Fair Pay bei Kulturdebatte im Vorarlberger Landtag: Endlich vom Reden ins Handeln kommen!

Am Donnerstag, 6. Juli, fand im letzten Vorarlberger Landtag vor der Sommerpause eine Kulturdebatte zum Thema Kulturbudget 2024, Studie zu Lebens- und Einkommensverhältnissen Kunstschaffender in Vorarlberg und Schließung des Fair Pay-Gaps statt. Die durchaus emotionale Debatte wurde durch einen Selbstständigen Antrag der NEOS und SPÖ entfacht, der ORF Vorarlberg hat die Ergebnisse zusammengefasst und mit IG Kultur Vorarlberg-Geschäftsführerin Mirjam Steinbock ein Interview geführt.

Die Zusammenfassung von Ingrid Bertel für Radio Vorarlberg kann man bis spätestens 17. Juli hier nachhören, das Interview von Annette Raschner mit Mirjam Steinbock hier.
Eine Transkription zum Interview folgend - das Kulturmagazin von Radio Vorarlberg am 10. Juli 2023 wurde von 
Ines Hergovits-Gasser moderiert.

 

Die Lage der Vorarlberger Kulturschaffenden ist alarmierend, darüber herrscht auch in der Landespolitik parteiübergreifende Einigkeit. Nachdem nun die 160 Seiten starke Studie der Fachhochschule Vorarlberg zu den Einkommensverhältnissen vorliegt, wird von Allen dringender Handlungsbedarf gesehen. „Wir werden die Handlungsempfehlungen prüfen und die Förderstrukturen entsprechend anpassen“, sagte Landesstatthalterin und Kulturlandesrätin Barbara Schöbi-Fink in der Kulturdebatte im Landtag. Im Frühherbst soll die Kulturstrategie präsentiert werden, was sie beinhalten sollte, führt Mirjam Steinbock von der IG Kultur im Gespräch mit Annette Raschner im Detail aus.

 

Mirjam Steinbock:
Zuerst gab es einen Antrag von den NEOS und der SPÖ, der im Kultur- und Bildungsausschuss zuvor besprochen wurde, dazu wurden wir von der IG Kultur auch eingeladen als Auskunftsperson auch noch mal zu den Ergebnissen der Prekariatsstudie. Es wurde umfassend dort besprochen und es war eine sehr gute Diskussion mit allen Kulturverantwortlichen der Parteien. NEOS und SPÖ haben den Antrag eingereicht, sie haben einerseits für ein ausreichendes Basisbudget für die freie Kulturszene plädiert, oder angefragt, dass das bereitgestellt wird, und das auch die Kürzungen der letzten Jahre berücksichtigt, dass das mit entsprechenden Valorisierungen versehen wird und zudem dass das nötige Budget zur Verfügung gestellt wird, um den Fair Pay-Gap zu schließen. Der (Anm.: der Antrag) ist leider nicht durchgegangen, sie waren in der Minderheit und für mich hörte es sich schon so nach einem entweder Oder an, also ich höre aus diesem Beschluss nicht heraus, dass sowohl der Fair Pay-Gap werden soll als auch die anderen Teuerungen aufgefangen oder entsprechend darauf reagiert wird.

 

Annette Raschner:
Sabine Scheffknecht von den NEOS sagt, so etwas dürfte es eigentlich in Vorarlberg nicht geben, bezugnehmend auf die Studie, die von Fabian Rebitzer von der FH Vorarlberg geleitet wurde. Ich glaube, da sind sich die Parteien durchaus einig, dennoch, wird der Ernst der Lage von allen so erkannt wie er erkannt werden sollte Ihrer Meinung nach?

 

Mirjam Steinbock:
Ich weiß gar nicht, ob der erkannt wird, der Ernst der Lage, ich weiß auch gar nicht, ob das ankommt. Ich habe den Eindruck bei den Damen und Herren aus dem Landtag, die wahrscheinlich und ich hoffe es für sie entsprechend ihrer Aufgaben und Leistungen honoriert werden, dass sie überhaupt gar keine Ahnung davon haben, wie es ist, so zu arbeiten und so zu leben. Zu arbeiten vielleicht, aber nicht, so zu leben, um mit so wenig auskommen zu können, darum weiß ich gar nicht, wie sehr das angekommen ist. Aus der Kulturdebatte heraus habe ich bei der Opposition vor allen Dingen Erschütterung wahrgenommen, die ich persönlich sehr gut finde, weil es mir auch so geht. Wenn ich erschüttert bin, wenn mir etwas Schmerz macht, dann versuche ich, das zu verändern, und zwar rasch, damit das aufhört. Und da habe ich bei der Opposition, und ich betone immer wieder, wir haben mit allen Sprecher*innen der Parteien ein sehr gutes Auskommen, da habe ich die Erschütterung gemerkt.

Bei den Regierungsparteien nicht in dem Ausmaß, nicht bei allen der beiden Parteien, bei den Grünen mehr noch als bei der ÖVP, die sich aus meiner Wahrnehmung etwas zurücknimmt. Was unter Umständen verständlich ist, wenn man seit 2019 im Regierungsprogramm stehen hat, dass es das Prekariat gibt und etwas dagegen getan wird dagegen, jetzt haben wir 2023 und wir haben noch keine faktischen Maßnahmen nach dieser Studie. Und nächstes Jahr sind Neuwahlen, praktisch gibt es keine Zeit mehr, da fehlt mir ein Stück weit schon die Betroffenheit oder das ‚Boh, jetzt müssen wir aber gleich etwas machen.‘ Also das politische Bekenntnis und wirklich auch auf ganzer Linie, denn in der Kulturdebatte war es schon ausgedünnt auf den Rängen und dass der Finanzverantwortliche, unser Landeshauptmann, dort nicht sitzt und zumindest dann am Schluss beim Beschluss – denn es geht um eine Budgeterhöhung – das ist schon ein Zeichen, das fällt uns einfach auf.

Eineinhalb Stunden glaube ich waren es, da wird darüber debattiert mit Inhalten, die in anderen Landtagssitzungen auch schon gefallen sind. Aber jetzt darauf Bezug zu nehmen, was braucht es denn, ist wichtig, auch, was das Gesetzliche anbelangt und es ist gut, dass es Oppositionsparteien gibt, die wirklich dezidiert darauf Bezug nehmen. Wir haben ein Arbeitslosenversicherungsgesetz, das nicht auf die Arbeitsrealitäten in Kunst und Kultur Bezug nimmt. Denn das bestehende Gesetz stellt auf die Tätigkeit ab, aber nicht auf die Person. Es ist immer auf eine Tätigkeit fokussiert und wenn Akteur*innen hybride Beschäftigungsverhältnisse haben, dann greift das dort nicht. Etwas, das vom österreichischen Kulturrat schon seit mehreren Jahren kritisiert wird, es bewegt sich dort nichts. So auch beim Künstler*innensozialversicherungsfonds, da ist es ähnlich.

 

Annette Raschner:
Wenn ich Sie richtig verstehe, Sie wollen, dass die Akteure endlich vom Reden ins Handeln kommen. Es heißt ja auch, im Frühherbst soll die neue Kulturstrategie vorliegen. Was wirklich vorliegen wird, ist noch unklar und auch da gibt es von der IG Kultur ja auch die Kritik, dass man nicht entsprechend eingeladen wurde.

 

Mirjam Steinbock:
Also, noch sind wir nicht eingeladen worden in eine Strategiegruppe oder in ein Strategieteam und im September soll das Ganze ja schon präsentiert werden. Ich weiß nicht, ob da noch was passiert jetzt nach der Landtagsdebatte, möglich ist es ja. Wir bieten es immer wieder an, und es würde aus unserer Sicht Sinn machen und auch für die Szene, wenn es eine möglichst breite Einbindung geben würde, also seitens der IG, die über dementsprechende Erfahrungen und die Expertise verfügt, wie auch seitens Kunst- und Kulturakteur*innen, die aus dem Inneren heraus sprechen, damit wir auch mal auf eine Augenhöhe kommen und damit wir auch direkt überprüfen können, sind denn die Maßnahmen, die angeregt werden, greifen die oder gehen die wieder an der Realität vorbei. Und ja, jetzt ist es wirklich an der Zeit wirklich etwas zu tun und mit dem politischen Willen und politischen Ja dazu ‚Doch, komm, machen wir jetzt wir wollen da raus‘ geht es selbstverständlich leichter.

 

Annette Raschner:
Letzten Endes muss natürlich das Kulturbudget höher werden, daran führt glaube ich kein Weg vorbei. Kulturlandesrätin Barbara Schöbi-Fink meint, es sieht ganz gut aus, die Verhandlungen laufen und dann gibt´s aber auch die Aussage von ÖVP-Kultursprecher Christoph Thoma auf der anderen Seite: Ja, wir müssen aber auch über Qualität reden, weil nicht jeder – ich zitiere ihn da – der behauptet, ein Künstler zu sein, ist ein Künstler in Vorarlberg. Wie werten Sie die Aussage in der Gesamtdebatte über prekäre Lebens- und Einkommensverhältnisse?

 

Mirjam Steinbock:
Die stehen diametral zu den Ergebnissen dieser Studie. Wir sprechen da von hochausgebildeten Künstlerinnen und Künstlern, die auch etabliert sind usw., und ich mag mich auch in der Qualitätsdebatte nicht ständig ablenken lassen vom Wesentlichen, denn dass Qualität da sein muss in irgendeiner Art und Weise, auch bei neuen Formaten, ist überhaupt der Zugang zu einer Förderung. Darauf bezieht sich auch die Landesrätin auch immer und die Kulturabteilung und das ist auch in Ordnung so, die Qualität mit ins Feld zu führen. Also, wenn gefördert wird ohne den Qualitätsanspruch, dann führt das die Förderung doch ad absurdum. Da verstehe ich nicht das Argument, drum möchte ich auch nicht darauf eingehen, viel wichtiger ist doch zu sagen, was auch im Kulturförderungsgesetz steht und in den Förderrichtlinien, dass gute Rahmenbedingungen zur Teilhabe am kulturellen Leben geschaffen werden, was von den Kunst- und Kulturakteur*innen und Einrichtungen bereitgestellt und bespielt wird, natürlich mit einem Publikum. Und nochmal, die günstigen Rahmenbedingungen für eine Teilhabe am kulturellen Leben, also d.h., dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und auch von außen die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen, ganz egal, wie ihre Bedingungen sind, dass es leistbar ist, ist ja enorm wichtig und steht in einem Gesetz, also, es gibt eine Verpflichtung demgegenüber und dem müssen doch Landespolitikerinnen oder Regierungsparteien unbedingt entsprechen, darum fehlt mir da wirklich dieses Doppel, Dreifach, Fünffach-Ja, dass sie sagen, wir tun jetzt alles dafür, was braucht es, wir kämpfen dafür.

Dann heißt es immer „ich bin leidenschaftlich in der Kultur“, mag sein, ist aber in dem Ressort vielleicht auch sekundär, viel wichtiger ist zu sagen, das kriegen wir doch hin und das setzen wir jetzt um. Es gibt das Ja aus der Szene und immer wieder „Wir arbeiten mit, wir beteiligen uns, was braucht ihr? Wir tun mit!“ Es geht nur gemeinsam, das ist mal ganz klar, es werden sicher Fehler gemacht werden jetzt in der Zeit, um Neues zu implementieren und umzusetzen und zu evaluieren, aber wenn wir das auf gemeinsamen Schultern tragen, dann wird das schon funktionieren und wir tragen es eben dann alle mit. Für alle. Wir alle, aus der Kunst- und Kulturszene, für letztendlich die, die unser Publikum sind und die es erreichen soll und muss.“

 

Soweit die Geschäftsführerin der IG Kultur, Mirjam Steinbock, im Gespräch mit Annette Raschner. „Wir müssen endlich vom Reden ins Handeln kommen“, sagt sie.

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