Kunst und Kultur für alle!

Gewerkschaftliche Bildungs- und Kulturarbeit gehören untrennbar zusammen, die gewerkschaftliche Kulturarbeit hat deshalb im VÖGB (Verband österreichischer gewerkschaftlicher Bildung) einen wichtigen Stellenwert. Dabei geht es um einen Kulturbegriff, der sich von dem, was klassischerweise als „bürgerliche“ Kultur bezeichnet wird, deutlich unterscheidet.

Kunst und Kultur für alle, Fotos: ©ÖGB - Kulturlotsinnen

Gewerkschaftliche Bildungs- und Kulturarbeit gehören untrennbar zusammen, die gewerkschaftliche Kulturarbeit hat deshalb im VÖGB (Verband österreichischer gewerkschaftlicher Bildung) einen wichtigen Stellenwert. Dabei geht es um einen Kulturbegriff, der sich von dem, was klassischerweise als „bürgerliche“ Kultur bezeichnet wird, deutlich unterscheidet. Das bedeutet z.B., 
— dass im gewerkschaftlichen Kulturverständnis der Besuch von Theater, Konzerten, Museen nicht an ein bestimmtes Vorwissen oder spezielle Ausbildungsabschlüsse gebunden ist, 
— dass die Arbeitswelt ebenso miteinbezogen wird wie politische Themen 
— und dass diese Kultur damit nicht nur der reinen Zerstreuung und Unterhaltung dient. 

 

Der deutsche Gewerkschafter Walter Köpping hat diese Abgrenzung in seinen „Thesen zur Arbeiterkultur“ treffend formuliert: Es geht „um den ganzen Menschen, nicht allein oder vorrangig um dessen intellektuelle Fähigkeiten. Im Mittelpunkt stehen die Beziehungen von Mensch zu Mensch, die Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens (Solidarität als Gegenbegriff zum bürgerlichen Individualismus). Die Arbeiterkultur bezieht die Arbeitswelt mit ein. Auch die Politik gehört dazu. Arbeiterkultur dient der Sammlung, nicht der Zerstreuung. Sie zielt nicht auf Ablenkung, sondern auf Hinlenkung auf die sozialen und politischen Probleme.“ (Walter Köpping: Thesen zur Arbeiterkultur. In: Gewerkschaftliche Monatshefte 7/88.)

Gewerkschaftliche Kulturarbeit hat speziell die ArbeitnehmerInnen, ihre wirtschaftlichen, sozialen, politischen Interessen zum Inhalt. Das ist im öffentlichen Kulturleben keine Selbstverständlichkeit, und oft gehen die Angebote an den Lebensinteressen der Mehrheit der Bevölkerung vorbei. Es ist wichtig, einen (neuen) Zugang zu Kultur zu ermöglichen und zu einer kritischen Teilhabe an den unterschiedlichen künstlerischen Darbietungen zu motivieren. Denn Kunst und Kultur stellen einen wesentlichen Beitrag zur umfassenden Persönlichkeitsentwicklung von Menschen dar, Zugang für alle und aktive Beteiligung von ArbeitnehmerInnen daran sind dafür eine wesentliche Voraussetzung.

Dabei geht es einerseits um das „Kunstgenießen“ und andererseits um das „Kunstschaffen“ – beides muss möglich gemacht werden. Diese Kulturarbeit hat daher das Ziel, möglichst vielen ArbeitnehmerInnen den Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen. Die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen wird vielfach als Bereicherung und Ausgleich zum stressigen Arbeitsalltag erlebt, doch viele ArbeitnehmerInnen kommen viel zu selten in den Genuss von Kunst und Kultur, was oft auch mit dem Überwinden von Hemmschwellen zu tun hat. Und sie hat das Ziel, Räume und Möglichkeiten zu schaffen, in denen kreatives Schaffen möglich gemacht wird.

In der konkreten Umsetzung umfasst die gewerkschaftliche Kulturarbeit dabei mehrere Bereiche: Das aktive Mitwirken in Workshops wie z.B. Schreibwerkstätten, Mal- oder Theaterworkshops. In kleinen Gruppen wird der Kreativität freien Lauf gelassen und mit Tipps und Erläuterungen von KünstlerInnen begleitet. Angebote „zum Hingehen“: Im Foyer der ÖGB-Zentrale finden laufend Ausstellungen zu unterschiedlichen Themen und in unterschiedlichen Formen statt. Immer haben sie einen Bezug zur Arbeitswelt und gewerkschaftspolitisch relevanten Themen. Aktuell ist zum Beispiel eine Ausstellung zu sehen, die den Streik der Minenarbeiter im Jahr 2012 in Südafrika zum Thema hat und die in Workshops gemalten Bilder der Witwen der beim Streik ermordeten Arbeiter zeigt.



Ein besonderes Angebot stellt auch das Konzept von „Klang der Arbeit“ dar. Diese Performance-Reihe wurde vom VÖGB 2011 gemeinsam mit der Künstlerin und Ethnologin Angelika Hagen entwickelt und verbindet Kunst und Wissenschaft mit gesellschaftspolitischen Anliegen. Dementsprechend ist das Ziel von Klang der Arbeit, wichtige gewerkschaftliche Inhalte mit dem Instrumentarium neuer Kunst zur „Klang-Sprache“ zu bringen und durch die starke Kraft der Musik so ins Bewusstsein der Menschen. Auf der Website klang-der-arbeit.eu können die Veranstaltungen auch nachgehört werden.

 

 

Kunst dient der Reflexion von Wirklichkeit. Sie erschließt uns die Welt anders und lässt uns erkennen, dass es für ein Problem mehrere Lösungsmodelle geben kann.

 

 

Fotos: ©ÖGB - Kulturlotsinnen

Kulturvermittlung durch die „KulturlotsInnen“: Vermittlungsangebote beseitigen Zugangsbarrieren. Seit sieben Jahren gibt es in Wien das Projekt ÖGB-„KulturlotsInnen“, das von der Kulturabteilung der Stadt Wien gefördert wird. Ausgehend von der Tatsache, dass das umfangreiche Kunst- und Kulturangebot zwar von allen SteuerzahlerInnen finanziert, aber nur von wenigen genutzt wird, wollen wir ArbeitnehmerInnen direkt zur Kultur bringen. Bereits 44.450 Wiener ArbeitnehmerInnen haben seit dem Start des Projektes „KulturlotsInnen“ mitgemacht. Es sollen Barrieren zwischen ArbeitnehmerInnen und Kulturinstitutionen abgebaut und das Bewusstsein erweckt werden, dass Kunst und Kultur Spaß machen. Ziel des Projekts ist es, den ArbeitnehmerInnen ein möglichst breites Kulturangebot zu erschließen und damit die Demokratisierung von Kunst und Kultur voranzutreiben.


 

 

In einer durch Wettbewerb und Erfolgsdruck globalisierten Gesellschaft braucht es Raum und Zeit für individuelle Auseinandersetzung ...

 

 

Kunst dient der Reflexion von Wirklichkeit. Sie erschließt uns die Welt anders und lässt uns erkennen, dass es für ein Problem mehrere Lösungsmodelle geben kann. Sie fördert Kreativität, vermittelt ein positives Verständnis von Vielfalt und schafft Handlungsfreiräume. In einer durch Wettbewerb und Erfolgsdruck globalisierten Gesellschaft braucht es Raum und Zeit für individuelle Auseinandersetzung, für offene Begegnungen, für die Entfaltung der Vorstellungskraft, für ungewöhnliches Denken und kreatives Handeln, für Interesse aneinander, für Solidarität – in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit ebenso wie in der Kulturarbeit.

 

 

Autorin: 

Sabine Letz ist Gesch.ftsführerin des VÖGB.

 

Fotos: ©ÖGB - KulturlotsInnen

 

Kunstzelle, WUK, Fotos: ©ÖGB - Kulturlotsinnen

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