FAIR PAY für Kulturarbeit!

Leistung muss sich wieder lohnen! Mit diesem Leitspruch wird gleich auf zwei Ebenen eine Politik der Ausgrenzung betrieben: Erstens soll nur essen, wer auch arbeitet, und zweitens sollen die, die viel arbeiten, auch mehr essen. Dem zu Grunde liegt einmal mehr ein tradierter Arbeitsbegriff, welcher verwendet wird, um Leistung auch messbar zu machen. Kunst- und Kulturarbeit lassen sich aber durch solche Parameter nicht messen.

Fair Pay Kampagne

Leistung muss sich wieder lohnen! Mit diesem Leitspruch (welcher ursprünglich ausschließlich dem rechts-konservativen Eck entsprungen ist und sukzessive seinen Weg in die „Mitte“ findet) wird gleich auf zwei Ebenen eine Politik der Ausgrenzung betrieben: Erstens soll nur essen, wer auch arbeitet, und zweitens sollen die, die viel arbeiten, auch mehr essen. Dem zu Grunde liegt einmal mehr ein tradierter Arbeitsbegriff, welcher verwendet wird, um Leistung auch messbar zu machen. Kunst- und Kulturarbeit lassen sich aber durch solche Parameter nicht messen. Dieser Bereich ist zu stark ausdifferenziert, zu wenig eingrenzbar, und zu all dem kommt noch, dass die Arbeit den handelnden Subjekten auch noch Spaß macht. Und Arbeit, die Spaß macht, steht im Widerspruch zum Leistungsparadigma. Arbeit muss weh tun!

In der realen politischen und gesellschaftlichen Tristesse verkümmert Kunst- und Kulturarbeit zu einem Dienstleistungsbetrieb für Vergnügen und Kritik. Aber da die Kritik in einem Kunstkontext eingebettet bleibt, hat sie weniger Gewicht und wird deshalb auch weniger ernst genommen.

Mit all diesen Mythen und (Fremd-)Zuschreibungen räumt die Kampagne der Ländervertretung der IG Kultur auf. FAIR PAY für Kulturarbeit wird gefordert! Faire Bezahlung ohne aufoktroyierte Starrheit in einem hierarchischen System. Faire Bezahlung für alle Beschäftigten unabhängig von Arbeitsverhältnis oder sozialem Status. Die Kampagne setzt stark auf Bewusstseinsbildung. Bewusstseinsbildung sowohl bei den Beschäftigten im Kunst- und Kulturbereich als auch bei den PolitikerInnen, die an den Förderhebeln sitzen. Mindeststandards sind notwendig in einem Feld, das fernab von kollektivvertraglichen Regelungen arbeitet und in der Anerkennung der Leistung weit abgeschlagen ist.

Vier – in – einem!

Aber mit dem Einsetzen eines Gehaltsschemas für den Kulturbereich soll auch ein Umdenken die Arbeit betreffend einsetzen. Für den Kunst- und Kulturbereich greifen die 9- to-5-Jobs ohnehin nicht und haben auch noch nie gegriffen. Das Pathos der Selbstausbeutung schwebt immer über dem eigenen Tun. Der Kampagne liegt ein anderer Arbeitsbegriff zu Grunde, der sich stark an der von Frigga Haug entwickelten „Vier-in-einem-Perspektive“ orientiert: Ein Teil Erwerbsarbeit, ein Teil Reproduktionsarbeit, ein Teil Kultur und ein Teil für die Gestaltung von Gesellschaft. Sicherlich, im bezahlten Feld freier Kulturarbeit vermischen sich (zumindest) drei der Bereiche. Kultur ist die Grundlage der Erwerbsarbeit, und freie Kulturarbeit gestaltet ohnehin permanent die Gesellschaft. Trotzdem funktioniert diese Perspektive als Denkmodell besonders gut, wenn jener Legitimationsdruck der leistungsbesessenen Gesellschaft wegfällt, der KulturarbeiterInnen stets in eine devote Rechtefertigungsrolle drängt. Ein „Und das soll Arbeit sein?“ kann damit entkräftet werden, wenn der Arbeitsbegriff der realen Tätigkeit entspricht und argumentierbar ist.

Glatteisgefahr!

So euphorisch dies alles anmuten mag, so sehr steckt auch die Gefahr in der Kampagne, dass sich die Ländervertretungen gleich auf mehreren Ebenen unbeliebt machen. Unbeliebt bei den PolitikerInnen, denen in Zeiten der eventuell schon beendeten Wirtschaftskrise eine Forderung nach „Mehr Kohle“ gerade für das Orchideenfach Kultur als absurd anmuten muss. Unbeliebt aber auch bei den Initiativen, die nach wie vor Großteils freiwillig Kulturarbeit verrichten. Anstatt im Europäischen Jahr der Freiwilligenarbeit darauf zu schauen, dass die Rahmenbedingungen für freiwillige Tätigkeit verbessert werden, rufen die Interessenvertretungen nach fairer Bezahlung. Ein Widerspruch? Mitnichten! Gerade den vielen freiwillig Tätigen wird mit der Entwicklung von Mindeststandards für Gehälter ein Instrument in die Hand gegeben, um den Wert ihrer Arbeit argumentieren zu können. Abseits des – selbstverständlich – erbrachten gesellschaftlichen Mehrwerts ist es mehr und mehr unabdingbar, auch eine monetäre Bewertung der eigenen Arbeit für die FördergeberInnen vorzunehmen.

Und den FördergeberInnen, die Kultur in das Feld der unentgeltlich erbrachten Dienstleistungen schicken wollen, ist entgegen zu halten: „Kultur ist Zukunftssache“. Im freien Kulturbereich wird jene Pionierarbeit verrichtet und geleistet, die später von großen Häusern mit ungleich anderen (budgetären) Mitteln aufgenommen und weiterentwickelt wird. Im freien Kulturbereich entstehen jene Experimentierräume, in welchen an Modellen eines kollektiven, aktiv solidarischen Miteinanders gearbeitet werden kann. Diese Räume und ihre ProtagonistInnen brauchen aber Strukturen und Förderung, um existieren und die Arbeit an der Gesellschaft leisten zu können.

Dass mit dieser Kampagne einmal mehr dem neoliberalen Vorbildmodell der flexiblen, multi-skilled Cultural Worker gehuldigt wird, stellt eine weitere Gefahr dar. Aber eine Gefahr ist es nur dann, wenn sich die KulturarbeiterInnen dieser nicht bewusst sind. Wenn aber das Bewusstsein über den Wert der eigenen Arbeit und die Einbettung derselben in einen neuen Begriff von Arbeit eingebettet wird, dann kann den neoliberalen Paradigmen etwas entgegengesetzt werden. Nämlich eine Arbeit, die fair bezahlt wird, die Spaß macht und die diejenigen, die sie verrichten, auch wirklich wollen!

 

Stefan Haslinger ist in der Geschäftsführung der KUPF tätig und im Vorstand der IG Kultur Österreich, des KV waschaecht Wels und des Betriebsvereins Alter Schl8hof Wels.

Literatur und Links
www.igkultur.at/projekte/fairpay
www.facebook.com/fairpay1

Haug Frigga (2008): Die Vier-in-einem-Perspektive. Politik von Frauen für eine neue Linke. Hamburg: Argument Verlag.

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