Von schweren Anschlägen und deren Kollateralschäden. Folgerecht als totes Recht für lebende KünstlerInnen.
Der Countdown läuft. Bis zum Jahresende kann sich SchwarzBlauOrange noch schützend vor den Kunstmarkt stellen, um ihn vor Folgerechtsabgaben zu bewahren. Danach bricht das Folgerecht auch über Österreich herein: Bildende KünstlerInnen werden ab 1. 1. 2006 einen Anspruch auf finanzielle Beteiligung am Wiederverkauf ihrer Werke haben. Jedes Mal, wenn der Kunstmarkt für einen EigentümerInnenwechsel eines Kunstwerks sorgt (ausgenommen ist der Erstverkauf ), soll die KünstlerIn wenige Prozent vom Verkaufserlös erhalten.
Der Countdown läuft. Bis zum Jahresende kann sich SchwarzBlauOrange noch schützend vor den Kunstmarkt stellen, um ihn vor Folgerechtsabgaben zu bewahren. Danach bricht das Folgerecht auch über Österreich herein: Bildende KünstlerInnen werden ab 1. 1. 2006 einen Anspruch auf finanzielle Beteiligung am Wiederverkauf ihrer Werke haben. Jedes Mal, wenn der Kunstmarkt für einen EigentümerInnenwechsel eines Kunstwerks sorgt (ausgenommen ist der Erstverkauf ), soll die KünstlerIn wenige Prozent vom Verkaufserlös erhalten. So sieht es eine EU-Richtlinie längst vor, so ist es in vielen Mitgliedstaaten schon seit Jahren und Jahrzehnten Praxis. Die Wirtschaftskammer Wien (Branche Kunsthandel) allerdings sieht das Folgerecht als einen „schweren Anschlag, der die Künstler ebenso schädigt wie den Kunsthandel“. Österreich ist eines jener Länder (neben Großbritannien, Irland, Niederlande, Malta und Zypern), in denen ein Folgerecht zum ersten Mal in Kraft treten wird. Damit der Kunsthandel von dem zitierten „Anschlag“ nicht so hart getroffen wird, soll die EU-Richtlinie hierzulande freilich „auf einem möglichst niedrigen Niveau“ (so steht es in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ) umgesetzt werden. Im Klartext heißt das, dass fast alle KünstlerInnen mit der Implementierung des Gesetzes zugleich auch wieder von Vergütungsansprüchen ausgeschlossen werden. Das allerdings auf einer gesetzlich abgesicherten Basis. Die EU-Richtlinie lässt das insofern zu, als die Rahmenbedingungen für die Mitgliedstaaten äußerst großzügig festgelegt wurden. So können nationale Regierungen mit Ausnahme- und Einschränkungsregelungen ganz gezielt die Bedürfnisse und Interessen einer bestimmten Klientel bedienen. In nationalem Ermessen liegt etwa, ab welchem Verkaufserlös das Folgerecht wirksam wird. Für Österreich heißt das laut jüngstem Gesetzesentwurf: In den Genuss des Folgerechts sollen nur jene KünstlerInnen kommen, deren Werke auf dem Markt ansehnliche Preise, konkret mehr als 3.000 Euro erzielen. Bei Werken, die unter dem festgelegten Mindestverkaufspreis liegen, ist das Folgerecht erst gar nicht anzuwenden. Der Kunstmarkt wird damit zur Entscheidungsinstanz über KünstlerInnenrechte. Wer es nicht in die vorgegebene Preisklasse schafft, kann natürlich auch am Weiterverkauf finanziell nicht partizipieren. Ein Schwellenwert von 3.000 Euro ist zwar gerade noch richtlinienkonform, jedoch fern von europäischen Standards. In den meisten Mitgliedstaaten ist der ausschlaggebende Mindestverkaufspreis aktuell zwischen 15 und 300 Euro festgelegt. Belgien und Spanien liegen mit 1.239 Euro bzw. 1.800 Euro bereits fernab der gängigen Praxis. Nicht nur zahlreiche KünstlerInnen, auch manche künstlerische Techniken, die üblicherweise niedrigere Preise erzielen, werden durch einen hoch angesetzten Schwellenwert ausgeschlossen.
Sozialversicherung für alle statt Folgerecht für wenige!
Künstlerische Praxen, die sich überhaupt fernab des Kunstmarkts bewegen, sind grundsätzlich kein Gegenstand des Folgerechts. Ausgleichende Einnahmemöglichkeiten aus Urheberrechten sind für diese KünstlerInnen nicht vorgesehen. In seiner Grundidee ist das Folgerecht ausschließlich an dem materiellen Werkstück und seinem kommerziellen Wert auf dem Kunstmarkt orientiert. Ursprünglich in Frankreich 1920 eingeführt, sollte es Witwen und Kinder von im 1. Weltkrieg gefallenen Künstlern finanziell absichern helfen. Aber auch die brotlose KünstlerIn, die in jungen Jahren mit ihrer Kunst kaum etwas verdiente, sollte später, sofern es ihre Werke zu Ruhm und Geld brachten, am finanziellen Erfolg ihrer Werke Anteil haben. In den meisten Fällen verstarben die KünstlerInnen allerdings weiterhin wenig begütert, während ErbInnen (das können auch Stiftungen, MäzenInnen etc. sein) nach deren Tod profitierten. Die Idee einer finanziellen Beteiligung zum sozialen Aufstieg blieb zumeist Idee. Für zeitgenössische KünstlerInnen der unterschiedlichen Epochen war das Folgerecht nie eine relevante Größe. Eine entscheidende Gesetzesänderung erfolgte Mitte der 1950er Jahre. Frankreich adaptierte das Folgerecht: Folgerechtsvergütungen sollten ausschließlich bei Kunstverkäufen in Auktionshäusern anfallen, Galerieverkäufe wurden vom Folgerecht ausgenommen und im Gegenzug fortan zu einer Beitragsleistung zur Sozialversicherung von KünstlerInnen verpflichtet – eine Prioritätensetzung, die heute ebenso plausibel erscheint wie vor einem halben Jahrhundert. Obwohl das eine das andere nicht ausschließt (siehe Deutschland), stellt sich bei der Umsetzung der Folgerecht-Richtlinie diese Frage nicht. Abgesehen vom Erstverkauf sind auch Galerieverkäufe zeitgenössischer Kunst verpflichtend einzubeziehen, wobei diese beim Aufkommen von Vergütungen stets nur Nebenschauplätze sind. Der allergrößte Teil an Folgerechtsvergütungen steht auch heute den RechtsnachfolgerInnen zu, deren Vergütungsansprüche bis 70 Jahre nach dem Tod der KünstlerIn bestehen. Etwa 90 Prozent aller Folgerechtsvergütungen in Europa gehen an ErbInnen. Selbst in Deutschland (wo – noch – ein Schwellenwert von 51 Euro gilt und durch kollektive Rechtswahrnehmung durch eine Verwertungsgesellschaft auch der Verwaltungsaufwand gering bleibt) besteht eine Verhältnismäßigkeit von 1:7 hinsichtlich der Vergütungen für KünsterInnnen zu jenen für ErbInnen, obwohl letztere deutlich seltener vorkommen. Und je höher der festgelegte Mindesterlös ist, ab dem Folgerecht zu greifen beginnt, umso kleiner fällt auch der Anteil für die lebenden KünstlerInnen aus. Würde in Deutschland der Schwellenwert auf 3.000 Euro erhöht, so würden etwa zwei Drittel der Bezugsberechtigten ihre Vergütungsansprüche verlieren.
Folgerecht ist unabtretbar. Selbst Geld kassieren soll die KünstlerIn aber nicht.
Das Folgerecht ist ein UrheberInnenrecht, das jeder einzelnen UrheberIn eine Art individuellen Erfolgsbonus ermöglicht. Es ist keine Rechtsgrundlage für eine Abgabenpflicht bei Kunstverkäufen, deren Erträge auf alle KünstlerInnen verteilt oder für bestimmte kollektive Zwecke (z.B. zur Förderung der sozialen Absicherung von KünstlerInnen) verwendet werden können. Im österreichischen Gesetzesentwurf ist zwar vorgesehen, dass nur eine Verwertungsgesellschaft Ansprüche auf Folgerechtsvergütungen geltend machen darf. Gleichzeitig bedeutet das aber nicht, dass die Verwertungsgesellschaft das Recht hat, Vergütungen für ALLE unter das Folgerecht fallenden Verkäufe einzuheben. Im Klartext: KünstlerInnen wären bei einer solchen gesetzlichen Lösung gezwungen, mit der Verwertungsgesellschaft einen Wahrnehmungsvertrag abzuschließen, um zu ihrem Recht zu kommen. Die Verwertungsgesellschaft wiederum wäre ausschließlich dazu berechtigt, die Rechte jener KünstlerInnen wahrzunehmen, mit denen sie einen solchen Vertrag abgeschlossen hat. Für alle anderen KünstlerInnen werden keine Vergütungsansprüche wirksam. Damit wird eine Rechtssituation geschaffen, die das Verhältnis zwischen KünstlerIn und Kunsthandel belastet. Es entstehen zweierlei KünstlerInnen, insbesondere aus der Perspektive des Handels: Jene, für die Vergütungen zu bezahlen sind – und jene, bei denen frau/man sich das schenken kann. KünstlerInnen könnten unter Druck geraten, keine Wahrnehmungsverträge mit der Verwertungsgesellschaft zu unterzeichnen, wenn sie mit einer Galerie zusammenarbeiten möchten. Zwar ist das Folgerecht ein unabtretbares und unveräußerliches Recht, wahrgenommen werden muss es deshalb aber noch lange nicht.
EU-Richtlinie: Urheberrechtlicher Schutz gegen Null verhandelt.
Der EU-Richtlinie liegen im Wesentlichen zwei Gedanken zugrunde. Erstens soll ein „Ausgleich zwischen der wirtschaftlichen Situation der bildenden KünstlerInnen und der Situation der anderen Kunstschaffenden“, die aus der fortgesetzten Verwertung ihrer Werke Einnahmen erzielen, hergestellt werden. Zweitens sollen mögliche „Wettbewerbsverzerrungen und Handelsverlagerungen“ innerhalb der Gemeinschaft abgebaut werden. Der erste Punkt lässt sich mit dem Folgerecht nur bedingt realisieren: Während bei UrheberInnen anderer künstlerischer Sparten (wie bei SchriftstellerInnen, KomponistInnen etc.) bei jeder fortgesetzten Verwertung Geld fließt, gehen bildende KünstlerInnen bis zum festgelegten Schwellenwert leer aus. Dass die Richtlinie den nationalen Regierungen derart großen Spielraum lässt, ist das Ergebnis erfolgreichen Lobbyings des europäischen Kunsthandels, der für die Aufweichung des ursprünglich viel höher angesetzten Schutzniveaus verantwortlich zeichnet. Zu einem früheren Zeitpunkt war beispielsweise vorgesehen, dass das Folgerecht zumindest ab 1.000 Euro Verkaufserlös anzuwenden ist. Das Anliegen mögliche „Wettbewerbsverzerrungen und Handelsverlagerungen“ abzubauen, spielt hingegen ohnehin nur in den oberen Preissegmenten eine Rolle. Denn wann zahlte es sich schon aus, einen Kunstverkauf aus Kostengründen in ein anderes Land zu verlagern? In der Preisklasse unter 3.000 Euro jedenfalls nicht. Schließlich würde bei einem Werk um 500 Euro der Folgerechtsanteil keine 20 Euro ausmachen.
Galerien: Vor dem Aus?
Die Galerien hingegen gerieren sich seit jeher als die eigentlich Geschädigten. Jahrelang sind sie gemeinsam mit weiteren KunsthandelsvertreterInnen und mit KollegInnen aus anderen bislang folgerechtsfreien Mitgliedstaaten gegen eine verpflichtende Einführung des Folgerechts aufgetreten. Überlegungen, mitunter jene Galerien, die (junge) KünstlerInnen auf dem Markt aufbauen und somit einen Beitrag zu späteren Wiederverkäufen ihrer Werke leisten, an Folgerechtsvergütungen zu beteiligen, konnten sich nicht durchsetzen. Gefruchtet hat die Arbeit der Folgerecht-GegnerInnen in der Aufweichung der ersten Richtlinien- Entwürfe – und dies stets zu Lasten der zeitgenössischen KünstlerInnen –, wo es insgesamt betrachtet um Bagatellbeträge für den Kunstmarkt, aber mitunter relevante Summen für die einzelnen KünstlerInnen geht. Frei nach dem Slogan „Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut!“, konnten immer wieder auch KünstlerInnen als heftige GegnerInnen des Folgerechts gewonnen werden. Denn, so die Argumentation, den Schaden würden letztlich die KünstlerInnen davontragen. Auf dieser Logik basieren heute auch Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf. So wettern etwa Albertina-Manager Klaus Albrecht Schröder und der Steirische Landeshauptmann Franz Voves (SP) unisono: Die Auferlegung dieser Vergütungspflicht sei eine „schwerwiegende weitere finanzielle Belastung der ohnehin schon sehr knappen Ankaufsbudgets“ und treffe daher insbesondere die Förderung der zeitgenössischen Kunst. Tatsächlich kann die Aufgabe von KünstlerInnen kaum sein, mit einem Verzicht auf fortlaufende Beteiligung an den Verkaufserlösen ihrer Arbeit dafür zu sorgen, dass es Galerien gut geht, oder dass aus der öffentlichen Kunstförderung finanzierte Sammlungen kostenschonend – zu Lasten der KünstlerInnen – aufgebaut werden. Die zu stellende Frage ist vielmehr, mit welchen Exponaten der Kunsthandel seine Geschäfte machen will, wenn nicht mit den Werken von KünstlerInnen. Sollte eine künstlerische Arbeit tatsächlich nicht gekauft werden, weil sie statt 2.000 Euro nun 2.080 Euro kostet?
Anmerkung
Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses lag ein Gesetzesentwurf für die Urheberrechtsgesetz- Novelle 2005 (inkl. Folgerecht) vor. Geplante Beschlussfassung: Anfang Dezember. Informationen zum Folgerecht unter ig bildende kunst
Daniela Koweindl ist kulturpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst.