Arbeiten kann tödlich sein!

<p>Es heißt natürlich immer RAUCHEN kann tödlich sein. Aber die überschriftliche Akzentverschiebung lässt einfach den 3. Euromayday in Wien noch etwas nachklingen. Die Tatsache bleibt ja grundsätzlich in beiden Sätzen gleich: an irgendetwas sterben wir alle.<br /> <br /> Jonathan Franzen, ein Autor in den USA, meint, dass zu den Ängsten, die mit einer Zigarette im Zaume gehalten werden können, paradoxerweise auch die Angst vor dem Tod gehört: „Welcher ernst zu

Es heißt natürlich immer RAUCHEN kann tödlich sein. Aber die überschriftliche Akzentverschiebung lässt einfach den 3. Euromayday in Wien noch etwas nachklingen. Die Tatsache bleibt ja grundsätzlich in beiden Sätzen gleich: an irgendetwas sterben wir alle.

Jonathan Franzen, ein Autor in den USA, meint, dass zu den Ängsten, die mit einer Zigarette im Zaume gehalten werden können, paradoxerweise auch die Angst vor dem Tod gehört: „Welcher ernst zu nehmende Raucher hat noch nicht erlebt, dass er beim Gedanken an den Lungenkrebs von Panik gepackt wurde und sofort eine Zigarette anzündete, um die Panik loszuwerden?“ Franzen sei hier deshalb zitiert, weil sein Essay „Lesen in der Asche“ das Beste ist, was ich zum Thema in den letzten Monaten aufgespürt habe. Im Laufe meiner Rauch-Recherche bin ich aber auch auf Webseiten gestoßen, deren Inhalte erfreulicherweise vom (Nicht-)Rauchen und vom Begehren nach öffentlichem Diskurs darüber abseits der alltäglichen Panikmache zeugen; es steigen sogar Rauchkringel auf.

www.rauchfreiheit.at lautet die Adresse der überparteilichen Plattform namens „Rauchfrei(heit) – Dialog statt Verbot“, die ihr Unbehagen „über den wachsenden Druck der EU-Kommission, Angelegenheiten der persönlichen Lebens- und Konsumgewohnheiten in den Mitgliedstaaten per Gesetz regeln zu wollen“ zu einer Sache von „public interest“ machen möchte. Weiter führende Links führen zur Online-Raucherbewegung und einem www.nichtraucherfuehrer.at. Und natürlich war „dem Führer“ das Rauchen der StaatsbürgerInnen überhaupt nicht recht.

Nun, wie viel oder wenig MigrantInnen (nicht) rauchen, dürfte schwer zu ermitteln sein, denn diese entziehen sich gerne der statistisch erfassbaren Bevölkerung. Für mich ist nicht das (Nicht-)Rauchen ein Hauptproblem, sondern grundsätzlich die panikartige Sprache der Fachleute und überhaupt die amtlichen Bürokratensprachen, welche Probleme immer singulär behandeln. Komplexen Zusammenhängen wird solche Rede nicht gerecht; und so geraten diese letztlich aus den Augen, aus den Sinnen. Es liegt auch an der Ästhetik dieser spalterischen Apostelpolitiken, dass ich nach drei gelesenen Sätzen der Sheet Speech des bmgfj zum angeblichen NichtraucherInnenschutz, nach der Lektüre der Rauch-News auf EU-Seiten zu einem Tschik greife. Lese ich dagegen z.B. Jonathan Franzen, ergreift mich eine Heiterkeit und meine Lust zu pofeln löst sich – zumindest temporär – in Luft auf.

Wo liegt denn die Wurzel? Die Nikotinpflanze ist ursprünglich nur auf dem amerikanischen Kontinent gewachsen, sie ist als indianische Droge eine Migrantin und die passen im Plural einfach nicht ins Staatskonzept und in den Religionstheatern können Frauen schon lang nicht mehr aktiv am Rauchopferritus teilnehmen – die Altarfeuerhüter sind männlich. Ach, hätt` ich einen Garten, meine eigene Tabakkultur hieße Nikotiana Lozani! Denn Lee Lozano, Konzeptkünstlerin, notierte am 16.9.1968: „Smoking remains attractive because it is an excuse to make a little fire“. 

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Ich habe nämlich den Verdacht, dass dieses ganze Anti-RaucherInnen-Getue Ausdruck einer sich stetig verengenden Toleranz gegenüber den Mitmenschen und ihren Eigenheiten oder Gebrechen ist. Jetzt ist es soweit, dass man nicht mehr Nikotin in die Luft blasen darf, morgen darf man vielleicht bei der Gartenarbeit nicht mehr fluchen und schwitzen und in naher Zukunft dürfen hässliche Menschen vielleicht nur noch ab der Dämmerung auf die Straße.
Es ging – für ein internationales Abkommen – ungewöhnlich rasch. Brauchte es doch „nur“ kurze 5 Jahre bis zu einer erfolgreichen Verabschiedung der Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen.
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