindlichen Mindeststandards. Projektgelder werden häufig nur zu einem Teil bewilligt, das Projekt muss aber vollständig umgesetzt werden. Auch die Auszahlung erfolgt oft erst nach Monaten der Laufzeit. Die Summen decken so gut wie nie eine halbwegs angemessene Bezahlung der Beteiligten. So entstehen gravierende Lücken in Versicherungszeiträumen, womit die Altersarmut lauert. Der Kunst- und Kulturbereich bleibt ein Sektor, mit wenig Großverdienern und einem überwiegenden Großteil am sozialen Rand. 

Soziale Standards die in fast allen Bereichen existieren, sind auch im Kulturbereich möglich. Doch für 98 Prozent der Arbeitnehmenden selbstverständlich ist, fehlt in der freien Kulturarbeit in Österreich bis heute: kollektivvertragliche Sicherheit, die Mindeststandards im Arbeitsleben garantiert. Im Schulterschluss treten GPA und IG Kultur an, einen Schritt in Richtung bessere Arbeitsbedingungen in der freien Kulturarbeit zu setzen und präsentieren die erste Sozialpartnerempfehlung für die freie Kulturarbeit in Österreich. 

Das geht nur, wenn an einem Strang gezogen wird. Das betrifft insbesondere die Politik. Der Sektor ist von öffentlichen Förderungen abhängig – was ja auch Sinn macht, wenn Kunstfreiheit und kulturelle Vielfalt gesichert bleiben soll. Besondere Relevanz kommt der Empfehlung also im Kontext der sogenannten Fair Pay Bestrebungen zu – also dem Ziel von Bund und Ländern, eine faire Bezahlung der Mitwirkenden in der freien Kunst- und Kulturarbeit zu berücksichtigen. Gerade in der freien Kulturszene, die per se nicht auf kommerzielle Verwertbarkeit ausgerichtet ist, spielt das eine entscheidende Rolle. Es darf nicht dieselbe Summe auf weniger Vereine aufgeteilt werden, die Politik ist hier in der Verantwortung, gerechte Arbeitsbedingungen und Entlohnung sicherzustellen. 
 
„Wir sprechen Schätzungen zufolge von bis zu 30.000 Arbeitnehmenden in Österreich, die sich bislang auf keinerlei Mindestlöhne verlassen können und nun eine Grundlage haben, auf die sie sich berufen können“, so Christoph Zeiselberger, der seitens der Gewerkschaft GPA die Sozialpartnerempfehlung ausverhandelt hat. „Erhebungen zeigen, dass die Unterzahlung im Schnitt bei 60 Prozent liegt.  Die Empfehlung definiert aber nicht nur Mindestlöhne, sondern auch klare Empfehlungen zur Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen im freien Kultursektor, von A wie Arbeitszeit bis Z wie Zuschläge.“ „Wenn wir die Arbeitsbedingungen in der freien Kultur tatsächlich verbessern wollen, gelingt dies nur gemeinsam“, betont Yvonne Gimpel, Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich. „Es braucht die Kulturvereine als Arbeitgeber, ihre Arbeitnehmer*innen und die öffentliche Hand in jenen Fällen, in denen die Kunst und Kultur mit öffentlichen Mitteln kofinanziert wird. Selbstausbeutung für einen ganzen Berufszweig darf nicht als selbstverständlich abgetan werden – nicht, wenn sich 98 Prozent der Arbeitnehmenden selbstverständlich auf Mindeststandards verlassen können, und schon gar nicht, wenn wir morgen noch ein unabhängiges und leistbares Kulturangebot haben wollen, das die kulturelle Nahversorgung sichert.“

Auch wenn der politische Weg noch lang ist, so ist damit ist ein entscheidender Vorstoß zu fairer Bezahlung im Kulturbereich gelungen. 

 

Beitrag als Podcast: 
 

Ähnliche Artikel

Bereits in "Warum macht uns Kultur so glücklich?" stellte die Kulturvermittlerin und Pädagogin Sabine Benzer eine These in den Raum, die sie mit verschiedenen Expertinnen und Experten in einem Buch zusammengefasst ausgiebig erörterte. Gut zehn Jahre später und zum 50-jährigen Jubiläum des Theater am Saumarkt Feldkirch setzt sich deren Geschäftsführerin mit bekannten Denker:innen, Autor:innen und Wissenschaftler:innen wie Lisa Herzog, Sabine Kock, Stefanie Gerold, Konrad Paul Liessmann, Michael Hirsch oder Michael Wimmer zu „guter Arbeit“ auseinander. Wir führten dazu ein Gespräch mit der Autorin.
Hände, die gemeinsam an einem Strang ziehen zur Illustration des Themas Kultur, Kollektivvertrag, kollektive Bemühungen um Mindeststandards Gute Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen – und das verbindlich für alle in der freien Kulturarbeit? Die Antwort scheint einfach: Ein Kultur-Kollektivvertrag! Über mögliche Wege zu einem Kultur-Kollektivvertrag und dessen Auswirkungen auf die Finanzierungspraxis.
Der Vorarlberger Landtag beschloss unter neuer, schwarz-blauer Regierung am 19. Dezember 2024 das Budget für das Jahr 2025. Der bereits im Sommer angekündigte Sparkurs des Landes trifft auch das Kulturbudget, das angesichts prekärer Arbeits- und Lebensumstände Kunstschaffender und einem zarten Start in die Fair Pay-Strategie des Landes mit einer lediglich geringfügigen Erhöhung in das neue Jahr geht. Wie sich die Kultursprecher:innen der Parteien zum Budget und den relevanten Inhalten von Kunst und Kultur äußerten und was Kulturlandesrätin Barbara Schöbi-Fink zu einem Ausblick für die freie Szene sagt, haben wir im Folgenden dokumentiert.