Filmindustrie. Eine interkontinentale Verwechslung

Es gibt keine österreichische Filmindustrie. Es gibt nicht einmal eine ernst zu nehmende europäische Filmindustrie. Heimische Produktionen sind so gut wie immer öffentlich ausfinanziert. ProduzentInnen tragen kein Risiko mehr, dafür ist aber auch finanzieller Erfolg ausgeschlossen

Wer kennt sie nicht, die Filmindustrie. Die großen weißen Buchstaben, die Hollywood in die Landschaft schreiben. Riesige Villen bis oben hin voll mit Superstars und Adabeis. Große Autos, teure Weine, teures Alles, mit Glitzer und Prunk und Parfum und – ahhhhhhh! – der ultimative, zur Schau getragene Reichtum, erbeutet durch die Einnahmen aus dem Copyright. Top und Flop nur Millimeter auseinander. Ein Drahtseilakt findiger versierter ProduzentInnen. Alles ist möglich; nix ist fix; hop oder drop; jedes ist seines Glückes Schmied; Nerven aus Stahl und riesige mögliche Gewinne. So in etwa rattern die Assoziationsketten, wenn eines über die Filmindustrie spricht. Das ist schon ok so, das ist normal, denn so wird es uns ja auch tagtäglich in Zeitungen und Filmen, im Radio und im Fernschauer erzählt.

Problematisch ist, dass viele dieser Assoziationen auch auf die europäische und sogar die österreichische Film„industrie“ übertragen werden. Deshalb möchte ich hier einmal klarstellen: Es gibt keine österreichische Filmindustrie. Es gibt nicht einmal eine ernst zu nehmende europäische Filmindustrie. Heimische Produktionen sind so gut wie immer öffentlich ausfinanziert. ProduzentInnen tragen kein Risiko mehr, dafür ist aber auch finanzieller Erfolg ausgeschlossen. Mit Ausnahme von ein paar britischen, ein paar französischen und spanischen Produktionen sind europäische Produktionen so gut wie immer öffentlich ausfinanziert – wenn auch gerne hinter buchhalterischen Tricks verborgen. Diese Erkenntnis ist schmerzhaft und scheint die Identität so mancher, die in diesem Bereich arbeiten, zu unterminieren. Vor allem ProduzentInnen und VerleiherInnen sträuben sich gegen das Bild, selbst SubventionsnehmerInnen zu sein und hängen der Idee an, auf dem Markt entsprechend ihrer Leistungen entlohnt zu werden. Das ist falsch, denn Filme werden in jedem einzelnen ihrer Produktions- und Dis- tributionsschritte gefördert. Von der Drehbuchförderung, über die Produktionsförderung, die Postproduktionsförderung, die Kinostartförderung, die Kopienförderung und zu guter Letzt die Kinos selbst, die unter dem Druck unzulänglicher Stadtplanung und dem Wildwuchs der CineSuperMegaplexxxe mittlerweile auch förderungsbedürftig sind. Von daher ist es schlichtweg falsch, von einer Industrie im landläufigen Sinne des Wortes zu sprechen.

Warum ich das hier schreibe? Nun, es gibt in der Branche eine gewisse Doppelmoral, die einer sinnvollen kulturpolitischen Diskussion im Wege steht. Auf der einen Seite sehen sich ProduzentInnen und VerleiherInnen als Wirtschaftstreibende und auf der anderen Seite werden sie genauso ausfinanziert wie Theater (in vielen Fällen sogar höher), Museen etc. Film in Europa ist eine Kunstform und kein Geschäft. Zumindest was die Finanzierung betrifft. Dazu mag eines stehen, wie es will, es ist eine Tatsache. Nicht einmal die erfolgreichsten österreichischen Filme spielen auch nur annähernd ihre Entstehungskosten wieder ein. Aus diesem Grund wäre es sehr hilfreich, die mühsame Fassade der WirtschaftskriegerInnen fallen zu lassen und sich in eine kulturpolitische Diskussion zu begeben. Dies ist vor allem bei zwei Themenbereichen von größter Bedeutung: Erstens bei der Diskussion um Copyright und Public Domain. Warum werden Filme, die ohnehin bereits öffentlich ausfinanziert sind, nicht auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht? Und zweitens bei Diskussionen um Gats und Trips. Hier besteht die Gefahr, dass PolitikerInnen in vollkommener Unkenntnis der Sachlage Verträge unterzeichnen, die dann eine europäische Filmproduktion endgültig unmöglich machen würden, da die Subventionen wettbewerbsrechtlich nicht konform wären.

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