Anti-Teuerungspaket für Kultur gefordert

Pressemitteilung vom 16.02.2023: Seit Monaten wird die freie Kulturszene vertröstet, dass Maßnahmen zur Abfederung der explodierenden Kosten in Vorbereitung sind. In einem offenen Brief fordern IG Kultur und die Landesorganisationen der freien Kulturarbeit die Bundesregierung auf, endlich ein Anti-Teuerungspaket zu schnüren, das den Fortbestand gemeinnütziger Kulturarbeit und ihrer Leistungen für die Gesellschaft absichert.

Sanduhr dunkles, blaues Gegenlicht.

Die Auswirkungen der allgegenwärtigen Teuerung treffen auch die freie Kulturszene hart: Über 80% der Kulturinitiativen können ihre für 2023 geplanten Aktivitäten nicht mehr wie geplant durchführen – so das Ergebnis einer Blitzumfrage der IG Kultur. Betroffen sind vor allem in der freien Kulturszene arbeitende Menschen. Deren ohnehin prekäre Beschäftigungssituation hat sich durch die Teuerungen nun weiter verschärft: Mehr als die Hälfte der Kulturinitiativen gibt an, Einsparungen bei Mitarbeitenden und dessen Entlohnung vornehmen zu müssen. Jede zweite Kulturinitiative muss Veranstaltungen absagen und ihr Programm adaptieren. Jeder fünfte Kulturverein bangt, ob etablierte Kulturräume weiterhin erhalten werden können.

„Nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie sollte hinlänglich bekannt sein, dass gemeinnützige Kulturvereine kostendeckend arbeiten und über keine Rücklagen verfügen, um derartige Kostensteigerungen selbst stemmen zu können“, so Yvonne Gimpel, Geschäftsführerin der IG Kultur. „Es braucht nun rasch Maßnahmen, um größeren Schaden von der freien Szene und ihren Einrichtungen, die das Fundament des vielfältigen Kulturlebens darstellen, abzuwenden.“

In einem offenen Brief fordern die IG Kultur Österreich und die Landesorganisationen der freien Kulturarbeit daher Kulturminister Werner Kogler, Staatssekretärin Andrea Mayer und Wirtschaftsminister Martin Kocher, in dessen Zuständigkeit der Energiekostenzuschuss fällt, endlich tätig zu werden und die Situation der gemeinnützig agierenden Kulturvereine angesichts der explodierenden Kosten ernst zu nehmen. Gefordert wird ein Anti-Teuerungspaket, das zumindest folgende Eckpunkte umfasst:
 

  1. Öffnung des Unternehmens-Energiekostenzuschuss für gemeinnützige Kulturvereine
    Während für Privatpersonen, Unternehmen und Gebietskörperschaften Entlastungspakete geschnürt wurden, sind gemeinnützige Organisationen, deren Tätigkeiten der sog. „Liebhabereivermutung“ unterliegen, bislang die einzige Gruppe, die keine Unterstützung zur Abfederung der Energiekostensteigerung erhält. Grund hierfür ist die enge Unternehmensdefinition, die in den Richtlinien des Zuschussmodells gewählt wurde, welche gemeinnützig arbeitende Kultureinrichtungen weitestgehend ausschließt. Es braucht eine Richtlinienänderung, um dieses Instrument auch gemeinnützig tätigen Einrichtungen zugänglich zu machen.
     
  2. Start des Energiekostenzuschuss-Pauschalfördermodells 
    Seit September 2022 werden all jene, die die Zuschussuntergrenze des EKZ I nicht erreichen, auf das Pauschalfördermodell vertröstet. Trotz Ankündigung für Anfang Februar liegen die Richtlinien noch immer nicht vor. Wir fordern den sofortigen Start der Fördermaßnahme sowie angesichts weiterhin steigender Energiekosten deren Verlängerung bis Ende 2023 mit einer Ersatzrate von 70%, analog zur angekündigten Unterstützung für Sportvereine.
      
  3. Schaffung eines Teuerungs-Notfallfonds für Kunst und Kultur
    Mangels anderweitiger Unterstützungsmöglichkeiten stellt die Teuerung für viele im Kultursektor weiterhin eine akute Gefährdung dar. Hierzu zählen etwa Kultureinrichtungen mit nicht-valorisierten (Mehr-)Jahresförderungen oder Kulturvereine, die keine Umsätze haben, da sie ihr Kulturangebot kostenlos zur Verfügung stellen. Wir empfehlen daher dringend, im Kulturressort einen Teuerungs-Notfallfonds für Kunst und Kultur zu schaffen, um Härtefälle aufzufangen.
     
  4. Jährliche Valorisierung der Kulturbudgets
    Die Teuerungen betreffen nicht nur die Energiekosten, sie ziehen sich durch sämtliche Ausgaben – von Personal- und Mietkosten bis zu Transport-, Material- und Druckkosten. Niemand geht davon aus, dass diese Kosten in Zukunft wieder sinken werden. Soll das Kulturleben nicht sukzessive ausgedünnt werden, ist eine substantielle Erhöhung der Kulturbudgets unerlässlich. Wir begrüßen die Anhebung des Kulturbudgets des Bundes als ersten Schritt. Wir fordern alle fördergebenden Stellen auf – insbesondere auch Bundesländer und Gemeinden – ihre Kulturbudgets jetzt substantiell zu erhöhen und jährlich zu valorisieren. 
     
  5. Runder Tisch mit den Vertreter*innen der Szene
    Das Format hat sich während der COVID-19 Krise bewährt. Es ist geeignet, auch bei Bewältigung der Energie- und Teuerungskrise zu helfen um einen strukturierten Informationsaustausch zu schaffen und praxisrelevante Lösungen im Dialog zu finden.


„Wenn die Politik nicht handelt, sind die Konsequenzen klar: noch mehr Veranstaltungen werden gestrichen, Mitwirkende entlassen, Künstler*innen nicht mehr engagiert und jahrelang aufgebaute Kulturräume aufgegeben,“ so Gimpel abschließend. „Soll Kultur nicht zum Privileg der Besserverdienenden werden, ist jetzt Zeit zu handeln!“ 
 

Der offene Brief im Wortlaut

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