Die Kunstministerin empfiehlt... MigraZine

Kulturpolitik muss die finanzielle Sicherung der autonomen und freien Kulturarbeit als prioritären Belang behandeln, damit Reflexion und Aufwertung der Subjektivität und nicht die bloße Reproduktion der vorhandenen Strukturen gefördert werden.

Zur Förderung freier Kulturarbeit

Anfangs möchte ich mich für die Einladung, für die Kulturrisse zu schreiben, bedanken. Die Existenz solcher freier und gesellschaftskritischer Medien ist unabdingbar, denn sie bieten ein wichtiges Forum für die Darstellung und für den Austausch über Ideen und Positionen, die keine Reproduktion des Status Quo bilden.

Ich heiße Maria Hofer Ministra da Silva und trat beim letzten Wahlkampf als unabhängige Kandidatin für den Posten der Kunstministerin in Österreich an. Meinem Statement kann man die zentralen Ziele meiner Kandidatur entnehmen (und ich nehme an, dass viele LeserInnen dieser Zeitschrift bereits über meine Positionen und Forderungen informiert sind). Bereits die Tatsache meiner Kandidatur als Migrantin mit langjähriger Erfahrung im Kampf gegen sexuelle, ethnische, religiöse und soziale Diskriminierung weist auf das oberste Ziel der Politisierung der Kulturarbeit und der Bekämpfung der hegemonialen Machtverhältnisse hin.

Ein weiterer Punkt, den ich hier erwähnen möchte, bezieht sich auf die Notwendigkeit der verstärkten Förderung der freien Kulturarbeit, deren Merkmal die Nicht-Kapitulation gegenüber der – von Adorno so bezeichneten – Kulturindustrie ist. In der Kulturindustrie werden Kultur und Kunst als Unterhaltung verstanden. Hier beobachten wir eine Art von Trugbild des Lachens und eine serielle Produktion von Unterhaltung mit seichtem Inhalt, welche die Funktion einer Kontrolle über die Menschen (die auf die Rolle von KonsumentInnen reduziert werden) ausübt.

Die KonsumentInnen sind passiv. Sie hinterfragen nicht ihren Willen, ihr Begehren, ihren Geschmack und ihre Vorlieben, aber sie fühlen sich durch den Konsum integriert. Zumal die Subjektivitäten zerstört werden, verlangen die Subjekte eine immer weniger komplexe und reflexive Unterhaltung.

Somit muss die Kulturpolitik die finanzielle Sicherung der autonomen und freien Kulturarbeit als prioritären Belang behandeln, damit Reflexion und Aufwertung der Subjektivität und nicht die bloße Reproduktion der vorhandenen Strukturen gefördert werden. Nicht nur finanzielle Sicherung der bereits bestehenden Initiativen und Aktionen im autonomen Kulturbereich sollen verstärkt gefördert, sondern auch neue Initiativen anerkannt und unterstützt werden!

... am Beispiel des Online Magazins MigraZine

Vor einigen Tagen wurde ich zum Beispiel über ein Projekt informiert: Es handelt sich um ein Online-Magazin, das das Ziel der Demokratisierung des Zugangs zur Information im Kulturbereich vefolgt. Das Online Magazin wurde/wird von und für Migrantinnen konzipiert und durchgeführt und ist unter dem Titel MigraZine bereits im Netz allen zugänglich.

An dieser Stelle gebe ich das Wort an Cristiane Tasinato, der Koordinatorin des Projektes, weiter:

„MigraZine ist ein herausforderndes Projekt, das im Sinn einer Demokratisierung der Informationen ein Online-Magazin in sechs verschiedenen Sprachen in die Welt gesetzt hat. Die Produktion eines Magazins ist bereits eine sehr aufwändige Aufgabe, stellt euch vor, dies in sechs Sprachen zu machen! Aber wir haben es geschafft!!
Das Projekt wurde vom Verein maiz konzipiert und ich wurde eingeladen, es zu koordinieren. MigraZine bildet ein Beispiel für eine antidiskriminatorische und selbstbewusste Praxis im Bezug auf die Mehrheitssprache Deutsch. Denn hier herrscht der Common Sense, wonach eine Migrantin, welche die Mehrheitssprache nicht perfekt beherrscht, nicht in der Lage ist, kulturelle und intellektuelle Tätigkeiten durchzuführen. Es wird uns „empfohlen“, als Putzfrauen zu arbeiten.
Anhand dieses Beispiels zeigen wir, dass es möglich ist! Und warum? Weil wir müde und gelangweilt sind, die Anderen über uns sprechen zu lassen! Das können wir selbst viel besser!“

Anmerkung

MigraZine ist ein virtueller Raum, in dem sich Migrantinnen aus verschiedenen Ländern in ihrer Muttersprache austauschen können, zu Themen wie: Arbeit und Aufenthalt, Ausbildung, Gesundheit, Kulturarbeit von Migrantinnen, Information, Tipps zur Einreichung von Kulturprojekten u.v.a. Zu den oben genannten Themen ist die Seite verlinkt, um den LeserInnen die Möglichkeit zu geben, eine schnelle Korrelation zwischen den offiziellen Informationen und der Perspektive der MigrantInnen (eher ein kritischer Blick!) aufzubauen. Das Magazin soll unbedingt eine Fortsetzung haben und zwar als „Migrationsbrille“ zum Großevent „Kulturhauptstadt Linz 2009“. Daher freuen wir uns besonders, unseren fremden Blick den Einheimischen anzubieten, um eine realistischere Reflexion anzukurbeln und zu provozieren (?)!

Eine Gruppe von Migrantinnen traf sich regelmäßig von Juni bis Oktober dieses Jahres. Dabei haben sie gelernt, ihr „angeborenes“ Journalistinnenkönnen zu erkennen und ans Licht zu bringen, ihrer Problematik als Frauen und Migrantinnen ein Gesicht in Form von Texten zu geben und ihre kritische Sichtweise in eine politische Richtung zu lenken.

Die mitwirkenden Frauen sind Kim Carrington, Jasminka Husic, Nancy Maldonado Morales, Danielli Zickermann-Cavalcanti, Monique Muhayimana.

Maria Hofer Ministra da Silva trat beim letzten Wahlkampf als unabhängige Kandidatin für den Posten der Kunstministerin an. www.kunstministerin.at

Cristiane Tasinato ist Koordinatorin des vom Verein maiz konzipierten Projekts MigraZine in Linz. www.migrazine.at

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