Die Gedanken sind frei. Zur Kulturpolitik der SPÖ.

Ein Vertreter jener Partei, die „die öffentliche Diskussion über kunstpolitische Fragen führen und fördern sowie für die Auseinandersetzung mit Kunst aktiv werben“ will, wählt als Forum für diese Auseinandersetzung den Boulevard und bedient dumpfe Reflexe, indem bei Kunst, die provoziert, an ihre Finanzierung erinnert und auf den Automatismus „Dafür zahlen wir nicht!“ spekuliert wird.

Damit keine verzerrte Perspektive auf die letzten sechs Jahre entsteht, möchte ich diesem Artikel voran stellen, dass die Kulturpolitik der beiden Kabinette Schüssel einen nicht zu unterbietenden Tiefpunkt darstellt und sowohl den politischen Diskurs, die Verfahrensweisen als auch die Budgets nachhaltig beschädigt hat. Der kulturpolitische Wahlkampf der SPÖ kommt nur schleppend in die Gänge. Zwar gab es in der medialen Saure-Gurken-Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr einen aufgelegten Kunst-Skandal um die Plakate der Serie „25 peaces“, der der Landeshauptfrau Burgstaller als erste die Möglichkeit verschaffte, im Namen des Feminismus nach Zensur zu rufen, aber das war’s dann auch schon wieder. In diesem Zusammenhang fiel nur noch Josef Caps fein ziseliertes Urteil auf, den Arbeiten ihren Kunstcharakter abzusprechen, indem er sie zu reinen Marketinginstrumenten degradierte. Und auch Josef Cap war es wiederum, der auf die Verschwendung von Steuergeldern für die „so genannten EU-Porno-Plakate“1 hinwies. Ein Vertreter jener Partei, die „die öffentliche Diskussion über kunstpolitische Fragen führen und fördern sowie für die Auseinandersetzung mit Kunst aktiv werben“2 will, wählt als Forum für diese Auseinandersetzung den Boulevard und bedient dumpfe Reflexe, indem bei Kunst, die provoziert, an ihre Finanzierung erinnert und auf den Automatismus „Dafür zahlen wir nicht!“ spekuliert wird. Ein Automatismus, der dann auch erfolgreich ausgelöst wurde, wenn hier an die Berichterstattung in der Kronen Zeitung verwiesen werden darf. Ein wenig mehr als 10 Jahre nach der Hetzkampagne der FPÖ Wien gegen KünstlerInnen versucht die SPÖ offensichtlich in ähnlichen Tümpeln zu fischen, indem ein essenzialistisches Kunstverständnis aufgerufen wird, in dem kontextfrei festlegt ist, was denn nun Kunst ist und was nicht. Und wer oder was hier nicht reinpasst, dem/der wird dann der Finanzhahn zugedreht. Selber schuld, denn wie schon weiland Franz Morak wusste, soll die Hand, die füttert, nicht gebissen werden. Außerdem ist Wahlkampf, und da braucht’s Botschaften und Stimmung gleichermaßen. Beides wurde erfolgreich rübergebracht. Und dann ward es wieder still um die Kulturpolitik der SP.

Ich denke, was ich will...

Allerdings gibt es ja auch die Bundesländer, in denen der ärgste Frust über SchwarzOrangeBlau (oder wie immer die Koalition jetzt wirklich „funktioniert“) schon in Stimmen umgemünzt werden konnte. Dort werden nun erste Versuche unternommen, jene „zeitgemäßen Vergabemodelle“ zu entwickeln, wie sie in den Programmschriften der Partei noch recht unspezifisch beschworen werden. Je nach realpolitischem Spielraum fallen diese konventioneller aus (wie etwa eine intensivierte Version des BeirätInnensystems in der Steiermark) oder gewagter, wie das fragwürdige Experiment der Wiener Netzkulturförderung. Dieses sieht die Auslagerung der kulturpolitischen Verantwortung für konkrete Förderentscheidungen an die Community selbst vor; nach dem Motto: Hat das Modell Erfolg, so kann er einer Kulturpolitik gut geschrieben werden, die derart innovative Zugänge ermöglicht, floppt das Ganze, so ist die Community schuld. Die Entwicklung eines derartigen Modells, wo das Vermeiden kulturpolitischer Entscheidungen (was nicht zuletzt aufgrund mangelnder Kenntnis des Feldes ein nicht ungeschickter Schachzug ist) als demokratischer Erfolg abgefeiert und an eine Szene ausgelagert wird, die sich zuvor registrieren muss, um überhaupt in den Kreis potenzieller FördernehmerInnen aufgenommen zu werden, scheint auf den ersten Blick eher ein Wunschtraum von machtbewussten KulturpolitikerInnen zu sein, der Wiener Kulturstadtrat denkt aber schon weiter – an eine eventuelle Ausdehnung des Modells der Fördervergabe per Community-gesteuerter Software auf den Filmsektor. Ob das auch dort eine radikale Kürzung bestehender Infrastrukturen zur Folge hätte, ist zwar noch offen, wenn allerdings die Gewichtung der Fördergelder gleich aussieht – 1/5 für Infrastruktur und 1/5 für eine große Präsentationsveranstaltung, der Rest besteht aus einjährigen Projektförderungen in verschiedenen Größenordnungen –, so stimmt dies zumindest bedenklich. Allerdings wird in Feldern, die mit ungleich stabileren Strukturen und Institutionen ausgestattet sind, ein derartiges Modell weitaus schwerer zu implementieren sein als in der Netzkultur. Dass nur mehr auf die Resistenz von Strukturen gegen eine sozialdemokratische Kulturpolitik gehofft werden kann, versüßt den Gedanken an einen Machtwechsel nur wenig.

Und was mich beglücket.

Aber es gibt ja auch bislang noch weitgehend unbearbeitete Felder, wo die SPÖ kulturpolitischen Handlungsbedarf ortet und dementsprechend aktiv wird. Auch hier hat Wien (noch) die Nase vorn. Dies kann an jenem Bereich verdeutlicht werden, den Andreas Mailath-Pokorny erwähnt3, wenn er auf innovative Kanäle angesprochen wird, in die er als Kulturstadtrat Geld strömen lassen kann: die Creative Industries. Nun ist es heraußen. Endlich. Nachdem lange Zeit seitens der Politik und ihrer ausführenden Organe Stein und Bein geschworen wurde, dass es sich dabei um eine reine Wirtschaftsförderung handle, die niemals zu Lasten der Kunstbudgets gehen würde, scheint es nun doch anders zu kommen, wenn die Creative Industries als Gesamtkonzept für die Wiener Stadtkultur genannt werden. Wenn es nach dem sozialdemokratischen Kulturstadtrat geht, so wird sich Wien künftig also als „3-T-Stadt“ positionieren, nämlich über Technologie, Toleranz und Technik. Und wenn der Stadtrat Richard Florida zitiert, so ist zumindest Besorgnis angebracht, verknüpft dieser Autor doch beispielsweise die Kon- zentration von Schwulen (die dann auch quantitativ im „gay index“4 erfasst werden können) mit der Kreativitätsrate einer Region, die dann wiederum für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen soll. Nicht nur, dass sich Kulturpolitik da zum eifrigen Helferlein für wirtschaftspolitische Zielsetzungen degradiert, es wird dabei auch noch munter Homosexualität (die ansonsten mit handfester Diskriminierung bedacht wird) essenzialisiert und in einem Aufwaschen funktionalisiert. Schwul und bunt und lustig – der LifeBall als neue Leitfigur für eine Kulturpolitik mit wirtschaftspolitischen Fernzielen?

Doch alles in der Still’...

Soweit zu den verschiedenen Ideen für die Zeit nach dem heiß ersehnten Regierungswechsel. Wenn nun auch vom Wahlkampf einerseits und von der Euphorie der Machtergreifung in den Bundesländern andererseits abgesehen wird – was hat sich in den Jahren seit 2000 abgespielt, woraus eine kulturpolitische Linie abgelesen werden könnte? Vorwiegend Diskretion. Die permanent sinkenden Kulturausgaben des Bundes waren der Opposition ebenso wenig Protest wert wie die Verschiebung der Förderschwerpunkte und die damit einhergehende Demontage von unabhängigen Strukturen. Wie ein derartiger Ansatz umgesetzt wird, kann gerade in Salzburg beobachtet werden, wo sich die Förderungen immer stärker auf die acht großen Kulturinstitutionen konzentrieren, und der freien Szene immer weniger Mittel übrig bleiben. Der Trend der Kulturförderung des Bundes wird hier deutlich umgesetzt: große Flaggschiffe der Repräsentationskultur anstatt dezentraler, kritischer Kulturarbeit. Diese schwerfälligen Dampfer haben viele Vorteile: Zum einen sind darüber hohe Fördersummen leichter kontrollierbar wie das Beispiel des Lentos in Linz zeigt. Passt das Programm nicht, so wird in einer unschönen Vorschau auf eine etwaige große Koalition ein mediales Dauerfeuer (wieder im bewährten Schulterschluss mit der Kronen Zeitung) auf die Direktorin eröffnet, um eine inhaltliche Korrektur in Richtung stromlinienförmiger Blockbuster-Ausstellungen zu erzwingen. Das ist bei den vielen kleinen Initiativen und Vereinen weitaus unbequemer, weil aufwändiger, weshalb diese nun schön langsam ausgehungert werden. Diese Erkenntnis teilen SPÖ wie auch ÖVP – das freie Auge erkennt keine Unterschiede. Aber die großen Institutionen haben noch einen weiteren Vorteil, der nicht unterschätzt werden darf: Sie eignen sich perfekt, um parteinahen Personen lukrative Anstellungen zukommen zu lassen, wie beispielsweise Kathrin Zechner im Ronacher oder auf ÖVP-Seite nebst vielen anderen Wolfgang Waldner im Museumsquartier. Das ist doch allemal leichter als erst mühsam Neugründungen vorzunehmen wie im Falle von Adi Hirschals Wiener Lustspieltheater. Nun kann zwar von keiner Partei erwartet werden, gegen die eigenen Fehler aufzutreten, schon gar nicht öffentlich (warum eigentlich nicht?), aber doch vielleicht gegen die der anderen, noch dazu wenn sie sich in der Opposition befindet. Stattdessen wurde eine Politik der noblen Zurückhaltung betrieben, vom harten Oppositionsbankerl aus wurde staatstragend agiert oder gleich konstruktiv mitgestaltet, d.h. einfach mitgestimmt wie beispielsweise beim neuen Fremdengesetz. Eine Politik der konstruktiven Opposition, die sich Belohnung erhofft.

Und wie es sich schicket.

Die genannten Beispiele sind altbekannt und wurden oft kritisiert. Das macht sie nicht ungeschehen und sie sollten während des Wahlkampfes nicht vergessen werden. Ebenso wenig wie der Umstand, dass Kulturpolitik bereits in den letzten Jahren der großen Koalition immer stärker vernachlässigt wurde und neue Modelle allenfalls in den Schreibtischladen der Administration landeten. Nur nicht auffallen, nur niemandem wehtun, hieß die Devise. In dieser Denkweise ist es folgerichtig, dass am Ende dieses Prozesses nach Zensur gerufen wird, wenn die Kronen Zeitung missbilligend eine Augenbraue hebt. Populistisches Wolfsgeheul einerseits und die pragmatische Bekämpfung von Symptomen statt des Entwurfes umfassender Alternativen andererseits, wie im Fall der KünstlerInnensozialversicherung – so entsteht nicht der Eindruck, dass sich die SPÖ für eine Kunst jenseits des Neujahrkonzerts stark machen würde, gleichzeitig können aber Kunstschaffende mit dem Hinweis beruhigt werden, dass die Partei ohnehin ihre Interessen gut verträte. Vor der Folie der Regierungsparteien kommen sogar Brösel vorteilhaft. Stattdessen werden die Vorgaben und Themen der Bundespolitik willfährig aufgenommen und energisch in neue Strukturen gegossen, wie das Beispiel der Creative Industries zeigt. Die Einrichtung aufwändiger Förderprogramme für Distributions- und Marketingmaßnahmen von Kreativwirtschafts-Betrieben, die Bereitstellung neuer Mittel dafür und nun die forsche Behauptung, dass es sich dabei auch noch um Kulturpolitik handle, könnte auch ein Werk des Staatssekretärs sein, ist aber bemerkenswerter Weise die Kulturpolitik der SPÖ nach 6 Jahren Opposition. Vor dieser wenig ruhmreichen Folie bleibt nur zu hoffen, dass die kommenden Wahlen ein Überdenken des bisherigen Verhaltens sowie eine grundsätzliche Neuorientierung auslösen – auch wenn es das erste Mal wäre, dass ein Wahlkampf innerparteiliche Reflexionen bewirkt.

1 www.spoe.at, Aussendungen / chronologisch / SK 2005_12 / Cap zu EUSexPlakaten: Kanzlers Lügengebäude bricht zusammen.

2 Parteiprogramm der SPÖ, III.10. Identität und kritische Öffentlichkeit – Kunst und Medien, Punkt 8.

3 Andreas Mailath-Pokorny im Interview der Tageszeitung „Die Presse“ vom 14.09.2005.

4 Vgl. Richard Florida (2002): The Rise of the Creative Class, Basic Books; Kap. 14.

Elisabeth Mayerhofer ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich.

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