Alles auf Schiene! Koralmbahn und Kulturtunnel
In 41 Minuten von Graz/Gradec nach Klagenfurt/Celovec – die Koralmbahn wird es möglich machen. Die neue Verbindung zwischen der Steiermark/Štajerska und Kärnten/Koroška bietet auch für die Kulturszene große Chancen. Zusammenarbeit, Austausch und eine Vergrößerung des Publikums – all dies könnte die neue Zugstrecke mit sich bringen. Welche Gestaltungsmöglichkeiten sich daraus für die lokalen Kulturinitiativen ergeben, besprechen wir in der aktuellen Episode.

Neue Bahnverbindung als Chance
Ab dem 14. Dezember 2025 wird die Koralmbahn Klagenfurt und Graz in nur 41 Minuten verbinden. Nach drei Jahrzehnten Bauzeit und Investitionen von 5,9 Milliarden Euro soll die neue Verbindung nicht nur den Transport, die Wirtschaft und den Tourismus stärken, sondern auch neue Möglichkeiten für Kultur und Kooperation eröffnen. Das Projekt „Kulturtunnel – Fahrt Nr. 1“, initiiert von der IG Kultur Steiermark und der IG KIK Kärnten/Koroška, will die freie Szene in beiden Bundesländern stärker vernetzen. Im September und Oktober 2025 fanden gegenseitige Besuche von Kulturschaffenden in Graz und Klagenfurt statt. Dabei lernten sie Orte der freien Szene kennen und loteten Möglichkeiten für künftige Zusammenarbeit aus.
Stimmen aus der freien Szene
Mika Palmisano vom Verein Gemse betont, dass Kärnten/Koroška ein besonderer Kulturraum sei, geprägt von kleinen, widerständigen Initiativen, die trotz Marginalisierung und knapper Ressourcen über Jahrzehnte hinweg bestehen. Diese Vielfalt sei noch immer zu wenig bekannt und brauche mehr Sichtbarkeit und Partnerschaften. Silvana Chimenti von der Literaturzeitschrift „Manuskripte“ wünscht sich, dass Kärnten nicht nur als Urlaubsziel, sondern auch als Ort für Tagesausflüge und Kulturveranstaltungen wahrgenommen wird. Daniel Gönitzer vom Container 25 sieht in der neuen Bahn eine große Chance, weist aber darauf hin, dass sie allein die bestehenden Infrastrukturprobleme nicht lösen werde. Damit Publikum auch tatsächlich zu den Kulturinitiativen in ländlichen Regionen gelangt, müssten die Gemeinden den öffentlichen Verkehr vor Ort ausbauen. Wichtig seien zudem Orte, die nicht nur Veranstaltungen anbieten, sondern auch Aufenthalt und Vernetzung ermöglichen, wie zum Beispiel Residencies oder Unterkünfte.
Herausforderungen und politische Rahmenbedingungen
Die Situation kleiner Kulturinitiativen ist oft schwieriger als die der großen Institutionen. Budgetkürzungen und politische Entscheidungen treffen sie besonders hart. In der Steiermark ist die ÖVP für die Hochkultur zuständig, die FPÖ für die Volkskultur und setzt vor allem auf die Förderung von Heimat- und Brauchtumspflege. Diese Schwerpunktsetzung führt bei sinkenden Kulturbudgets zu Einschnitten bei der freien Szene. Ähnliche Probleme gibt es in Klagenfurt, wo ein Haushaltsloch die Lage kleiner Initiativen noch verschärfte. Palmisano fordert deshalb kreative Lösungen, Kooperationen und widerständige Strategien, da ein politisches Entgegenkommen derzeit nicht zu erwarten sei. Daniel Gönitzer plädiert für eine Kombination aus Kooperation und subversivem Auftreten, um auch neue Zielgruppen zu erreichen und die freie Szene sichtbarer zu machen.
Gemeinsame Geschichte und Mehrsprachigkeit
Eine besondere Verbindung zwischen Kärnten/Koroška und der Steiermark ist die slowenische Volksgruppe, die in beiden Bundesländern zu Hause ist. Die gemeinsame Geschichte, ähnliche Erfahrungen als Minderheit und vergleichbare politische Herausforderungen schaffen Grundlagen für gegenseitiges Verständnis. Die Koralmbahn könnte dazu beitragen, die Vernetzung zwischen den Minderheitengemeinden in den Städten und im ländlichen Raum zu erleichtern. Palmisano kritisiert, dass größere Kulturinstitutionen in Kärnten noch immer keine durchgehende Mehrsprachigkeit praktizieren, etwa bei Übertitelungen von Theaterstücken, während kleine slowenischsprachige Bühnen dies längst selbstverständlich tun. Er sieht die bessere Verbindung auch als Chance, mehrsprachige Angebote und eine stärkere Auseinandersetzung mit der slowenischen Geschichte und Kultur in der Steiermark zu fördern.
Kooperationen und Perspektiven
Viele Akteurinnen und Akteure der freien Szene in beiden Bundesländern wünschen sich konkrete Kooperationen und gemeinsame Formate. Dazu zählen gemeinsame Veranstaltungen und Tourneen, etwa für Musikgruppen, oder die nachhaltige Nachnutzung von Installationen im öffentlichen Raum. Sie sehen die Chance, voneinander zu lernen und in der Zusammenarbeit resilientere Strukturen zu entwickeln. Gleichzeitig betonen sie die Notwendigkeit, dass Städte und Länder die Rolle der freien Szene stärker anerkennen und nicht nur ideell, sondern auch finanziell unterstützen.
Fazit
Die Koralmbahn und das Projekt Kulturtunnel eröffnen neue Chancen für die Vernetzung, für die Gewinnung von Publikum und für die Sichtbarkeit der freien Szene in Kärnten/Koroška und in der Steiermark. Notwendig bleibt jedoch politische Unterstützung, eine bessere lokale Infrastruktur sowie die Anerkennung der kulturellen Vielfalt, die insbesondere auch die slowenische und queere Community einbezieht.