Kärnten/Koroška: Vom Jubel, von Fakten, vom Frohsein. Kulturpolitik in der orangeroten Idylle des Kärntner Herbst

„HeimatHerbst“, der einfache Name, der kein Nachdenken erfordert, der allerortens und unübersehbar auf Transparenten und Plakatwänden prangt, liefert die Erklärung für das Treiben, das als zweimonatige Tourismuskampagne konzipiert, von seinem Erfinder umso blumiger angepriesen wird.

Alles ist wunderbar

Wir schreiben das Jahr 2007, mitten in Europa bedecken orangerote Wolken die Berge und Talsohlen, ab und zu blitzt Blaues durch, im orangeroten Wiederschein kämpft das wenige Grün, um nicht bräunlich und matt zu erscheinen und weit und breit nichts Schwarzes, das dem Farbenspiel eine Trübung zufügen würde. Um der idyllisch anmutenden Färbung auf den Grund zu gehen, setzen wir zum Landeanflug an, und kaum betreten wir den Boden des „Hamatle“ (1), empfängt uns ein Singen, Stampfen, Tanzen und Taumeln. Rote (2) und orange PolitikerInnen platteln sich mit TouristInnen und Einheimischen von einem Almabtrieb zum nächsten, prosten sich bei Kirchtagen zu, um schließlich, angesichts der vielen färbigen und täglich präsenten Zeitungsbilderln, in satter Wohlgefälligkeit überschwängliche Jubelbekundungen auszustoßen, womit möglicherweise eine Erklärung für die Einfärbung des Gewölks gefunden wäre. „HeimatHerbst“, der einfache Name, der kein Nachdenken erfordert, der allerortens und unübersehbar auf Transparenten und Plakatwänden prangt, liefert die Erklärung für das Treiben, das als zweimonatige Tourismuskampagne konzipiert, von seinem Erfinder umso blumiger angepriesen wird: „[...] eine faszinierende Fülle von kulturellen und kulinarischen Höhepunkten, Brauchtum pur, lebendige Volkskultur: das alles ist der Kärntner Herbst. [...] Das ganze Land zeigt sich von seiner schönsten Seite [...]“. Der Fülle im 70 Seiten starken Folder auf der Spur, stolpert man bei 110 Festen in rund 60 Tagen, neben bereits erwähnten Kirchtagen vor allem von einem großen Schmausen ins andere. Die Rezeptur der Höhepunkte ist einfach, sie reicht vom Schwammerlfest, diversen Festen für Getreideprodukte (Sterz, Had´n, Polenta, Brot, Reindling, Nudel...), Gemüse- und Obstfesten (Kraut, Fisolen, Kartoffel, Äpfel...), Fleischfesten (Wildbret, Glocknerlamm, Gulasch, Backhendel, Speck...) über die Steigerungsstufen Riesenspeckfest, Großer Nudeltag bis hin zum Käsefestival, um dann in einem Fest des Kartenspielens, dem Tschurtschlfest und schlussendlich der Trachtenwallfahrt eine dringend notwendige kalorienärmere Abrundung zu erfahren.

Eintracht und Harmonie

Um der „schönsten Seite“ des Landes zu Geltung zu verhelfen, bemüht man in trauter Eintracht nicht den Tourismustopf, sondern greift im Jahr 2006 (wie in den Jahren davor und wohl auch danach) mit 438.600.- Euro (3) tief ins Kulturbudget. Als Draufgabe für das „einheimische“ Publikum, und um eine „ Anbindung der Kärntner Bevölkerung an ihre Heimat“ (4) zu bieten, langt man noch einmal kräftig zu, und finanziert um 397.800.- Euro (5) die familienorientierte so genannte Brauchtumsmesse (6). Die als Organisationskosten ausgewiesenen Summen für derart intensive Schönheitspflege und Anbindungsbemühungen verschlingen damit bereits zwei Drittel des Budgetpostens Brauchtums- und Heimatpflege, obwohl die VeranstalterInnen des „HeimatHerbst“ fast ausnahmslos unentgeltlich tätig sind.
„Im Kärntner Kulturbereich herrscht ein harmonisches Miteinander“ (7), lässt der Kulturreferent gerne über sein Presseorgan ausrichten. Angewendet auf den Kärntner Landtag, dürfte dies wohl einer weitgehenden Berechtigung entsprechen, zumal dermaßen überhöhte und weit über das Ortsübliche hinausgehende Organisationskosten kaum Verwunderung hervorrufen und eine Überprüfung nach den Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit – wie sie jedem Verein und jeder Kulturinitiative aufgetragen werden – nur selten bis gar nicht beantragt wird. Wohin die Organisationskosten fließen, bleibt unbeantwortet.

Die Fakten

Ausgehend von den veröffentlichten Kulturbudgets der Landeskulturabteilung für den Zeitraum 1999 bis 2005/2006 unterzog die IG KIKK das Zahlenmaterial einer umfangreichen Analyse. Im Folgenden die markantesten Ergebnisse:
- überdurchschnittlichste Steigerung, 99-05: Brauchtum + 1.300 %
- dramatische Kürzung, 99-05: Kulturinitiativen - 9,22 %
- Kulturinitiativen erhalten 2005: 0,64 % des Gesamtkulturbudgets, od. 144.000.-
- die Brauchtumsförderung beträgt 7% des Gesamtkulturbudgets, od. 1,57.- Mio.
- von den zwischen 99–05 insgesamt 60 geförderten Kulturinitiativen werden nur 8 kontinuierlich jährlich gefördert; in den 7 Jahren gibt es 28 einmalige Förderungen;
- durchschnittlich werden pro Jahr 22 Kulturinitiativen, jedoch an die 300 Brauchtumsgruppen gefördert; - diverse Zahlungen der Kulturabteilung betragen im Jahr 2006 rund 908.000.- und werden nicht aufgeschlüsselt; Auf die Veröffentlichung des analysierten Zahlenmaterials und das Aufzeigen der Unausgewogenheit wird seitens des BZÖ stets mit erwartungsgemäß stereotyper Empörung reagiert. Es seien systematische Angriffe von den üblichen Verdächtigen von links außen, mit dem Ziel, Unfrieden zu stiften (8). Falls dem/r üblichen Verdächtigen noch eine Subvention gestrichen oder gekürzt werden kann, folgt diese Reglementierungsmaßnahme auf den Fuß. Stets mit ähnlicher Verlässlichkeit lässt sich das Schweigen der SPÖ vorhersagen.

Vom Frohsein

Im Spannungsfeld zwischen weitgehendster parteipolitischer Eintracht der so genannten Großparteien – am deutlichsten wohl an der Ortstafelfrage ersichtlich – einerseits und dem Szenario, im Falle von Kritik keine Subvention mehr zu erhalten andererseits, breitet sich ein eigenartiges, kritikloses und optimistisches Frohsein aus. Ein Frohsein darüber, dass es dies und das überhaupt (noch) gibt. Eine neue und einfache Genügsamkeit, die kein Interesse daran hat, die Unterwanderung und Aushöhlung demokratischer Standards zu thematisieren. Dafür gibt es doch übliche Verdächtige, oder?

Literatur
(1) © Betram K. Steiner, Synonym für Kärnten

(2) Die Freiheitlichen in Kärnten / 20.08.2007 / 12:23 / OTS 0100 5 II 0290 BZK0001 KI:: BZÖ-Petzner: "Na da schau her: Schaunig nimmt an der ´Beweihräucherung des Kulturrreferenten` teil."

(3) Kulturbericht des Landes Kärnten 2006.

(4) www.brauchtumsmesse.at

(5)Kulturbericht des Landes Kärnten 2006.

(6) Die Freiheitlichen in Kärnten / 03.07.2007 / 13:27 / OT0195 II 0324 BZK0001 KI

Angelika Hödl ist Obfrau der Interessengemeinschaft der Kulturinitiativen Kärnten/Koroška (IG KIKK), Sozialmanagerin, Gründungsmitglied und Geschäftsführerin des zwei- und mehrsprachigen Freien Radio AGO-RA 105,5mhz

Ähnliche Artikel

Zukunftsgerichteter Kulturpolitik: Welche Rolle spiele Kulturstrategien für Kunst und Kultur in stürmischen Zeiten. Mit Thomas Philipp, Fabian Burstein, Elena Stoißer, Mika Palmisano. Welche Rolle spielen Kulturstrategien für Kunst und Kultur in stürmischen Zeiten? Gerade im Angesicht der derzeitigen Wirtschaftslage ist es angebracht und weitsichtig, sich Gedanken und Konzepte zu machen, um ein langfristiges und zukunftsfähiges Stadtleben mit einer lebendigen Kunst- und Kulturszene zu gewährleisten. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf Best-Practice-Beispiele, wie den erfolgreichen Kulturstrategien in Linz oder Salzburg, und schauen über den Tellerrand zu Perspektiven für Kunst und Kultur im gesellschaftlichen Wandel. Außerdem liefern wir Hintergrundinformationen zur aktuellen gesellschaftlichen Situation allgemein und auch speziell in Kärnten | Koroška und der Landeshauptstadt Klagenfurt | Celovec in unserem Mittagsformat am 4. Dezember um 13 Uhr, online via Zoom.
In Kärnten/Koroška hat der Prozess zur Erarbeitung der „Kunst- und Kulturstrategie 2030“ begonnen. Damit wurde ein auf zweieinhalb Jahren angelegter, partizipativer Prozess gestartet. Gemeinsam mit Kunst- und Kulturtätigen, der Bevölkerung sowie Vertretern aus Wirtschaft und Tourismus will das Land Kärnten/Koroška die kulturellen Stärken und Herausforderungen seiner Kulturlandschaft evaluieren.
Survival Guide für die Kulturszene KIKK OFF za kulturo #34: Die Ergebnisse der Nationalratswahl 2024 sitzen auch noch über einen Monat später tief in den Knochen und sorgen in weiten Teilen der freien Kulturszene Kärnten/Koroškas, unter Kulturarbeiter:innen und Künstler:innen für Unruhe. Es braucht Strategien, welche es den Menschen, die in den Bereichen Kunst und Kultur tätig sind ermöglichen, auf eine wirksame und nachhaltige Weise den Wellen rechter Kulturpolitik standzuhalten, ihre Werte zu vertreten und Raum für ihre Projekte, Werke und Aktionen zu schaffen.