Ein Rückblick auf die Kulturpolitik der letzten Jahrzehnte aus dem Jahr 2040

Für das Magazin TheGap blickte Gabriele Gerbasits, Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich, anlässlich des 20 Jahrestages von "SoKult", dem Tag der Soziokultur, im Jahr 2040 zurück auf über zwei Jahrzehnte Kulturpolitik. Und zieht Bilanz.

IG Kultur bei der Generalversammlung in Vorarlberg

20 Jahre Tag der Soziokultur! Eine Festrede.

 

Wir schreiben das Jahr 2040. Dies sind die Abenteuer der IG Kultur Österreich, die mit ihrer 900 Kulturvereinen starken Mitgliederstruktur 50 Jahre unterwegs ist, um freie Kulturarbeit zu erforschen und neue Zivilisationsformen zu erproben. Viele Lichtjahre vom bürgerlichen Kulturbegriff entfernt, dringt die freie Kulturarbeit in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Als am 20. Mai 2020 zum ersten Mal »SoKult«, der Tag und die lange Nacht der Soziokultur österreichweit stattfand, wurden die JournalistInnen der sogenannten Breitenmedien von einer bis dahin aus ihrer Wahrnehmung ausgeblendeten Dimension überrascht. In öffentlichen Räumen in Städten und Dörfern wurde in rund zehntausend Aktionen, Vorstellungen und Darbietungen gezeigt, was mit »Kultur für Alle« gemeint ist und wie Kunstschaffen und »Kultur von Allen« zusammengehen. Die verblüfften KulturjournalistInnen hatten Stoff für mehrere Wochen Berichterstattung und sind seither verlässliche PartnerInnen des kulturellen Narrativs der jeweiligen Regionen und Städte.

Aus Anlass des 20. Jahrestags dieses Festivals würdigen wir heute die positiven Entwicklungen und Auswirkungen, die freie Kulturarbeit auf unser Zusammenleben hat. Als Politik und Medien ihr Augenmerk endlich auf die gesellschaftlichen Leistungen freier Kulturarbeit legten, fand kulturelle Bildung wieder Eingang in die schulische Grundausbildung. Durch öffentliche Investitionen konnte der Zugang zu kulturellen Veranstaltungen barrierefrei für alle Bevölkerungsschichten geöffnet werden. Partizipative Prozesse und selbstverwaltete Räume führten zu einer Belebung des Gemeinwesens und des sozialen Zusammenhalts.

Dies alles war nur möglich, weil die Verzehnfachung der Kulturbudgets die Prekarisierung der KulturarbeiterInnen beendete und dies wiederum in der Kulturwirtschaft einen Investitionsimpuls auslöste. Die durch die Gesetzesänderung zum Stiftungsrecht und zur Spendenabsetzbarkeit initiierte private Fördertätigkeit hat ein weiteres Feld vielfältiger Kunstproduktion und Kulturschaffens erschlossen.

Das 1970 postulierte Versprechen einer subkulturellen Bewegung, die allen Menschen eine Beteiligung am kulturellen Leben garantieren wollte, konnte 50 Jahre später eingelöst werden. Feiern wir heute gemeinsam »20 Jahre Tag der Soziokultur« und seien wir gewahr: es hätte auch anders kommen können!

Was nicht ist, kann man nicht sehen. Für alles, was nicht passiert, kann man die Politik nur schwer verantwortlich machen. Obwohl die Versäumnisse mitunter die größte unsichtbare Gefahr darstellen.

»Why don’t we just wait here for a little while … see what happens?« (The Thing 1982)

 

 

 

TheGap Magazin

 

Erschienen in: TheGap: "20 Menschen der heimischen Kulturszene über definierende Momente"

 

Ähnliche Artikel

rote leere Sessel im Theater Ob auf der Bühne oder hinter den Kulissen: Wer am Theater arbeitet, kommt um das Theaterarbeitsgesetz (TAG) und seine zwingenden Sonderbestimmungen nicht herum. Zuerst muss aber die geeignete Beschäftigungsform her: Ensemblevertrag, Gastvertrag oder doch Werkvertrag? Ein Balanceakt mit Auswirkungen. Ab Herbst 2025 soll eine Gesetzesnovelle die Abgrenzung erleichtern. Für uns ein Anlass, das TAG und die Neuerungen näher zu beleuchten.
Das europäische Parlament will die Arbeitsbedingungen im Kulturbereich bessern. Um die Anliegen zu untermauern, führt „Culture Action Europe" in Zusammenarbeit mit „Panteia" eine Umfrage zur Situation und Arbeitsbedingungen von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen in ganz Europa zu bewerten. Die Umfrage ist bis zum 9. Februar geöffnet.
Nur 4 von 15 Personen im neu besetzten steirischen Kulturkuratorium sind Frauen. Keine andere soziale Gruppe wurde abgebildet. Während die Politik diese Zusammensetzung als eine zufriedenstellende Repräsentation von Diversität ansieht, äußern wir hier mit einem Protestbrief Kritik.