Zwischenzeit. Ein kunsttherapeutisches Pilotprojekt zu Burnout und Burnout-Prävention

Burnout-Gefährdung ist kein Randphänomen, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage zur Häufigkeit des Burnout-Syndroms in Österreich. Lediglich 52 % der Österreicher_innen sind als gesund einzustufen. Ein probates Mittel zur Burnout-Prävention kann Kunsttherapie sein, wie das Pilotprojekt „Zwischenzeit“ aufzeigt.

Burnout-Gefährdung ist kein Randphänomen, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage zur Häufigkeit des Burnout-Syndroms in Österreich.[1] Lediglich 52 % der Österreicher_innen sind als gesund einzustufen. Ein probates Mittel zur Burnout-Prävention kann Kunsttherapie sein, wie das Pilotprojekt „Zwischenzeit“ aufzeigt. Ein Gespräch mit Edith Sandhofer-Malli, Initiatorin des Projekts und Leiterin des Österreichischen Berufsverbands und Instituts für Kunsttherapie. 

 

Kunst, Therapie, Gesundheitsvorsorge, arbeitsmarktpolitische und soziale Zielsetzungen – das Projekt „Zwischenzeit“ bewegt sich an vielen Schnittstellen. Worum geht es in dem Projekt? 

Edith Sandhofer-Malli— Kunsttherapie und ihre Wirkung ist nichts Unbekanntes. In Österreich gibt es Kunsttherapie seit über 25 Jahren. 2018 wurde Kunsttherapie erstmals gezielt bei Burnout bzw. zur Burnout-Prävention im Projekt „Zwischenzeit“ im Rahmen von fit2work[2] umgesetzt. 

Ziele des Pilotprojekts waren und sind die Erhaltung des Arbeitsplatzes, Gesundheitsförderung und die Wiedereingliederung nach Erkrankungszeiten. Dafür wurden unsere Dipl. Kunsttherapeut_innen von mir fachlich geschult und zu Spezialist_innen für Burnout beziehungsweise Burnout-Prävention ausgebildet. 

Die Finanzierung übernahm das Sozialministeriumservice und die Pensionsversicherungsanstalt. Für die administrative Umsetzung des Projekts konnten wir 2018 das WUK als Projektpartner gewinnen. 

 

Wie kam es zur Finanzierung des Projekts durch das Sozialministerium? 

Edith Sandhofer-Malli— Dazu gibt es eine Vorgeschichte. Für Kunsttherapeut_innen gibt es bis heute kein Berufsgesetz. Meine These ist, dass es nicht reicht zu sagen, dass wir gerne ein Berufsgesetz hätten. Wir müssen durch unser Tun Wirksamkeit aufzeigen. Das war das große Anliegen. So kam es zu einem Gespräch mit dem damaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der den Kontakt zum Ministerium herstellte und in gewisser Weise den Auftrag gab, Gespräche aufzunehmen. Als ich das erste Konzept vorlegte, war die Rückmeldung in etwa: „Kein Interesse“. Aber mit einem langen Atem, nach viel Überzeugungsarbeit und Folgegesprächen, wurde das Projekt schließlich bewilligt. 
 

Die Ergebnisse der Evaluierung des Projekts zeigen große Veränderungen im Sinne einer umfassenden Entlastung des Gesundheitssystems.


Eine Besonderheit ist, dass das Pilotprojekt evaluiert wurde. In der Praxis ist Evaluierung zwar oft ein Wunsch, jedoch selten Teil der Projektfinanzierung... 

Edith Sandhofer-Malli— Uns war es sehr wichtig, dass das Projekt evaluiert wird. Wir machen seriöse Therapie und wollten daher auch eine Evaluierung extern in Auftrag geben. Das Sozialministerium hat uns schließlich dabei unterstützt und eine Wirksamkeitsprüfung bei ihrem Evaluierungspartner, der Psychologischen Fakultät der Universität-Wien ermöglicht. Dabei wurden die Standardevaluierungen der Psychologie und Psychotherapie an die Settings der Kunsttherapie angepasst. 

Die Ergebnisse der Evaluierung für das Gesamtkollektiv der Absolvent_innen des Projekts „Zwischenzeit“ zeigen große Veränderungen im Sinne einer umfassenden Entlastung des Gesundheitssystems, insbesondere die berufliche Leistungsfähigkeit hat sich verbessert. Krankenstände, Krankenhausaufenthalte, Besuche bei Ärzt_innen und die Einnahme von Medikamenten wurden reduziert. Positive Veränderungen wurden auch im Bewegungs-, im Sport- und im Ernährungsverhalten der Proband_innen verzeichnet. 
 

 


Anzumerken ist, dass bei dem Projekt ausschließlich Menschen mit der Diagnose „Burnout“ begleitet wurden. Das heißt, bevor diese Menschen zu den Kunsttherapeut_innen kamen, hatten sie eine ärztliche Abklärung mit entsprechenden Befunden und ein psychologisches Gutachten vorzulegen, woraus ersichtlich war, dass die Mehrfachproblematik ein Burnout beschreibt. Ziel war es, dass diese Menschen, die in aufrechten Arbeitsverhältnissen sind, in diesen Arbeitsverhältnissen bleiben und ihren Job weitermachen können. Das ist zu 100 Prozent gelungen. 

 

Haben die Ergebnisse der Evaluierung Auswirkungen gehabt?

Edith Sandhofer-Malli— Aufgrund der hohen Erfolgsrate wird das Projekt weitergeführt. Ab 2019 wird das Projekt zusammen mit dem Berufsverband österreichischer Psycholog_innen als Projektträger nicht mehr nur lokal an einem Standort in Wien angeboten, sondern verteilt auf Privatpraxen von Diplomierten Kunsttherapeut_innen in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und im Burgenland – und zwar diesmal im Rahmen des Projektes „Klinische Psychologie und Kunsttherapie bei Burnout im Rahmen von „fit2work“. Die fachliche kunsttherapeutische Projektbegleitung bleibt beim ÖBKT-IKT als Österreichischer Berufsverband und Institut für Kunsttherapie. 

 

Aus ihrer Erfahrung heraus, was kann die Beschäftigung mit zeitgenössischer Kunst und Kultur bewirken? 

Edith Sandhofer-Malli— Unser Denken „denkt“ in Bildern. Die Werbung hat diese Erkenntnis längst sehr effektiv aufgegriffen. Politik, Gesellschaft, persönliche und globale Entwicklungen gehen Hand in Hand. Seit Menschen digitale Werk- zeuge zur Auslebung ganz individuelle Kreativität entdeckt haben, sind Jung und Alt mit großer Begeisterung bei der Sache. Dass Kunst kreatives Potenzial im therapeutischen Kontext wirksam entfalten kann, gerät langsam ins Bewusstsein. 

Die Urväter der Kunsttherapie, Sigmund Freud und C.G. Jung, haben uns schon vor langer Zeit gezeigt, dass wir uns nicht nur in Sprache ausdrücken, sondern immer und zu jeder Zeit durch alle unsere Sinne lebendig sind. Die Sprache selbst lebt ja von den Bildern, die sie in den Köpfen der Zuhörenden erzeugt. Die Plastizität unseres Gehirns erfährt durch Ganzheitlichkeit ihr volles Potenzial. Und so liegt die Achtsamkeit der Kunsttherapie auf der Kombination aus Gesprächen, Gefühlen, die durch eri nerte Bilder belebt werden, und Körperemotionen. Im kreativen Schaffensprozess kommt der ganze Mensch zum Ausdruck. Und das wirkt heilsam. Vor allem in einer Welt, die soziologische und rassistische Grenzen sprengen möchte und wo gleichzeitig hohe Abhängigkeiten vorherrschen. Kunst und Kunsttherapie eröffnen individuelle Handlungsräume, wecken die Neugier und bieten lebendige Anreize 

www.ikt.or.at / www.berufsverbandkunsttherapie.com

 

 

Edith Sandhofer-Malli ist Kunsttherapeutin, Supervisorin und Trainerin. Sie leitet das Institut für Kunsttherapie in Österreich (IKT) und den Österreichischen Berufsverband für Kunsttherapie (ÖBKT). 

Coverfoto: Curtis McNewton


1 Prävalenz des Burnout-Syndroms in sterreich. Sozialministerium, BURN AUT – sterreichische Gesellschaft für Arbeitsqualität und Burnout, Anton Proksch Institut Wien 2017
2 fit2work ist eine Beratungs- und Unterstützungsstelle bei gesundheitlichen Problemen am Arbeitsplatz, initiiert durch die österreichische Bundesregierung. www.fit2work.at

 

IG Magazin 2019
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.19 „Kultur als Rezept“ des Magazins der IG Kultur Österreich - Zentralorgan für Kulturpolitik und Propaganda erschienen.
Das Magazin kann unter office@igkultur.at (5 €) bestellt werden. 

 

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