Haftung für Abgaben bei Übernahme eines gemeinnützigen Vereins

Verkehrszeichen: Vorsicht, Abrutschgefahr

Vorsicht bei der Übernahme eines gemeinnützigen Vereins: nach aktueller Rechtsprechung treffen vertretungsbefugte Personen besondere Prüfpflichten, wenn sie einen Verein übernehmen. Insbesondere das Vorliegen der Gemeinnützigkeit gem. §§ 34 ff BAO und die daraus resultierende Steuer- und Abgabenerleichterungen dürfen nicht einfach als gegeben vorausgesetzt werden. Werden Vereinsstatuten ungeprüft übernommen und stellt sich später eine Abgabenschuld heraus, so haften die Vereinsobleute mit ihrem Privatvermögen, wenn offene Forderungen nicht aus dem Vereinsvermögen gedeckt werden können.


Prüfung von Vereinsstatuten gehört zur Sorgfaltspflicht 

In erster Linie haftet der Verein als juristische Person selbst für seine Verbindlichkeiten. Sollte der Verein jedoch aus irgendeinem Grund nicht belangt werden können (unzureichende Mittel, Verein inzwischen aufgelöst), kann es zur Haftung von Vereinsfunktionär*innen mit ihrem Privatvermögen kommen. Voraussetzung dafür ist, dass die mit der Funktion verbundene Sorgfaltspflicht nicht eingehalten wurde und somit ein schuldhaftes (fahrlässiges) Verhalten vorliegt.

Im Zusammenhang mit Steuern und Abgaben gilt ein besonders strenger Maßstab zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht:

§ 9 BAO enthält für Abgabenschulden des Vereins eine spezielle Vertreter*innenhaftung, welche nach aktueller Rechtsprechung schon bei leichter Fahrlässigkeit greifen kann.

Zur Sorgfaltspflicht von vertretungsbefugten Vereinsfunktionär*innen gehört, die Vereinsstatuten auf das Bestehen von abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu prüfen.

Insbesondere das Vorliegen von Gemeinnützigkeit bringt abgabenrechtliche Befreiungen mit sich. Die Einschätzung, ob der Verein die Befreiung tatsächlich in Anspruch nehmen kann, ist nicht immer einfach und verlangt mitunter die Expertise einer Steuerberatung oder der Finanzverwaltung. So kann es passieren, dass einem Verein infolge einer Abgabenprüfung die Gemeinnützigkeit versagt wird und nachträglich eine Steuerschuld entsteht. Es liegt an den verantwortlichen Vereinsfunktionär*innen zu beweisen, dass bei der Beurteilung der Gemeinnützigkeit nicht fahrlässig gehandelt wurde. Eine blinde Übernahme von Vereinsstatuten, ohne die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit zu kennen und ohne Expert*innen hinzuzuziehen, gilt als leicht fahrlässig und verletzt die strenge abgabenrechtliche Sorgfaltspflicht. Es kann zur Haftung der verantwortlichen Person mit ihrem Privatvermögen kommen. 

Hinweis: Wird ein*e ehrenamtlich tätige*r Vereinsfunktionär*in aufgrund leichter Fahrlässigkeit belangt, hat er*sie gegen den Verein einen Regressanspruch, da die Haftung im Innenverhältnis auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt ist. Dieser Regressanspruch ist natürlich nur relevant, wenn der Verein noch besteht bzw. (wieder) finanzielle Mittel hat.

 

Muss die Prüfung durch eine Steuerberatung erfolgen?

Um die strenge Vertreter*innenhaftung auszuschließen, empfehlen wir, sowohl die Statuten als auch den Vereinszweck von Fachexpert*innen auf ihre abgabenrechtliche Korrektheit (Gemeinnützigkeit) überprüfen zu lassen. Im Streitfall kann so die Einhaltung der erhöhten Sorgfaltspflicht nachgewiesen werden. Ob die Prüfung zwingend durch eine Steuerberatung bzw. die Finanzverwaltung erfolgen muss, was häufig mit erheblichen Kosten verbunden ist, bleibt offen und kann letztlich nur im Einzelfall beurteilt werden. Sind die finanziellen Mittel knapp und die Gemeinnützigkeit nicht eindeutig, ist jedenfalls Vorsicht geboten. 

 

Der Anlassfall: Einem aufgelösten Swingerclub wird die Gemeinnützigkeit aberkannt. Wer haftet für die nachträglich vorgeschriebene Umsatzsteuer?

Im konkreten Fall wurde einem als Verein geführten Swingerclub die Gemeinnützigkeit aberkannt und nachträglich Umsatzsteuer vorgeschrieben. Da der Verein inzwischen aufgelöst wurde, konnten die offenen Umsatzsteuerforderungen nicht mehr beim Verein geltend gemacht werden. Das Finanzamt stützte sich auf die Vertreterhaftung nach §9 BAO und erließ direkt gegenüber dem ehemaligen Vereinsobmann einen Haftungsbescheid.

Der ehemalige Vereinsobmann hatte das Konzept und die Statuten eines bereits bestehenden Swingerclubs übernommen, ohne sich bei der Finanzverwaltung oder einem*r Steuerrechtsexperten*in erkundigt zu haben, unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, einen Swingerclub als gemeinnützigen Verein zu führen. Eine irrtümlich fehlerhafte Rechtsauffassung ist nur dann entschuldbar, wenn die objektiv gebotene und nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt eingehalten wurde. Das beinhaltet die Pflicht, sich an geeigneter Stelle zu erkundigen. Wer diese Erkundigung verabsäumt, trägt das Risiko des Rechtsirrtums. 

 


Disclaimer: Im Rahmen unseres Beratungsangebots helfen wir euch aufgrund unserer Erfahrungswerte gerne bei einer Ersteinschätzung zur Gemeinnützigkeit. Da wir weder Steuerberater*innen noch Anwalt*innen sind, können wir für solcherlei Beratungen allerdings keine Haftung übernehmen.