Kunst und Wirtschaft. Eine Farce in vier Semestern

Seit dem Antritt der besten Regierung von allen und dero Kunststaatssekretär gibt es für die Kunst keine Ausnahme mehr. Subventionen werden hinuntergefahren und der freie Markt bekommt seine Freiheit auf Kosten derer der Kunst. Wirtschaftsorientiertheit ist angesagt, das Staatskünstlertum hat endlich ein Ende. Und jene, die die (noch) fütternde Hand beißen wollen, werden auf Diät gesetzt, manche auch prophylaktisch.

Seit dem Antritt der besten Regierung von allen und dero Kunststaatssekretär gibt es für die Kunst keine Ausnahme mehr. Subventionen werden hinuntergefahren und der freie Markt bekommt seine Freiheit auf Kosten derer der Kunst. Wirtschaftsorientiertheit ist angesagt, das Staatskünstlertum hat endlich ein Ende. Und jene, die die (noch) fütternde Hand beißen wollen, werden auf Diät gesetzt, manche auch prophylaktisch. Das Ergebnis ist ein wahrhaft formidabler Kahlschlag bei Kunst- und Kulturinitiativen aller Sparten und Regionen. Denn trotz der viel beschworenen Regionaloffensive werden Kulturinitiativen in allen Bundesländern mit der tatkräftigen Unterstützung der schwarzblauen Landeshauptmänner (inklusive dem Frau Klasnic) ausgehungert.

Doch selbstverständlich sollen alle Subventionsstreichungen und -kürzungen nicht etwa den KünstlerInnen schaden oder sie gar politisch fügsam machen. Ganz im Gegenteil geht es nur darum, sie aus ihrer Abhängigkeit von Vater Staat zu befreien, auf dass sie sich als freie Entrepreneurs auf freien Märkten und weitgehend frei von finanziellen Mitteln frei bewegen können. Da dies für österreichische Staatskünstler eine weitgehend neue Situation ist, wird ihnen - freundlicherweise - doch auch wieder Unterstützung zuteil. Zwar nicht in Form von Finanzierungen - ganz im Gegenteil ist diese Art der Hilfeleistung zumeist recht kostspielig -, aber in Form der Weitergabe von Knowhow. Was den angenehmen Nebeneffekt hat, dass Institutionen, die selbst finanzielle Einbußen hinnehmen mussten, sich an denen schadlos halten können, die noch weniger verdienen.

So bietet etwa seit kurzem die Universität für angewandte Kunst einen Lehrgang namens "Art and Economy" an, der symptomatisch für die Neuorientierung der österreichischen Kunstszene ist. Dort kann angeblich erlernt werden, wie KünstlerInnen auf dem freien Markt bestehen, wenn sie sich nur brav an dessen Spielregeln halten und - vor allem - sich diese einmal in einem kostspieligen Lehrgang zu Gemüte führen. Das Thema ist ein Dauerbrenner, seit sich die öffentliche Hand mehr und mehr von der Verantwortung zurückzieht. Mit gierigen Seitenblicken auf die USA oder England werden derartige Angebote von heimischen PolitikerInnen und jenen Menschen und Einrichtungen gepriesen, die Seminare zur Selbstvermarktung anbieten. Dass diese Sicht der Dinge ökonomischer Humbug ist, wissen wir seit den 1960er Jahren, was die schwammerlartige Vermehrung mehr oder minder seriöser Kursangebote nicht beeinträchtigt. Gelehrt wird hier nicht Kulturmanagement noch Kulturökonomie , sondern es geht ausschließlich um die Anleitung zur Selbstvermarktung oder, wie es auf der Universität für angewandte Kunst heißt, "Art and Economy". Dass die Kunst in diesem postgradualen Lehrgang nur zu Gast ist, ist schon anhand der Liste der Vortragenden zu erkennen, auf der alle diejenigen, die einen künstlerischen Hintergrund haben, als Gastvortragende aufscheinen.

Was ist das ökonomische Angebot dieses Lehrganges und an wen richtet er sich? "Drei Module - Management, Marketing und Selbstorganisation - ziehen sich als roter Faden durch alle vier Ausbildungssemester. Die Praxisorientierung steht deutlich im Vordergrund dieses Master-Studiums." Das Angebot richtet sich an Personen mit "einem abgeschlossenen Diplomstudium (insbesondere mit künstlerischer Ausrichtung)", also vorwiegend AbsolventInnen der Kunstuniversitäten. Und was lernen diese dort? Zunächst einmal Management, das Zauberwort unserer Zeit. Allerdings ist der Unterschied zwischen Management und Selbstorganisation bei ArbeitskraftunternehmerInnen nur schwer nachvollziehbar. KünstlerInnen gründen in der Regel nach dem Abschluss ihres Studiums keine Gesellschaften und haben auch keine Angestellten. Also bleiben nur Selbstorganisation und Marketing. Was das Marketing betrifft, muss erwähnt werden, dass Marketing Geld kostet und junge KünstlerInnen in der Regel keines haben, weswegen sie auch verzweifelt diesen Lehrgang besuchen. Selbstorganisation als Form von Management ist etwas, was in anderen Ländern (beispielsweise Großbritannien) junge ManagerInnen von KünstlerInnen lernen; nicht umgekehrt. Es sind die kleinen Kellertheater und Galerien, die angehenden ManagerInnen in ihrer Zeit als Trainees beibringen, effizient zu arbeiten, da diese mit einem minimalen Mitteleinsatz respektable und sichtbare Erfolge einfahren. Größere Kunstbetriebe wie das Museumsquartier oder die Bundestheater leiden zumeist unter den gleichen Ineffizienzen wie auch andere große Betriebe, aber die vielen EinzelkämpferInnen im Kunstfeld sind größtenteils weit besser organisiert als die Vortragenden aus der "Praxis". Es ist genau die effiziente Praxis der Kunstschaffenden, die Unternehmen in anderen Ländern kopieren. Weniger effizient ist der Rest der Branche, also die öffentliche Hand (was die Abwicklung von Förderansuchen betrifft) oder die aufgrund fehlender politischer Anreize ohnehin spärlich gesäten SponsorInnen.

Es gibt eine Reihe struktureller Probleme, die dazu führen, dass KünstlerInnen auf einem normalen Arbeitsmarkt nicht reüssieren können. Die Kulturökonomie ist voll von Begründungen, die einen Eingriff der öffentlichen Hand rechtfertigen, sofern es ein politisches Bekenntnis dazu gibt, dass Kunst produziert und distribuiert werden soll. Die Argumente haben sich seit den 1960er Jahren teils leicht verändert bzw. verfeinert, aber im Großen und Ganzen gibt es, was Kunst betrifft, ein Einverständnis darüber, dass weite Teile von Kunst Marktversagen unterliegen. Marktversagen ist eine Konstellation, in der der Markt als Tauschinstanz versagt und nicht die AkteurInnen. Lehrgänge wie der beschriebene haben den Hauptzweck, AbsolventInnen einzureden, dass sie selbst versagen, weil sie zu wenig Marketing betreiben und zu schlecht organisiert sind, anstatt ihnen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen klar zu machen, unter denen sie in Zukunft arbeiten werden.

Und auch wenn die KünstlerInnen auf diese Art nicht zu den freien Entrepreneurs werden, deren Idealbild ihnen vorgegaukelt wird, so werden sie vielleicht zumindest von der Illusion befreit, dass es einen politischen Willen zur Unterstützung des heimischen, zeitgenössischen Kunstschaffens gibt.


Elisabeth Mayerhofer, Monika Mokre, Paul Stepan sind Mitglieder von FOKUS, Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien

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