Appell an die Regierungsverhandlungen zu Kunst und Kultur
Mit Blick auf die laufenden Regierungsverhandlungen zu Kunst und Kultur und die daran anschließenden Budgetverhandlungen appellieren wir an die Verhandler*innen: Setzen Sie sich für die Absicherung der Kunst- und Kulturfinanzierung ein und investieren Sie in die freie Kunst und Kultur! Erhöhen sie die Finanzierungszuschüsse des Bundes für freies Kunstschaffen und zeitgenössische Kunst- und Kulturarbeit um zumindest 50 Millionen Euro. Aktuell belaufen sich diese auf lediglich 0,1% der Bundesausgaben. Jeder mehr investierte Euro ist eine nachhaltige Investition in die Zukunft, wie zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen.
APPELL AN DIE REGIERUNGSVERHANDLUNGEN ZU KUNST UND KULTUR
vom 02.12.2024, ergangen an die Verhandler*innen der Untergruppe Kunst und Kultur im Namen der erstunterzeichnenden Organisationen;
Sehr geehrte Damen und Herren!
Mit Blick auf die laufenden Regierungsverhandlungen und die daran anschließenden Budgetverhandlungen möchten wir eindringlich an Sie appellieren:
Setzen Sie sich für die Absicherung der Kunst- und Kulturfinanzierung durch den Bund ein und investieren Sie in die freie Kunst und Kultur! Eine Erhöhung der Finanzierungszuschüsse um zumindest 50 Millionen Euro, insbesondere für freies Kunstschaffen und lokal verankerte, partizipative zeitgenössische Kunst- und Kulturarbeit, ist eine nachhaltige Investition in die Zukunft: Jeder in Kunst- und Kulturarbeit investierte Euro ist – von zahlreichen Studien wissenschaftlich belegt – eine Investition in eine demokratischere, gemeinschaftlich engagiertere, sozial gefestigte und resilientere Gesellschaft, die sich auch wirtschaftlich als wichtiger Faktor für Beschäftigung, Bruttowertschöpfung und Standortattraktivität auszahlt.
Die Dringlichkeit einer Budgetkonsolidierung ist uns bewusst. Das Einsparungspotenzial in der Förderung der freien, zeitgenössischen Kunst- und Kulturarbeit bewegt sich jedoch bestenfalls im Promillebereich. Der Großteil der Bundeskulturausgaben fließt bekanntermaßen in die Bundeskultureinrichtungen. Im Jahr 2023 etwa investierte der Bund lediglich 155 Millionen Euro österreichweit in das Kunst- und Kulturschaffen und dessen Vermittlung auf Basis des Kunstförderungsgesetzes (Kunst- und Kulturbericht 2023). Dies entsprach nur 0,1 % der Bundesausgaben (Bundesrechnungsabschluss 2023).
Ermöglicht werden durch die Bundeszuschüsse über 500 Jahresprogramme an Kunst- und Kulturangeboten, über 2.000 Projekte sowie die Vergabe von über 1.000 Stipendien und Preise an Einzelkünstler*innen. Bricht die Finanzierung des Bundes ein, anstatt ausgebaut zu werden, bricht das Fundament eines ohnedies notorisch unterfinanzierten Sektors ein. Der resultierende Schaden steht in keinem Verhältnis und kostet die Gesellschaft weitaus mehr.
Freie Kunst- und Kulturarbeit leistet die kulturelle Basisarbeit und Nahversorgung für die Menschen. Sie ist das Fundament für die künstlerisch-kulturelle Entwicklung von morgen. Sie trägt entscheidend zu sozialem Zusammenhalt und demokratiepolitischem Engagement bei. Sie leistet einen Dienst für die Gesellschaft und ihre Zukunftsfähigkeit. In diese zu investieren, muss es uns wert sein!
Hochachtungsvoll,
im Namen der erstunterzeichnenden Organisationen (in alphabet. Reihenfolge):
ASSITEJ Austria – Junges Theater Österreich, Florian Eschelbach
Berufsvereinigung der Bildenden Künstler Österreichs, ZV
Dachverband der österreichischen Filmschaffenden, Zora Bachmann
Dachverband Salzburger Kulturstätten, Thomas Randisek
Forum Österreichischer Filmfestivals, Anna Ladinig
IG Autorinnen Autoren, Gerhard Ruiss
IG KiKK – Interessens-gemeinschaft der Kulturinitiativen in Kärnten | Koroška, Walter Oberhauser
IG Kultur Österreich, Yvonne Gimpel
IG Kultur Steiermark, Lidija Krienzer-Radojević
IG Kultur Vorarlberg, Mirjam Steinbock
IG Kultur Wien, Irmgard Almer
IG Übersetzerinnen Übersetzer, Anja Malich
Kulturrat Österreich, Clemens Christl
Künstler*innen Vereinigung Tirol, Vorstand und Geschäftsleitung
KUPF OÖ, Thomas Diesenreiter
Österreichischer Musikrat, Günther Wildner
Österreichischer Verband der Kulturvermittler:innen im Museums- und Ausstellungswesen, Markus Fösl
TKI – Tiroler Kulturinitiativen, Maurice Kumar
ERGÄNZENDES FAKTENBLATT
zu ausgewählten aktuellen Studienergebnissen und statistischen Auswertungen[1|, Datenangaben beziehen sich ausschließlich auf Österreich;
Kunst- und Kulturangebote holen die Bevölkerung ab.
- Über 80 % der Menschen besuchen monatlich eine Kulturveranstaltung oder Kulturstätte in Österreich.
- Mehr Menschen besuchen eine Live-Kulturveranstaltung als Sportveranstaltung.
- Ausschlaggebend für den Besuch von Kunst- und Kulturangeboten sind der Erholungswert, die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern und Neues zu sehen und zu lernen, sowie Kunst und Kultur als soziale Praxis und Treffpunkt.
Kunst- und Kulturangebote sind ein demokratiepolitischer Faktor.
- Die Teilnahme an kulturellen Aktivitäten – sei es passiv oder aktiv – fördert nachweislich bürgerschaftliches Engagement, Demokratie und Zusammenhalt.
- Sie wirkt sich positiv auf die Wahlbeteiligung aus,
- erhöht das ehrenamtliche Engagement und die Bereitschaft, sich an gemeinschaftlichen Aktivitäten zu beteiligen,
- stärkt den sozialen Zusammenhalt und die Entwicklung positiver sozialer Einstellungen,
- fördert die Entwicklung persönlicher und sozialer Fähigkeiten und Kompetenzen,
- erhöht sogar die Spendenbereitschaft.
- Diese Effekte der kulturellen Teilnahme wirken unabhängig vom sozioökonomischen Status und Bildungsniveau einer Person.
Kunst und Kultur sind eine wichtige Säule der österreichischen Volkswirtschaft[2].
- Der Kultursektor trägt jährlich 1,9 % bzw. 4,7 Milliarden Euro zur Bruttowertschöpfung bei.
- Unter Berücksichtigung der Vorleistungen und Investitionsverflechtungen erhöht sich der Wertschöpfungsbetrag auf 7 Milliarden Euro.
- Jeder in Kunst und Kultur investierte Euro fließt zumindest dreifach zurück.
- 4,4 % aller Erwerbstätigen haben einen Kulturbezug, an die 130.000 Beschäftigte sind in Kulturorganisationen im engeren Sinne tätig.
Kunst und Kulturangebote leben vom Engagement.
- Über 420.000 Personen engagieren sich ehrenamtlich in Kulturorganisationen.
- Sie leisten wöchentlich über 1,2 Millionen Arbeitsstunden – mit einem monetären Wert zwischen 14 und 24 Millionen Euro wöchentlich.
- Damit sich Engagierte ehrenamtlich einbringen können, braucht es aber ein Minimum an Basisausstattung – von Räumlichkeiten über Equipment bis zur bezahlten Koordination, die vielfach wesentlich von der Kofinanzierung durch den Bund abhängt.
Kultur wirkt darüber hinaus in zahlreichen anderen politisch relevanten Feldern als Vermittlerin und Booster – für die Bildung, die Gesundheitsförderung und Prävention, die regionale Entwicklung, die Wettbewerbsfähigkeit, die gesellschaftliche Resilienz und Adaptionsfähigkeit.
[1] Quellen: Kulturstatistik 2022, Statistik Austria 2024; Kulturelle Beteiligung in Österreich, SORA 2023; Kunst und Kulturbericht 2023, BMKÖS 2024; Culture and Democracy, the evidence, Europ. Kommission 2023; NPO-Satellitenkonto, BMSGPK 2024.
[2] Angesichts der Ergebnisse der WIFO-Studie 2020 ist davon auszugehen, dass der tatsächliche Beitrag wesentlich höher ist. Mangels Veröffentlichung des angekündigten Kultur-Satellitenkontos stehen Detailauswertung bislang nicht öffentlich zur Verfügung.