Das System Berlusconi und ein Gallisches Dorf. Ein kulturpolitisches Statement zum 20-jährigen Bestehen der KUPF.

Was im Falle der KUPF letztlich zählt, ist das Festhalten am Prinzip, sich mit der kulturpolitischen Denk- und Willensanstrengung nicht in die Kuschelecken der Privatsphäre zu bequemen, sondern in den politischen Raum zu treten, diesen ein Stück weit zu beanspruchen, und sich der Privatisierung zu widersetzen

Ich möchte diesen Text mit dem Hinweis einleiten, dass selbst das uns allen vertraute Gallische Dorf nur deshalb ist, was es eben ist – im stets auf den Kopf gestellten Kosmos des Historien-Comics –, weil es uns seine Stärke und seine Bedeutung in erster Linie durch das Kräftemessen mit dem Römischen Imperium und den vielfältigen Erscheinungsformen der antiken Globalisierung erklärt.

Das System Berlusconi

Auch die Welt, die die KUPF umgibt, sollte als eine globale Wirklichkeit betrachtet werden, die auf Regionalitäten oder gar Landesgrenzen schlichtweg keine Rücksicht nimmt. Aus einer ähnlichen Perspektive wie dem Gallischen Dorf muss man sich deshalb auch dem Phänomen der KUPF annähern: Deren Gründung als kulturpolitische Organisation fällt vermutlich nicht zufällig in das Jahr 1986. Dieses Jahr – mit den symbolischen Kennzeichen der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten und dem politischen Aufstieg Jörg Haiders – ist geradezu signifikant für das Aufeinanderprallen zweier Realitäten in der Geschichte dieses Landes, die an den Kampf des David gegen den Goliath erinnern – wobei uns das alt-testamentarische Ergebnis bislang vorenthalten bleibt. Denn 1986 wie auch heute erscheint jeder Versuch nahezu machtlos, gegen eine politische Kultur anzutreten, die über viele Jahrzehnte verweigert und verdrängt, sich in einer Festung einigelt und dabei an sich selbst erstarrt. 1986 bedeutete im Grunde eine schwere Niederlage für jedes Aufbäumen, das von einem Glauben an eine Erneuerung in Gesellschaft, Kultur und Politik getragen war.

Und dennoch: Die KUPF hat seit diesem Jahr 1986 ihren Platz eingenommen, sie ist gewachsen und damit auch an Erfahrungen reicher. Sie hat Position bezogen und sich eingemengt. Der Weg ist nicht immer leicht gewesen, denn zu den Erfolgen gesellen sich naturgemäß auch Rückschläge und Zweifel. Was aber auch im Falle der KUPF letztlich zählt, ist das Festhalten am Prinzip, sich mit der kulturpolitischen Denk- und Willensanstrengung nicht in die Kuschelecken der Privatsphäre zu bequemen, sondern in den politischen Raum zu treten, diesen ein Stück weit zu beanspruchen, und sich der Privatisierung zu widersetzen. „Jeder Konformismus kündigt den Totalitarismus an“, warnt der italienische Philosoph und Publizist Paolo Flores d'Arcais, den ich an diesem Abend alleine schon deshalb zu Wort kommen lassen möchte, weil er sehr genau weiß, wovon er mittlerweile unermüdlich schreibt. Das System Berlusconi – und als solches möchte ich es bezeichnen – hat mit der Abwahl seines Hauptdarstellers als Ministerpräsident noch keineswegs ein Ende gefunden. „Die Front“, stellt Paolo Flores d'Arcais fest, „verläuft im Inneren, innerhalb der Demokratie selbst: und innerhalb der demokratischen Prozeduren. Durch die Kultivierung des Konformismus eben.“ Politik – und das erleben wir allgegenwärtig – stellt sich nämlich als Bestandteil des Marktes zunehmend in den Dienst eines neoliberalen Paradigmas, in dem Sinne, dass nun auch die Politik als elementarer Sektor des Marktes auf Show, Entertainment und Täuschung basiert.

Und was das mit der KUPF zu tun hat

Und was hat das alles mit der KUPF zu tun? Die Notwendigkeit der KUPF ist alleine schon deshalb unbestritten, weil die Welt, die sie umgibt, ihre Existenz erfordert. Es gibt kein Instant-Rezept, das sich – noch dazu handlich und gebrauchsfertig – zur Lösung aller Probleme und Krisen unserer demokratischen Gesellschaften so einfach verteilen lässt. Aber es gibt die KUPF. Sie wird daran erinnern, dass Gesellschaften – und damit auch ihre kulturellen Produktionsbedingungen – nur als frei zu betrachten sind, wenn Grundrechte und Mobilität der Menschen sowie der Austausch von Kulturgütern, Wissen und Information keine Beeinträchtigung erfahren.

Es gibt die KUPF, die nicht dem „lieben Silvio“ zu einer bevor stehenden Wahl alles Gute wünscht, sondern dem System Berlusconi eine kämpferische Absage erteilt, indem sie unter anderem die Politik dazu ermahnt, eben in Politik ausreichend zu investieren. Gemeint ist damit selbstverständlich nicht die Erhöhung der finanziellen Selbstausstattung der in den Parlamenten vertretenen Parteien, als vielmehr die Sicherung der kommunikativen Grundlagen eines demokratischen Gemeinwesens im Informationszeitalter. Dazu zählen Kultur- und Medieninitiativen, die nicht nur als Veranstaltungsräume in den Regionen und Ballungszentren von größter Bedeutung sind, sondern auch in ihrer Funktion als Informations- und Artikulationskanäle.

„Die KUPF“, schreibt André Zogholy in der Jubiläumsfestschrift, „bewegt sich und agiert in einer Sphäre des Politischen“. Ihre Arbeit richte sich – neben den Service-Aufgaben und dem Engagement für die Verbesserung von Rahmenbedingungen – „gegen die klassische Organisationsform von Kirchen und Parteien“. Die Frage des Politischen wird – und hier tritt Mikropolitik als öffentliches Dementi in den Konflikt mit der Makropolitik der großen Einheiten – in der Differenz zum Hegemonialen festgemacht. Im Hinblick darauf hat die KUPF ihren Modellcharakter allemal bestätigt.

Resümee

Der Kosmos des von mir eingangs erwähnten Gallischen Dorfes ist bekanntlich auf den Kopf gestellt. Die KUPF steht in der Welt, die sie umgibt, nach zwanzig Jahren auf beiden Beinen. Mit Magie und übernatürlichen Kräften ist auch weiterhin nicht zu rechnen. Ich möchte daher zum Schluss nochmals meinen Appell wiederholen, den ich der KUPF auch in der Festschrift mitgegeben habe: „Es genügt nicht, mit den Füßen bloß zu stampfen. Wer nach vorne will, muss nach vorne treten und an die Konfliktlinien zurück!“

Anmerkung Download der Festschrift 1986 - 2006: 20 Jahre KUPF unter: http://www.kupf.at

Martin Wassermair ist Historiker, Kultur und Medienaktivist, lebt in Wien.

Der vorliegende Text ist eine gekürzte Version der kulturpolitischen Festrede, die Kulturrat-Vorstandsmitglied Martin Wassermair am 22. April 2006 anlässlich des 20- jährigen Bestehens der „KUPF - Kulturplattform OÖ“ hielt. Langversion unter: http://www.kulturrat.at

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