3 % mehr Gehalt bei weniger Budget? Warum die Arbeitsgruppe Fair Pay gefordert ist
Das neue Fair Pay Gehaltsschema 2026 ist da. Angesichts der Kulturbudgetkürzungen quer durch alle Gebietskörperschaften ist die empfohlene Entgelterhöhung von 3% für Kulturarbeit mehr als eine Herausforderung. Für viele Kulturvereine wird es schlicht nicht leistbar sein – zumindest nicht, wenn sie ihr Angebot für die Bevölkerung in der bestehenden Qualität aufrechterhalten möchten. Auf klare Zusagen seitens der Politik wartet die Szene jedoch bislang vergebens. Wenn Fair Pay überleben soll, muss die Politik schleunigst handeln!

„Eine der wichtigsten Maßnahmen im Kulturbereich“ – so bewertete Vizekanzler und Kulturminister Andreas Babler die Fair Pay Strategie im Parlament – „immerhin gehe es um gerechte Arbeitsbedingungen und gerechte Entlohnung“. Und auch im Regierungsprogramm ist fairer Bezahlung und besserer sozialer Absicherung ein eigenes Unterkapitel im Kulturteil gewidmet. Dass ein sozialdemokratischer Kulturminister sich hinter Fair Pay stellt, war zu erwarten. Was dies konkret für die Praxis bedeutet, blieb jedoch offen. Die Budgetentwicklungen ließen ernsthafte Zweifel aufkommen. Angesichts der aktuellen Entwicklungen droht Fair Pay jedoch zu einem leeren Versprechen zu werden.
Warum? Bereits im laufenden Budgetjahr 2025 wurde die Fördermittel für freie Kunst- und Kulturarbeit um 10 Millionen vom Bund gekürzt. Im Jahr 2026 sollen die gekürzten Fördermittel im Wesentlichen unverändert fortgeschrieben werden. Es ist eine Milchmädchenrechnung, dass sich damit faire Entlohnung für Kulturarbeit nicht ausgehen kann – nicht angesichts der weiter voranschreitenden Inflation, die die Fixkosten zum Erhalt kultureller Infrastruktur weiter in die Höhe treibt; von Gehaltsanpassungen für 2026, wie sie für andere Berufsgruppen selbstverständlich sind, ganz zu schweigen (zur Berechnung der Anpassungen des Fair Pay Schemas für Kulturarbeit siehe Infobox unten). Bereits 2025 erfolgten reale Kürzungen der Fördersummen für viele Kulturvereine. In der Praxis bedeutete dies eine Reduktion des Programms und eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und -möglichkeiten: kleinere Teams, die dasselbe Arbeitspensum stemmen, Reduktion von Personal und Personalstunden, weniger Engagements für Künstler*innen, stagnierende oder reduzierte Gagen / Honorare und Gehälter und (noch) mehr unbezahlte Arbeit. 2026 wird sich dieser Trend verschärfen.
Auf politischer Ebene verweist man darauf, froh zu sein, trotz der Budgetsituation die Fair Pay Maßnahmen 2025 fortsetzten zu können. Konkret heißt das, dass 2025 wie bereits im Jahr 2024 weiterhin 10 Millionen Euro zweckgewidmet für Fair Pay vergeben wurden. Parallel dazu wird eine Arbeitsgruppe vorbereitet, die sich mit Fair Pay und fairen Arbeitsverhältnissen im Kulturbereich befassen soll. Noch muss die Arbeitsgruppe erst ihre Arbeit aufnehmen. Es ist jedoch fraglich, wir groß die Spielräume für Verbesserungen in der freien Kunst- und Kulturarbeit tatsächlich sind. Denn da ist zum einen die bittere Budgetrealität – mit den bereits realisierten Kürzungen vom Bund 2025, die 2026 fortgeschrieben werden sollen und damit einen weiteren Wertverlust durch Inflation bedeuten. Gleichzeitig betreffen diese Kürzungen keineswegs nur den Bund, sondern ziehen sich quer durch alle Gebietskörperschaften, die im Flickwerk der Finanzierung nicht gewinnorientierter Kulturarbeit erforderlich sind und vielfach wie ein Dominoeffekt wirken. Kürzt eine Förderstelle, kürzt die nächste ebenso. Und die Kürzungen betreffen nicht nur die Kulturbudgets, sondern ziehen sich bei anderen relevanten Finanzierungszuschüssen fort, die gerade für Kulturvereine, die vernetzt arbeiten und die vielfach gepriesenen Synergien und innovativen Zugänge leben, ebenso wirken – vom Bildungs- und Sozialbereich bis zur Entwicklungszusammenarbeit. Aus dem Kampf um faire Entlohnung wird damit schnell der Kampf, überhaupt noch eine Entlohnung zu erhalten.
Zum anderen ist die Frage, inwiefern der Bund überhaupt Handlungsbedarf bei sich selbst sieht. Auf die Frage, ob das Kulturressort glaubt, dass „eine weitere Aufstockung der Fördersumme (für Fair Pay) künftig notwendig sein wird“ antwortete dieses im Mai: „Die Antragsentwicklung zeigt, dass alle relevanten Antragsteller:innen, die seit der der Pilotphase 2021 begründeten Fair-Pay-Bedarf darstellen konnten, auch Zuschüsse erhalten haben. Der Bund hat somit seinen Anteil zur Schließung des Fair-Pay-Gaps weitestgehend erfüllt. Das Thema gerechte Bezahlung ist jedoch weiterhin relevant und wurde demzufolge auch im Regierungsprogramm verankert. Außerdem sind die Umsetzungsschritte der übrigen fördernden Stellen maßgeblich für eine gelungene Umsetzung der vereinbarten Strategie. Neben den Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) tragen aber auch die Organisationen des Kultursektors selbst eine Verantwortung für die Ausgestaltung ihrer Tätigkeit.“
Aus Praxisperspektive drängen sich mehrere Fragen auf:
- Wie soll faire Bezahlung erreicht werden, wenn jährlich die Kosten steigen – nicht nur aber auch für eine indexierte Entlohnung der Mitarbeitenden, die Fördersummen aber real sinken? Ist es der politische Wille, dass weniger kulturelles Angebot besteht? Denn die simple Antwort: „Dann macht weniger Programm, dafür fair entlohnt!“ verkennt, dass jede Programmreduktion sich auf die in Kunst und Kultur Tätigen auswirkt. Weniger Programm bedeutet in der Regel weniger Engagements, weniger Auftritts- und Präsentationsmöglichkeiten, weniger Arbeitsplätze und weniger kulturelles Angebot für die Bevölkerung. Diese Haltung befeuert bewusst einen Verteilungskampf innerhalb des Kultursektor, indem weniger Akteur*innen mehr erhalten, andere aber noch weniger bis nichts. Wie dies für jene ausgeht, die (noch) nicht etabliert sind, liegt auf der Hand.
- Eine weitere oft zu hörende Antwort ist: „Kulturorganisationen müssen ihren Anteil dazu beitragen, um faire Entlohnung zu erreichen.“ Übersetzt heißt das: Sie sollen ihre Einnahmen bzw. Eigenmittel steigern. Auf dieser Erwartungshaltung baut die Fair-Pay-Politik des Bundes auf. Die Fair-Pay-Zuschüsse, die der Bund zweckgewidmet vergibt, berechnen sich auf Basis des Anteils, den der Bund am Gesamtbudget eines geförderten Vorhabens hat. Beläuft sich beispielsweise der Anteil des Bundes an der Kostenkalkulation eines Kulturprojekts auf 20%, so gewährt der Bund in der Regel als Fair-Pay-Zuschuss 20% des berechneten Fair-Pay-Gaps – also 20% des Fehlbetrags, der notwendig wäre, um Mitarbeitende angemessen zu entlohnen. Beträgt der Eigenmittelanteil, der von Fördernehmenden zur Realisierung eines Projekts eingebracht wird, beispielsweise 30%, so liegt die Verantwortung zu Schließung des Fair-Pay-Gaps für diesen Prozentanteil bei ihnen. Das bedeutet zweierlei: Erstens, je höher der Eigenmittelanteil einer Organisation, desto höher ist der Betrag, den sie selbst zusätzlich erwirtschaften muss, um den Fehlbetrag zur Realisierung fairer Entlohnung zu erreichen. Überspitzt formuliert: Wer mehr Eigenmittel einbringt, wird bestraft. Und es bedeutet in der Praxis ebenso, wer aktuell bereits unbezahlt arbeitet oder eigenes Geld einbringt, um Eigenmittel einzubringen, soll davon noch mehr einbringen. Denn in der Praxis werden Eigenmittel oft in Form eigener finanzieller Mittel bzw. einer fiktiven Bewertung von unbezahlt erbrachten Arbeitsleistungen dargestellt. Und wäre dies an sich nicht bereits problematisch genug, verkennt diese Fair-Pay-Politik auch die eigenen Förderrichtlinien. Denn diese stellen unmissverständlich klar: Werden bei einem geförderten Projekt Einnahmen erzielt, die bei Antragstellung noch nicht geplant/angegeben werden, können diese zu einer Kürzung und Rückforderung der Förderung um diesen Betrag führen. Überspitzt formuliert: Fördernehmende sollen einerseits ihre Einnahmen steigern, um ihren Beitrag zur Erreichung fairer Bezahlung zu leisten, andererseits können genau diese höheren Eigenleistungen zu einer Teilrückforderung der Förderung führen. In der Praxis sind der IG Kultur glücklicherweise bislang keinerlei derartigen Fälle bekannt. Die Widersprüchlichkeit der rechtlichen Regelung ist jedoch offenkundig. Der Berechnungsmodus des Bundes über seinen Anteil am Fair-Pay-Zuschuss muss daher dringend abgeändert werden, um Fair-Pay auf rechtlich sicheren Beinen zu ermöglichen.
- Realität ist leider auch, dass der Berechnungsmodus des Bundes von jeher viele Arbeitsrealitäten im Sektor systematisch ignoriert. Denn Ausgangsbasis der Fair-Pay-Berechnung sind im Bereich angestellter Mitarbeitender stets die bestehenden Wochenstunden. Jene, die sich nie anstellen konnten und unbezahlt arbeiten mussten, sind von Fair-Pay-Zuschüssen per Definition ausgeschlossen. Ebenso sind jene unsichtbar, die zwar am Papier eine Anstellung für eine gewissen Stundenanzahl haben, in Realität aber wesentlich mehr arbeiten. Überspitzt formuliert: Wer bislang aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen ehrenamtlich arbeiten musste, wird dies auch weiterhin tun müssen. Aber ebenso: Wer versucht hat, faire Bezahlung zu ermöglichen, z.B. durch eine geringere Wochenstundenanzahl, hat auch zukünftig keine Chance, den real erforderlichen Aufwand und die daraus resultierende Finanzierungslücke darzustellen. Oder auf die Spitze getrieben: Die bestehende Systematik begünstigt jene, die Mitarbeitende nach realem Arbeitsaufwand angestellt haben, jedoch katastrophal unterbezahlt haben.
Fazit: Die angekündigte Arbeitsgruppe zu Fair Pay darf nicht zur Begleitmusik werden und muss im eigenen Zuständigkeitsbereich ansetzen, anstatt nur auf andere Gebietskörperschaften zu verweisen. Ihr Handlungsauftrag liegt auf der Hand: die bestehenden Berechnungs- und Förderlogiken so zu verändern, dass faire Bezahlung tatsächlich erreichbar wird, und zugleich die Budgets so weiterzuentwickeln, dass sie dieser Zielsetzung standhalten. Das bedeutet bereits jetzt, die Budgetentwicklung für 2027+ klar in den Blick zu nehmen.
Gleichzeitig braucht es kurzfristige Lösungen: Schon heute stehen Kulturvereine vor der Frage, wie sie die empfohlenen 3 % mehr Gehalt finanzieren sollen, ohne ihr Programm zu kürzen oder Mitarbeiter*innen nicht angemessen entlohnen zu können. Genau hier muss die Arbeitsgruppe ansetzen – mit Regelungen, die den Alltag der Kulturakteur*innen tatsächlich entlasten. Denn Fair Pay ist notwendig, um auch jene Stimmen und Perspektiven im Kulturbereich hörbar zu machen, die sich prekäre Arbeitsbedingungen auf Dauer nicht leisten können. Das ist ein Gebot demokratischer Teilhabe. Fair Pay ist notwendig, um Verteilungskämpfe nicht weiter anzuheizen, sondern die Vielfalt, die Nahversorgung und die kulturelle Infrastruktur in allen Regionen abzusichern, so wie es im Regierungsprogramm verankert ist.
Die Arbeitsgruppe muss die Chance nützen, Fair Pay so weiterzuentwickeln, dass es zu einem wirksamen kulturpolitischen Instrument wird. Entscheidend ist, dass die Politik diesen Auftrag ernst nimmt und die Spielräume nutzt, die sie selbst in der Hand hat.
INFOBOX – Warum im Schnitt Erhöhungen von 3% für Kulturarbeit, wenn andere Berufsgruppen wesentlich geringer erhöhen?
Angesichts der sich abzeichnenden Lohnabschlüsse für 2026, die für viele Berufsgruppen voraussichtlich unter der Inflation liegen wird, stellt sich die berechtigte Frage, warum die Anpassung der Gehaltsempfehlungen für Kulturarbeit vergleichsweise so hoch sind.
Die IG Kultur verhandelt nicht die Anpassungen, da sie nicht kollektivvertragsfähig ist. Um dennoch eine Anbindung an reale kollektivvertraglich ausgehandelte Abschlüsse zu gewährleisten, folgen die Anpassungen für Kulturarbeit den Lohnabschlüssen der Handelsangestellten – als jenem Kollektivvertrag, der in Österreich für die größte Personengruppe gilt und auch Grundlage der Anpassungen des GPA Vereinsschema darstellt. Kulturvereine müssen jedoch bei Förderansuchen ihre genauen Jahreskostenkalkulationen bereits im Herbst des Vorjahres vorlegen können. Das heißt, sie brauchen verlässliche Zahlen zu Personalkosten, bereits bevor die Ergebnisse der Kollektivvertragsverhandlungen zumeist vorliegen. Daher wurde mit der Gewerkschaft GPA ein Modus vereinbart, bei dem ausgehend von der rollierenden Inflation im Betrachtungszeitraum (September des Vorjahres bis August des laufenden Jahres), bereinigt um Abweichungen der Ergebnisse des Lohnabschlüsse im Handel des Vorjahres, bereits Ende September das neue Gehaltsschema vorgelegt werden kann. Das heißt, sind in einem Jahr die Erhöhungen im Gehaltsschema für Kulturarbeit in einzelnen Beschäftigungsgruppen im Vergleich zum Handel zu hoch gewesen, fallen diese im nächsten Jahr geringer aus; sind sie in anderen Beschäftigungsgruppen zu niedrig gewesen, erfolgt die Korrektur im Folgejahr.
Durch diesen Modus haben Kulturvereine verlässliche Zahlen für das kommende Jahr im Herbst, wenn sie sie brauchen, während gleichzeitig eine enge Anbindung an die Lohnentwicklung durch Kollektivvertragsabschlüsse gewährleistet ist. Für 2026 bedeutet dies, dass wenn der Handel unter der Inflation liegt, auch das Gehaltsschema für Kulturarbeit 2027 entsprechend geringer ausfallen wird. Da jedoch 2025 das Gehaltsschema in manchen Beschäftigungsgruppen schlechter, in manchen besser als der Handelsabschluss lag, wurde für das Schema 2026 eine entsprechende Korrektur vorgenommen.