Kunst und Kreativwirtschaft: Wie weiter?

Endlich haben wir alles hinter uns – von den Neuwahlen bis Weihnachten. Wenn alles gut geht, können wir wieder zu arbeiten beginnen. Und es gibt auch einiges zu tun, denn die Welt bleibt eben doch nicht stehen, wenn sich die Kulturnation Nummer 1 eine Auszeit zur Selbstfindung nimmt.

Endlich haben wir alles hinter uns – von den Neuwahlen bis Weihnachten. Wenn alles gut geht, können wir wieder zu arbeiten beginnen. Und es gibt auch einiges zu tun, denn die Welt bleibt eben doch nicht stehen, wenn sich die Kulturnation Nummer 1 eine Auszeit zur Selbstfindung nimmt. Auf der Ebene EUropäischer Kulturpolitik geht es sogar recht rasant weiter: Anknüpfend an die Kommunikation zur Kultur, die künftige kulturpolitische Richtungen vorgibt (siehe Kulturrisse 01/08), ist nun ein Prozess gestartet worden, in dem bis 2010 ein Arbeitsplan für Kultur erarbeitet werden soll. Und dort nehmen die „Cultural and Creative Industries“ (CCI) eine zentrale Position ein, nachdem dieses Feld bisher vor allem sich selbst überlassen worden war.

Grund genug, auch in Österreich eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu schauen, wo man zur Zeit eigentlich steht. Und das Ergebnis ist durchaus durchwachsen. Durch eine Vielzahl von Auftragsstudien ist das Feld jetzt einigermaßen gut beschrieben, so dass eine solide Kenntnis der wesentlichen Strukturmerkmale des Sektors vorhanden ist. Auf regionaler und Bundesebene wurden Förderprogramme eingerichtet, die ein mittlerweile recht ansehnliches Budget vorweisen können. Und es gibt eine beachtliche Anzahl an farbenfrohen Publikationen über diese segensreichen Tätigkeiten. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass nach wie vor konkrete politische Zielsetzungen fehlen und daher auch keine Strategien entwickelt wurden. Zwar gibt es vage Aussagen über Arbeitsplatzpotenzial und wirtschaftliche Wachstumsraten, die aber nur äußerst unzulänglich empirisch gestützt werden. Eine ebenso große Lücke tut sich auf, wenn die Frage nach der Effektivität der bisher ausgeschütteten Förderungen gestellt wird: Wie viele der geförderten Kreativunternehmen haben es seither geschafft, ein abgesichertes Existenzniveau zu erreichen? Wie viele existieren trotz der Anschubförderung nicht mehr und aus welchen Gründen? Welche strukturellen Lücken existieren, denen mit Projektförderung nicht beizukommen ist? Was kann daraus für die Förderprogramme gelernt werden? Und nicht zuletzt – wie machen’s denn die anderen?

Denn insgesamt sickern die Ergebnisse internationaler Grundlagenforschung nur langsam nach Österreich durch; diese wären aber für die heimische Situation durchaus von Relevanz, machen sie doch deutlich, dass die wesentlichen Potenziale der CCI abseits der österreichischen Akzentsetzungen (allem voran Vermarktung) liegen. Während in den späten 1990er Jahren die Ansicht vorherrschte, dass in den CCI Designprodukte und -dienstleistungen erbracht würden, die sich in vielen Fällen entlang der Wertschöpfungskette eines Kunstproduktes gruppierten (wie beispielsweise Ausstellungsdesign), sehen aktuelle Forschungsansätze die Bedeutung der CCI insbesondere darin, dass dort modellhaft rein wissensbasierte Innovation außerhalb fordistischer Unternehmensstrukturen in losen Netzwerken vonstatten geht. Ausgehend von diesem Befund ergeben sich konkrete Anforderungen an die Politik, in Bezug auf die Schaffung spezifischer lokaler Kontexte wie auch in Hinblick auf Förderstrukturen. Diese Fragen berühren sowohl künstlerische als auch andere Formen intellektueller Produktion, denen gemeinsam ist, dass klassische Formen der Institutionalisierung (wie etwa in Form der Exzellenzuniversität in Maria Gugging) ihren Produktionsformen nicht angemessen sind. Die zentrale Sorge Österreichs, wie denn der vorhandene „Content“ vermarktet werden kann, ist dabei ein Nebenschauplatz. Der beackert werden soll, keine Frage – die Weichenstellung für eine zukunftsorientierte CCI-Strategie liegt allerdings im Bereich der Wissensproduktion. Es bleibt zu hoffen, dass hier nicht wieder Chancen verpasst werden.

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