Manifest zur Kunst im öffentlichen Raum Steiermark 2011

Offener Protestbrief Kulturschaffender zur Kunst im öffentlichen Raum Steiermark vom 26.6.2011

Offener Protestbrief Kulturschaffender zur Kunst im öffentlichen Raum Steiermark vom 26.6.2011

 

Unterzeichnen auf
http://www.sinnlos.st/kioer/

 

Sehr geehrte Mitglieder der Steiermärkischen Landesregierung,
sehr geehrte Abgeordnete zum Steiermärkischen Landtag!

Mit allergrößtem Befremden haben die Unterzeichnenden die von Regierungsseite getroffenen Veränderungen betreffend das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark wahrgenommen – sowohl hinsichtlich des politischen Stils als auch der Inhalte kann das so nicht akzeptiert werden.

Bei allem Verständnis für die Notwendigkeiten zu Einsparungen und bei aller Solidarität der KünstlerInnen mit jenen Bevölkerungsteilen, die ebenfalls unter dem Sparkurs zu leiden haben, stellen wir fest, dass die Halbierung des Budgets für Kunst im öffentlichen Raum sich drastisch vom allgemeinen Sparziel von max. 25 % unterscheidet. Das kann nur als politische Entscheidung gewertet werden, diesen weltweit an Bedeutung zunehmenden Bereich künstlerischer Aktivität in der Steiermark gezielt und bewusst zu beschneiden. Für diese Einschätzung spricht auch die erfolgte Eingliederung des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum in jene Abteilung des Universalmuseum Joanneum, die für den Skulpturenpark zuständig ist.

Offenbar hat der zuständige Kulturlandesrat Dr. Buchmann jegliche Kunst, die wie im Skulpturenpark an der frischen Luft präsentiert wird, mit Kunst im öffentlichen Raum in einen Topf geworfen und die Unterschiede verkannt, die auf ein museales Areal beschränkte Präsentation von bildhauerischer Arbeit und einer Kunst besteht, die mit allen Mitteln der künstlerischen Intervention sensibel auf die Eigenheiten eines Ortes eingeht – vor Ort, im öffentlichen Raum und eben nicht im Freilicht-Museum. Zahlreiche im Rahmen von Kunst im öffentlichen Raum realisierte und geförderte Projekte haben die Steiermark mit einem Netzwerk künstlerischen Schaffens überzogen, das einen völlig anderen Stellenwert aufweist als die Präsentation von Skulpturen in einem Reservat. Die Weiterführung dieses lebendigen, international beachteten und für die Verbindungen von Kunst mit regionaler Lebenswirklichkeit unersetzbaren Schaffens erscheint unter den geänderten Bedingungen so gut wie unmöglich.

Im Hintergrund sehen wir Bestrebungen von klar erkennbaren persönlichen Interessen, das Kunstgeschehen in der Steiermark zu zentralisieren und einen fruchtbaren Wettbewerb von klugen Köpfen und überzeugenden Konzepten zu unterbinden.

Festzuhalten ist auch, dass die Veränderungen beim Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark am Gesetz vorbei durchgezogen erscheinen. Die Höhe der für Kunst im öffentlichen Raum zur Verfügung zu stellenden Mittel ist per Gesetz vom 24. 5. 2005 – mit mindestens 1% der Landesbausummen – geregelt und steht damit klar in Relation zum Baubudget des Landes ... eigenartig, dass nun der Kulturlandesrat respektive das Universalmuseum Joanneum über Teile des Baubudgets verfügt und darauf verzichtet, die den KünstlerInnen aus diesem Rechtstitel zustehenden Mittel einzufordern und widmungsgerecht einzusetzen. Stattdessen werden die Gelder „gekürzt“ (auf welcher Rechtsgrundlage bzw. mit welcher Kompetenz?) und wird die erfolgreiche bisherige Arbeit des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum durch Verwaltungs-Winkelzüge lahmgelegt.

Besonders bedauern wir auch, dass durch diese rational nicht nachzuvollziehenden Änderungen der bisherige Leiter des Instituts, Dr. Werner Fenz, und mit ihm seine Stellvertreterin, Evelyn Kraus, sich zum Rücktritt gezwungen sahen. Die steirische Kulturszene verliert damit binnen kurzer Zeit erneut eine prominente, weit über die Landesgrenzen hinaus beachtete und geschätzte Persönlichkeit. Es muss der Eindruck entstehen, dass die Verantwortlichen in Politik und Kulturmanagement den geistigen Wettbewerb scheuen und zentrale Einfalt an die Stelle von vitaler Vielfältigkeit setzen wollen. Wenn ein Kulturlandesrat darauf schaut, wer unter seiner Ägide geht bzw. gegangen wird und wer bleibt, dann stellt ihm das derzeitige Szenario in der Steiermark ein trostloses Zeugnis aus.

Wir, die unterzeichnenden KünstlerInnen und Kulturschaffenden, appellieren mit großem Ernst an alle Entscheidungsträger, die erkennbaren Trends in der steirischen Kulturpolitik zu überprüfen. Kunst und Kultur in der Steiermark sind zu wichtig, um sie einem willkürlich agierenden Kulturlandesrat und einem sich zum verschlingenden Moloch entwickelnden Universalmuseum Joanneum allein zu überlassen.

Retten Sie die Vielfalt der Kunst – und damit die Freiheit der Kunst. Mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark ist ein wesentlicher Bestandteil der Kunst im Lande durch einen bürokratischen Federstrich gleichsam ausradiert worden. Machen Sie diese Entscheidungen rückgängig. Es darf nicht sein, dass kurzsichtige Interessenspolitik und die Missachtung von Gesetzen die Oberhand behalten.

 


Steiermark, im Juni 2011

Mit dem Ausdruck der Empörung,

Barbara Baur
Joachim Baur
Martin Behr
Paolo Bianchi
Martin Breindl
Esther Engele
Manfred Erjautz
Fedo Ertl
Wolfgang Fötsch
Richard Frankenberger
Josef Fürpaß
Sonja Gangl
Jochen Gerz
Hermann Glettler
Heidi Grundmann
Gigi Haubenhofer-Salicites
Peter Gerwin Hoffmann
Werner Hofmeister
Jogi Hofmüller
Reni Hofmüller
ILA
Wolfgang Kapfhammer
Josef Klammer
Hubert Matt
Wenzel Mraček
Michael Neubacher
Caroline Oswald-Fleck
Albert Pall
Günther Pedrotti
Wolfgang Pollanz
Erwin Stefanie Posarnig
Heidrun Primas
Nicole Pruckermayr
Wolfgang Rahs
Oliver Ressler
resanita
Valentin Ruhry
Irmgard Schaumberger
Werner Schimpl
Manuela Schlossinger
Eva Schmeiser-Cadia
Werner Schmeiser
Bernd Schmiedel
Michael Schuster
Walter Seidl
Gunther Skreiner
Andrea Sodomka
Kurt Stadler
Wolfgang Temmel
Erika Thümmel
Franz Trampusch
Eva Ursprung
Anna Waibel
Markus Wilfling
Christine Winkler
Mia Zabelka
Andrea Zahlbruckner-Jaufer
Michael Zinganel
Gerhard + Eva Pichler zweintopf
IG Kultur Steiermark
Anita Hofer
Kultur In Graz
u.v.a.

BITTE UNTERSCHREIBEN: http://www.sinnlos.st/kioer/

 

Tags

Plus 25%

Ähnliche Artikel

Wie schaut es um Themenschwerpunkte, Visionen und auch Versäumnisse im Ressort Kunst und Kultur in den Wahlprogrammen der kandidierenden Parteien zur Vorarlberger Landtagswahl am 13. Oktober 2024 aus? Wir haben uns eingelesen, mit kulturpolitischen und kulturstrategischen Schritten der vergangenen Jahre verglichen und im Sinne einer fairen, rechtlich und sozial abgesicherten Kulturarbeit analysiert. In etlichen Punkten bspw. beim Thema Fair Pay, Raumangebot und kultureller Teilhabe für alle Bevölkerungsschichten und Einkommensgrößen sind sich die Parteien einig. Interessant ist, dass vor allem die Kleinparteien Wesen und Bedeutung von Kunst und Kultur knackig auf den Punkt bringen, während Landtagsparteien viel Worte um wenig Umgesetztes und Umsetzbares machen.
Für Kulturförderungen führt die Abteilung 14 – Kunst und Kultur des Landes Kärnten/Koroška Einreichfristen ein. Dies dient der erleichterten Abstimmung der Akquirierung von Drittmitteln und gibt der Kulturabteilung Überblick über den Gesamtbedarf.
Fair Pay für Kulturarbeit - Kultur muss sich lohnen* - Auch in der Steiermark? Nach öffentlichen Bekenntnissen zu Fair Pay, aufwendigen Erhebungen und einer bereits kolportierten Budgeterhöhung von rund 1 Million Euro jährlich gibt es von der steirischen Landesregierung nur vage Aussagen und keine konkreten Entscheidungen.