Kunst oder Gewerbe?

Im Zeichen der „Pfuscherbekämpfung“ drangsaliert die Wirtschaftskammer bildende Künstler_innen.

Die zuständige Stelle in der Wirtschaftskammer Wien (WKW) ist das „Pfuscherbekämpfungsreferat“, die E-Mail-Adresse lautet – sicherlich unabsichtlich ironisch – @email. Von hier aus werden bedrohlich klingende Schreiben an Künstler_innen verschickt, denen vorgeworfen wird, sie würden unbefugt ein Gewerbe ausüben. Paragrafen werden zitiert, und am Ende folgt die Aufforderung, sich binnen 14 Tagen zu melden, um eine Anzeige zu vermeiden. Danach wird zum „Gespräch“ eingeladen, bei dem die WKW ihre „Beweise“ vorlegt.

Atelier oder Werkstatt?

Betraf das in den letzten Jahren in der bildenden Kunst vor allem Fotograf_innen, so sind seit Anfang 2013 offenbar jene im Visier, die mit Edelmetall arbeiten, ausgebildete Goldschmied_innen also, zumeist mit zusätzlichen künstlerischen Ausbildungen. Das Arbeiten mit Gold als künstlerische Ausdrucksform kann auf eine jahrtausendelange Geschichte zurückblicken, Goldschmied_innen sind seit langem in künstlerischen Vereinigungen, so auch in der IG BILDENDE KUNST, organisiert.

Aber die Wirtschaftskammer will im Fall der Fälle eben gern Beweise dafür sehen, dass die Goldschmiede nicht (auch) gewerblich ausgeübt wird – stößt damit jedoch an eine Grenze: Kunst darf nicht definiert werden.

In der Fotografie konnte sich in quasi freier Aushandlung zwischen WKW und Betroffenen eine Reihe von „Merkmalen“ dafür etablieren, was als reines Gewerbe gilt (Musterbeispiel ist das Passfoto) und was nicht. Aber bereits beim weiten Feld der Mode- oder der Porträtfotografie scheiden sich die Geister. Seit der Gewerberechtsnovelle 2012, die den Zugang zum Fotografiegewerbe erleichtert hat, habe sich die Lage, heißt es aus der Wiener Innung, sichtlich entspannt. Auffallend mehr Fotograf_innen hätten ein Gewerbe angemeldet und sich so die Möglichkeit eröffnet, sowohl gewerblich als auch künstlerisch arbeiten zu können.

Und, das sei hinzugefügt, sie ersparen sich so auch den ständigen Ärger mit der Wirtschaftskammer. Das „Pfuscherbekämpfungsreferat“ hat sich nämlich offenbar selbst auferlegt, jede Meldung, die dort eingeht, auch prüfen zu müssen, egal, ob Künstler_innen betroffen sind. Dabei wird ein grundsätzliches Misstrauen spürbar. Sparen sich die ganzen Goldschmied_innen, die künstlerisch arbeiten, nur den (finanziellen) Aufwand einer Meisterprüfung? Sind ihre Ateliers nicht in Wirklichkeit Geschäfte, in denen auch Omas Halskette repariert wird?

Jedem Verdacht wird nachgegangen – und jeder Fall wird offenbar penibel recherchiert. Wie etwa bei einer Wiener Schmuckkünstlerin, die Anfang 2013 den „bösen Brief“ von der WKW bekommen hatte. Ihr wurde triumphierend ein Zeitungsausschnitt mit einem Bericht über sie vorgehalten, in dem sie sich selbst als Schmuckgestalterin bezeichnete und wo von „Werkstatt“, „Serie“ und „Lebensunterhalt verdienen“ die Rede war. Na und?

Drohungen oder Offenheit?

Ebenfalls Anfang 2013 kam es zu einem Treffen von IG BILDENDE KUNST und KSVF (Künstler-Sozialversicherungsfonds) mit Vertretern der WKW. Ein zentraler Punkt in der Vorgehensweise der WKW war und ist es nämlich, zu behaupten, der Status als Künstler_in könne ganz einfach durch einen Antrag beim KSVF belegt werden. Dabei übersieht die WKW jedoch geflissentlich, dass der KSVF keineswegs für eine allgemeine „Künstlerprüfung“ zuständig ist.

Beim KSVF suchen Künstler_innen, die bei der SVA sozialversichert sind, um Zuschüsse zu ihren Versicherungsbeiträgen an. Eine kommissionelle Prüfung stellt dabei sicher, dass die Antragsteller_innen tatsächlich als Künstler_innen arbeiten, da der Fonds ja nur für diese eingerichtet wurde. Seit 2011 gibt es einen zweiten Grund, beim KSVF vorstellig zu werden: Wer die künstlerische Tätigkeit zum Zweck des Bezugs von Arbeitslosengeld ruhend stellen will, muss ebenfalls die kommissionelle Prüfung durchlaufen. Ausschließlich zu diesen beiden Zwecken darf der KSVF überprüfen, ob jemand tatsächlich als Künstler_in arbeitet.

Bei dem Treffen gelobten die Herren von der WKW in dieser Sache Besserung (auf der Website ist davon allerdings noch immer nichts zu sehen). Die Frage, wie denn nun ohne KSVF die Grenze zwischen Kunst und Gewerbe gezogen werden könnte, blieb für die WKW aber offen.

Hier kann die Antwort nur lauten: Die „Ausübung der schönen Künste“ ist vom Gewerberecht ausgenommen (§ 2, Abs. 1, Z. 7 GewO), unterliegt diesem also nicht. Wenn Gewerbe unter anderem dadurch definiert wird, dass eine Tätigkeit „regelmäßig“ und „in Ertragserzielungsabsicht“ ausgeübt wird, wäre es ja haarsträubend zu glauben, Künstler_innen dürften nicht regelmäßig und in Ertragserzielungsabsicht arbeiten.

Und daher stellt sich schon die Frage, was die WKW überhaupt mit diesem Thema zu tun hat und woher sie die Chuzpe nimmt, der erwähnten Schmuckkünstlerin etwa vorzuwerfen, sie verdiene ihren Lebensunterhalt mit ihrer Arbeit und produziere Serien.

Und sie muss sich weitere Fragen gefallen lassen: Warum werden die Briefe an Künstler_innen nicht transparent formuliert, indem offengelegt wird, dass die WKW keine behördliche Instanz ist, sondern im Grunde nur versucht, an sie gemeldete Vorwürfe abzuklären, bevor es zu einer Anzeige bei der Gewerbeaufsicht kommt? Denn so betrachtet, könnte das „Pfuscherbekämpfungsreferat“ ja durchaus positiv agieren. Warum aber werden nach wie vor falsche Informationen über den KSVF verbreitet? Warum hieß es vor einigen Jahren noch, die Mitgliedschaft in einer künstlerischen Vereinigung oder IG sei ein ausreichender Nachweis, während das, wie von Betroffenen berichtet wurde, heute nichts mehr heißen soll? – Kein Wunder jedenfalls, dass sich bei vielen Künstler_innen der Verdacht aufdrängt, es gehe nur um ein Mehr an Kammer-Mitgliedern ...

Sylvia Köchl war bis Juni 2013 kulturpolitische Sprecherin der IG BILDENDE KUNST (als Karenzvertreterin) und hat sich dabei mit dem geschilderten Problem herumgeschlagen.

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