Kultur als Wirtschaftsfaktor – muss das sein?

„Creative europe“ ist das nachfolgeprogramm des EU-Kulturförderprogrammes. 1, 46 Milliarden Euro stehen von 2014 bis 2020 insgesamt zur Verfügung. Im Dezember 2013 wurde der erste Call ausgeschrieben. Wunderbar, so könnten sich die Kulturschaffenden in ganz Europa denken. Bei näherer Betrachtung ist der Kulturbegriff, der hier verfolgt wird, aber zumindest fragwürdig. 

Wirtschaftsfaktor Kultur

Anders als davor handelt es sich bei „Creative Europe“ nämlich längst nicht mehr um reine Kulturförderung. Die klassischen drei Säulen, Kultur, Media und Garantie Fond wurden aufgeweicht, das Wording praktisch vom Media Programm übernommen. Ziel der neuen Ausschreibung ist es, der Kulturbranche zu helfen, „die Chancen des digitalen Zeitalters und der Globalisierung zu nutzen“, um „nachhaltiges Wachstum“ zu unterstützen. Was genau aber ist damit gemeint? 

ExpertInnen betonen, dass es zunehmend darum ginge, neue Jobs zu schaffen und neue (Publikums-)Märkte zu erschließen. Die Kultur soll, wie andere Sektoren auch, zur Wirtschaftsleistung der EU beitragen. Kann und tut sie auch, kann man versichern, bloß sollte dies nicht ihre erste und vornehmste Leistung sein. 

Förderziel von „Creative europe“ sind u.a. transund internationale Zusammenarbeit, Mobilität der KünstlerInnen sowie eine größere Verbreitung von kulturellen und kreativen Werken. So weit, so gut. Bewerben können sich keine Einzelpersonen (eine Rechtsform wie Verein oder GesmbH muss seit zwei Jahren vorliegen), sondern EU-Kooperationsprojekte, Netzwerke und Plattformen im Bereich Kultur und Kreativwirtschaft. Und genau das wird von ExpertInnen kritisiert: Konnten bisher nur nicht-kommerzielle Projekte im Bereich „Kultur“ eingereicht werden, ist das mit „Creative Europe“ nun nicht mehr so. 

Viele sehen darin eine Gefährdung von kleineren Non-Profit-Initiativen, die jetzt einer zusätzlichen Konkurrenz aus der Kreativwirtschaft ausgesetzt sind. Für diese wird es nun nochmals schwieriger, sich durchzusetzen. Gefördert werden nämlich so genannte kleine oder große Kooperationsprojekte. Die „kleinen“ müssen mindestens drei internationale PartnerInnen umfassen, eine Laufzeit von maximal 48 Monaten haben und können mit maximal 200.000 Euro gefördert werden – wobei jeweils maximal 60 % des jeweiligen Gesamtbudgets durch „Creative Europe“ gefördert wird.
So eine Einreichung, selbst für ein „kleines“ Projekt, erfordert also ganz schön viel Planungsarbeit, Vorbereitungszeit und Know-how. Denn der Teufel sitzt auch hier manchmal im Detail: So wird nämlich die „Relevanz“ eines eingereichten Projektes stärker bewertet als „Qualität und Inhalte“. Die „Qualität der Projektpartnerschaft“ spielt ebenso eine Rolle wie die „Kommunikation und Verbreitung“ des Projektes. Hier liegt der Verdacht nahe, dass gutes Marketingund Kommunikations-Know-how, spannende oder gar experimentelle Inhalte, die oft schwieriger zu kommunizieren sind, schon bei der Einreichung aus dem Feld wirft. 

So viel ist klar: Es geht der Europäischen Kommission stark darum, neue Publikumsschichten zu erschließen und auch bisherige NichtbesucherInnen oder Kulturmuffel hinter dem Ofen hervorzulocken. Dagegen haben Kulturschaffende und ExpertInnen auch gar nichts einzuwenden. Es kann aber nicht der Weisheit letzter Schluss sein, sie durch eine zunehmende Ökonomisierung der Projekte und Inhalte selbst erreichen zu wollen. 

Dies könnte durch die Einreichstruktur aber befördert werden: Für die so genannten großen Projekte benötigt man gar sechs internationale PartnerInnen und wird dafür für vier Jahre mit maximal zwei Mio. Euro bedacht. Wieder gilt: 40 % des Gesamtbudgets müssen abseits von „Creative Europe“ aufgebracht werden. Das sind Riesenprojekte, die auf Verwaltungsebene, so geben ExpertInnen zu bedenken, aber nicht mehr Arbeit machen als kleinere Projekte. Welche also werden vom Verwaltungsapparat bevorzugt werden? Für kleine, nicht-kommerzielle Kulturprojekte wird es also abermals schwieriger. 

Ein zusätzlicher Haken für so genannte „kleine“ Projekte ist die Zahl der vorgeschriebenen PartnerInnen. Fällt bloß einer von dreien aus, ist das Projekt beendet. Von ExpertInnen wird also dringendst empfohlen, gleich von Anfang an mit vier, statt der vorgeschriebenen drei zu starten. Kleine Projektstrukturen, wie sie Non-Profit-Kulturprojekten oft zu Eigen sind, werden als, so kann man zusammenfassend sagen, benachteiligt. 

Dass mit „Creative Europe“ nun auch die Förderung von kommerziellen Projekten aus den Kulturtöpfen möglich ist, hat Österreich im Vorfeld des Beschlusses des Förderprogrammes sogar zu einer Protestnote veranlasst. Darin wird u. a. festgehalten: „Österreich ist die Stärkung des nicht-kommerziellen Kulturschaffens ein ausdrückliches Anliegen. Im Gegensatz zum EU-Kulturprogramm 2007-2013 besteht im Unterprogramm ,Kultur‘ des neuen EU-Programms Kreatives Europa 2014-2020 die Möglichkeit, auch das kommerzielle Kulturschaffen aus den EU Mitteln zu finanzieren. Diese Neuausrichtung des Unterprogrammes „Kultur“ wird von Österreich nicht unterstützt, denn das gemeinnützige und das profitorientierte Kulturschaffen folgen jeweils anderen Gesetzmäßigkeiten und bedürfen daher spezifischen Fördermaßnahmen, um eine optimale Hebelund Anreizwirkung zu erzielen.“ 

Auch Deutschland hatte „schwerwiegende Bedenken“, stimmte dem Text aber schließlich anders als Österreich zu. Da die Beschlussfassung in diesem Fall nicht einstimmig sein muss, wurde Österreich mit qualifizierter Mehrheit überstimmt, hat aber zumindest ein lobenswertes, sichtbares Zeichen gesetzt, dass nicht alles kulturelles Schaffen den Mechanismen der Kreativwirtschaft folgen sollen muss. Noch schöner als besagte Protestnote wäre es aber, folgte Österreich in wirklich allen Bereichen, wo es alleine entscheiden kann, eben jenen postulierten Anliegen. 

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